Kamera-Sonntag: Sony stellt a6400 Mittelklasse-DSLM vor und wir machen uns Gedanken um Olympus
Olympus macht Ernst in Sachen "Pro"Nachdem nun auch Olympus' Four-Thirds-Systempartner Panasonic seinen Einstieg in die Welt der Vollformat-DSLMs angekündigt hat (siehe
hier), könnte es um das größenreduzierte Sensorformat schlecht bestellt sein, vermuten manche. Zumindest besteht eine nicht unerhebliche Gefahr, dass MFT an Bedeutung verliert. Zwar hat Panasonic versprochen, auch weiterhin seine eigene MFT-Basis und damit auch Dinge wie Sensoren etc. uneingeschränkt weiter zu entwickeln, aber das Engagement für Vollformat wird unzweifelhaft zu einer anderen Ressourcenverteilung in der Fotosparte des Konzerns führen. Heißt: Weniger Geld für die MFT-Abteilung.
Da Olympus sich explizit gegen ein Engagement im Bereich Vollformat ausgesprochen hat (
) und weiter voll auf MFT setzen will, stellt sich die Frage nach dem Wie. Eine erste Antwort darauf steht schon fest: Olympus wird sich noch viel Stärker im Profi-Markt engagieren. Dazu wird am 24. Januar, also in wenigen Tagen, die neue OM-D E-M1X vorgestellt werden. Bilder dieser Kamera sind schon vor Wochen im Netz durchgesickert. Die M1X wird demnach ein Frontalangriff auf Kameraboliden wie die Canon EOS 1D(x) bzw. Nikon D5 werden und einen fest integrierten Portraitgriff haben.
Der jüngste Teaser-Trailer für die E-M1X
Das MFT-Gerüchte-Basislager 43rumors.com hat neben einigen Bildern auch eine Liste der bisher (mutmaßlich) bekannten Features zusammengetragen, welche die E-M1X bieten soll. Diese sind (stand 20.01.19; es sickern derzeit fast täglich neue Details durch):
- 20,4 MP (kein global shutter)
- 18 Bilder/s
- Sensor-Stabi mit angeblich bis 7.5 EV Ausgleich (in Verbindung mit M.Zuiko IS PRO Objektiven)
- Deutlich effektivere Anti-Staub-Funktion für den Sensor
- Doppelter TruePic VIII Prozessor und damit doppelte Rechenleistung der E-M1 II
- Adaptiver AF mit sich automatisch erweiternden Fokuspunkten, je nach erkanntem Motiv.
- Gehäusegröße: 144,37 x 146,76 x 75,35 mm
- Gewicht: 997 g
- Umfangreich gegen Schmutz und Wasser geschützt
- Multi-Shot HighRes-Aufnahmen bis ca. 80 MP mit Stativ bzw. 50 MP freihändig
- Dual-Akku für bis zu 2.580 Bilder
- USB-C mit Power Delivery
- Zwei UHS-II SD-Card Slots
- Elektronisch zuschaltbarer ND-Filter
- Wi-Fi Capture zur drahtlosen Bildübertragung an Mac/PC
- integriertes GPS, Thermo- und barometer
- Größerer Sucher ohne Blackouts
- 4K Video auf oder über dem Niveau der Panasonic GH5s
- Preis ca. $3.000 Dollar
- Verfügbarkeit: Februar (evtl. auch erst April)
Das klingt alles sehr beeindruckend. Und Sinn ergibt es grundsätzlich auch, denn FourThirds ist dank der wesentlich kleineren Objektive gegenüber Vollformat prädestiniert für Sport-/Action-/Journalismus-/Naturfotografie. Damit lassen sich etliche Kilo und Kubikzentimeter Gepäck sparen – insbesondere im Telebereich. Sollte die Kamera tatsächlich in Sachen AF-Performance und Funktionalität mit den Platzhirschen von Canon und Nikon mithalten (oder diese gar übertreffen) können, wäre das im Grunde genommen der feuchte Traum für Profis. Die Bildqualität von FourThirds mag vielleicht für Erbsenzähler nicht mit Vollformat mithalten können und im absoluten Low-Light-Bereich gibt es sicherlich auch besseres, aber sie reicht inzwischen locker für sämtliche professionellen Einsatzzwecke aus. Mit moderaten aber keineswegs unzureichenden 20 MP Basisauflösung ist zudem eine sehr hohe Bildverarbeitungsgeschwindigkeit bei überschaubaren Dateigrößen gegeben. Und dank Freihand-HiRes-Modus können bei Bedarf anspruchsvolle Aufnahmen für riesige Prints gemacht werden. Werden sich darüber hinaus Features wie der elektronisch zuschaltbare ND-Filter und der IBIS mit wahnsinnigen 7,5 EV bewahrheiten, sollten 1D/D5-User nicht länger die Nase über MFT rümpfen. Zumal Olympus ein fantastisches Sortiment an vergleichsweise bezahlbaren Pro-Objektiven bietet, das den Gerüchten zufolge in Kürze noch um einige weitere echte Schmankerl erweitert werden soll. Beispielsweise um ein 150-400 mm (KB: 300-800 mm) f/4.
