Ive-Weggang: Zu wenig Interesse der Apple-Führung an Design, weitreichende Meinungsverschiedenheiten bei der Apple Watch
Nachdem Bloomberg bereits in der vergangenen Woche zahlreiche Hintergründe zu Jony Ives letzten Jahren bei Apple geliefert hatte, gibt es jetzt vom Wall Street Journal einen weiteren ausführlichen
Bericht mit neuen Details. Demnach war Ives Weggang ein schleichender Prozess über Jahre – und zwar nicht nur, weil Ive so weit von seiner Familie entfernt lebte und sich um seinen kranken Vater kümmern musste, sondern auch, weil er mit einigen Entwicklungen im Unternehmen nicht einverstanden war. Gleichzeitig zeigten sich aber auch seine Team unzufrieden mit ihm, der oft mit Abwesenheit glänzte, an wichtigen Besprechungen nicht teilnahm, Zusagen nicht einhielt und von ihm erwartete Entscheidungen nicht traf. Diese habe mehr als nur einmal die Produktentwicklung deutlich behindert, so Stimmen aus dem Unternehmen.
Ive wollte eine ganz andere Apple WatchBesagtes Desinteresse sei seit der Markteinführung der Apple Watch deutlich zu erkennen gewesen. Ive habe die Apple Watch vorrangig als Mode-Artikel positionieren wollen, welcher durch Design und Stil glänzt. Allerdings ging die Markteinführung ziemlich in die Hose, angeblich setzte Apple nur ein Viertel der erwarteten Exemplare ab. Tausende der Goldgehäuse-Varianten zu fünfstelligen Preisen blieben unverkauft. Erst als Apple die Strategie weg von Mode, hin zu Fitness und Gesundheit änderte, zog der Absatz wesentlich an. Ive widersprach dieser Strategie, wollte weiterhin keinen Kompromiss aus Mode-Accessoire und iPhone-Verlängerung, sondern ein klarer aufgestelltes, "magisches" Produkt. Als er sich damit nicht durchsetzen konnte, schwand sein Engagement merklich.
Design-Team verlor an BedeutungZahlreiche wichtige Mitarbeiter des Design-Teams hatten Apple in den vergangenen Jahren verlassen. Einerseits sei Ives zunehmendes Desinteresse dafür verantwortlich, andererseits aber veränderte Prioritäten. Unter Steve Jobs war Design das absolut zentrale Kriterium und alle anderen Abteilungen mussten sich oft den Entscheidungen der Design-Abteilungen unterordnen. Jobs hatte sich meist bis ins Detail in die Produkt-Entwicklung eingeschaltet – selbst dann, wenn ihm fachliche Ahnung fehlte und er Fehlentscheidungen wie beispielsweise die Antennenkonstruktion des iPhone 4 entgegen aller Warnungen erzwang.
Mehr Operations, weniger DesignApples aktuelle Führung gesteht dem Design-Team allerdings nicht mehr die weitreichenden Freiheiten wie früher ein – und Ive zeigte sich zunehmend verärgert, wie wenig Interesse es "von ganz oben" an der konkreten Produktentwicklung gebe. Das einstige Gefühl höchster Wichtigkeit schwand und sorgte für schlechtere Stimmung. Zudem seien einige der Entscheidungsträger im Unternehmen nicht ausreichend mit Apples Kernbranche verwurzelt, wie Ive empfand. Die jetzt gefundene Lösung, bei der Ive ein eigenes Unternehmen gründet und somit indirekt weiterhin für Apple arbeitet, scheint indes ein gangbarer Kompromiss zu sein. Angeblich bezahlt Apple jedes Jahr viele Millionen Dollar an "LoveFrom" und kann damit weiterhin auf Ives Design-Philosophie setzen – ohne dass es jedoch weiterhin Zuständigkeits- oder Bedeutungs-Konflikte innerhalb des Unternehmens gibt.