Interne Mails: Apple war gegenüber Netflix zu weitreichenden Zugeständnissen bereit – aber auch zu Strafaktionen
Möchte man über die Netflix-App ein Abo abschließen, so fehlt jene Option seit 2018. Stattdessen ist es erforderlich, die Webseite zu bemühen. Der Grund für diese Entscheidung dürfte jedem klar sein. Erfolgt die Buchung per In-App-Kauf, so streicht Apple im ersten Jahr 30 Prozent der Gebühren ein, bei Abos im zweiten Jahr sind es noch 15 Prozent. Alternative Bezahlangebote erlaubt Apple nicht (mit Ausnahme handverlesener Partner wie Amazon), außerdem ist die Marke Netflix so umfassend bekannt, dass Nutzer auch einen etwas umständlicheren Weg zur Buchung gehen. Wie aus den
Gerichtsunterlagen des Verfahrens zwischen Apple vs. Epic hervorgeht, unternahm man in Cupertino aber einige Anstrengungen, Netflix zum Umdenken zu bewegen.
Gleich eine ganze Reihe an hochrangigen Managern schaltete sich in die Diskussion ein, wie man Netflix das Leben mit dem Zahlungssystem des App Stores versüßen könnte. Zwischen Februar und April 2018 beteiligten sich die folgenden Apple-Vertreter an einer langen Diskussion per E-Mail, Netflix durch teils weitreichende Zugeständnisse umzustimmen:
- Matt Fischer – VP App Store
- Pete Distad – VP Marketing
- Sheryline Chapman – App Store Business Management
- Christopher Campbell – Apple Hardware Engineer
- Carson Oliver – Director App Store Business Management
- Peter Stern – VP Services
- Eric Gray – Product Manager, Commerce & Pricing
Von intensiver Werbekampagne bis hin zum ProvisionsverzichtApple erarbeitete gleich eine ganze Reihe an Vorschlägen, was man alles für Netflix tun könne, wenn der weltgrößte Streaming-Anbieter weiterhin Apples Zahlungssystem nutze. Dazu zählte neben umfangreicher Bewerbung in den weltweiten App Stores ("mehr als jeder andere Partner") und im Apple Store auch Promos für das Apple TV sowie Überlassung wertvoller statistischer Daten über das Nutzerverhalten im App Store. Über koordinierte und von Apple geleitete A/B-Tests sollte Netflix außerdem die Möglichkeit haben, das Auftreten im Store besser als andere Anbieter zu optimieren. Apple warf sogar in den Raum, dass Netflix selbst bestimmen könne, welche Shows Apple bewerbe. In der Liste findet sich auch eine radikale Maßnahme wieder, nämlich der Verzicht auf Provision.
Netflix entschied sich für das eigene ZahlungssystemUnbekannt ist, welche jener Maßnahmen Netflix dann tatsächlich auch unterbreitet wurden. Vor allem das "Amazon-Modell", bei dem keine Provision für Videoinhalte mehr anfällt, scheint es wohl eher nicht bis in die Endrunde der finalen Angebote geschafft zu haben. Die Episode zeigt allerdings, wie viel Energie Apple investiert, um große, namhafte Partner im App Store zu halten. Nicht alles dreht sich dabei um die "Apple Tax" selbst, stattdessen ist Apple auch bemüht, ein einheitliches System für den Kunden zu bieten. Interessanterweise vergingen zwischen den mehrwöchigen Überlegungen und der Ankündigung von Apple TV+ weniger als 12 Monate. In Hinblick auf Apples eigene Ambitionen war es also umso bemerkenswerter, dass Netflix im regulären Store-System gehalten werden sollte.
Strafaktion gegen Netflix?Was den Markthütern hingegen negativ aufstoßen dürfte, ist eine weitere E-Mail, in der es um mögliche Rache- bzw. Bestrafungsaktionen gegen Netflix ging. Nachdem Netflix in einzelnen Ländern begonnen hatte, Conversion Rates mit und ohne In-App-Abos zu testen, stieß dies bei Apple auf Missfallen. Apples "App Store Business Manager" Carson Oliver fragte seine Kollegen daher, ob man "punitive measures" einleiten solle. Beispielsweise könnte man direkt alle weltweit geschalteten Features im App Store stoppen, solange Netflix das Testprogramm fahre. Außerdem stand zur Debatte, ob dies Netflix kommuniziert werden solle oder ob der Streaming-Anbieter davon schon früh genug erfahre. Aus den E-Mails geht nicht hervor, wie fortgeschritten jene Überlegungen waren. Für Netflix verliefen die Versuche hingegen eindeutig positiv, weswegen die Entscheidung fiel, in Zukunft auf eigenen Buchungs-Beinen stehen zu wollen.