Die Frage ist nur, ob sich diese Strategie auch finanziell für Olympus rechnet. Ein Bolide wie die E-M1X widerspricht dem eigentlichen Grundgedanken von einem besonders kompakten Kamera/Objektivsystem. Die E-M1X ist keine Kamera für die Jackentasche und passt mit Ihrer Höhe aufgrund des Portraitgriffs auch in keine herkömmliche Mirrorless-Fototasche. Zudem dürfte der Preis von vermutlich um 3.000 Euro die Schmerzgrenze vieler MFT-Enthusiasten endgültig überschreiten. Des Weiteren ist auch mit einem so beeindruckenden Feature-Paket fraglich, ob sich genügend Pro-User auf einen Wechsel hin zu MFT einlassen. Bei vielen ist einfach noch zu tief das Vorurteil im Kopf verwurzelt, dass das kleine MFT-Sensorformat qualitativ keinen professionellen Ansprüchen genügen könne.
Genau darin liegt meines Erachtens die Entscheidung zwischen Sieg oder Niederlage: Gelingt es Olympus, mit der E-M1X einen Fuß in die Tür der bislang auf Canikon abonnierten Profis zu bekommen – so wie es Sony in Teilen schon gelungen ist – könnte das MFT zu einer praktischen Alternative machen. Wenn sich erst mal ein paar E-M1X in den Fotogräben breit gemacht haben, und die Kollegen mit ihren Monstertüten nebenan sehen, dass auch ein weniger als halb so großes Kamera/Objektivsystem wirklich überzeugende Ergebnisse liefert, und das in atemberaubender Geschwindigkeit, könnte sich das Blatt wenden.
Auch wenn es sich mit MFT im Vergleich zu all den Vollformat-Konkurrenten nur um einen Nischenmarkt handeln dürfte: solange es profitabel ist, sind auch kleine Märkte attraktiv und ggf. sogar viel komfortabler, als ganz an der Spitze mitzumischen. Die E-M1X ist technisch, wie es scheint, allerbestens gerüstet. Aber dazu gehört natürlich noch etwas mehr, wie z.B. ein funktionierender Pro-Support, damit künftig bei sportlichen Großereignissen und in Fotoagenturen mehr der kompakten MFT-Objektive zu sehen sind.
Zugegeben: Als MFT-User und Besitzer der E-M1 (Mark I) finde die E-M1X – sofern alle Feature-Gerüchte zutreffen –
äußerst attraktiv. Der Wechsel von der E-M1 Mark I auf die Mark II erschien mir nicht lohnenswert genug. Die E-M1X bietet demgegenüber deutlich mehr Anreiz für ein Body-Update. Der Hemmschuh liegt definitiv in der Größe. Zwar war ich über viele Jahre überzeugter Nutzer von Pro-Bodies mit integriertem Portraitgriff und weiß die damit verbundenen Vorteile zu schätzen, aber ein Grund für meinen Wechsel zu MFT war Größen-und Gewichtsreduktion in allen Belangen. Sicher, nach wie vor sind es eher die Objektive, die den Größen- und Gewichtsvorteil eines MFT-Systems gegenüber Vollformat ausmachen, aber mit einer E-M1X müsste ich mir schon wieder neue Kamerataschen zulegen, oder auf meine noch vorhandenen und im Keller eingelagerten SLR-Tragelösungen zurück greifen. Auch so elegant ans Kameragehäuse angepasste Kameraplatten zur Stativmontage, wie die Really Right Stuff BOEM1, wird es mit der E-M1X nicht geben. Will ich mir das wirklich antun? Die Entscheidung wird vertagt, bis ich die neue Olympus High-End-Kamera in der Praxis erleben konnte. Ein Testbericht wird folgen.
Die nächsten Wochen werden für MFT-Fans auf jeden Fall sehr spannend! Rewind hält Sie auf dem Laufenden.