Katastrophenwarnung per Push-Nachricht: Cell Broadcast kommt noch in diesem Jahr
Keine Sirenen, mangelnde Kommunikation zwischen Bund, Ländern und Gemeinden und das Fehlen einer modernen digitalen Infrastruktur für die Warnung der Bevölkerung: Das sind nur einige der Gründe, wegen derer zahlreiche Menschen bei der jüngsten Hochwasserkatastrophe in Deutschland ihr Leben verloren. Die Sachschäden gehen darüber hinaus in die Milliarden, ganze Ortschaften sind zerstört und Existenzen vernichtet. Ein Alarmsystem, das sich seit vielen Jahren in etlichen Ländern bewährt hat, soll nun auch hierzulande schnell eingeführt werden.
Cell Broadcast ist Teil aller MobilfunkstandardsBundesinnenminister Horst Seehofer kündigte jetzt an, dass Cell Broadcast noch im Jahr 2021 auch in Deutschland zur Verfügung stehen wird. Die Technik ist seit 1999 in unterschiedlicher Ausprägung in den Standards aller Mobilfunkverfahren von 2G bis 5G enthalten und kommt seit Jahren etwa in Rumänien, Griechenland und den Niederlanden zum Einsatz, aber auch in den USA und Japan. Hierzulande wurde bislang auf die Einführung verzichtet, stattdessen setzten die zuständigen Landesregierungen und der Bund auf spezielle Apps wie Katwarn oder Nina. Diese erwiesen sich aber in der Hochwasserkatastrophe als weitgehend nutzlos. Schätzungen zufolge haben nämlich lediglich etwa zehn Prozent aller Smartphone-Nutzer die Anwendungen installiert, zudem erfolgten Warnungen entweder gar nicht oder zu spät.
"Wir können das noch in diesem Jahr hinbringen.""Wenn wir warten, bis alle zustimmen, dann kommen sie nie vorwärts", sagte Seehofer gegenüber
Pressevertretern. Er habe daher jetzt entschieden, Cell Broadcast einzuführen. Man könne das noch in diesem Jahr "hinbringen", so der Bundesinnenminister. Das Ergebnis einer derzeit laufenden Machbarkeitsstudie dürfte seinen Erkenntnissen zufolge noch vor der Bundestagswahl vorliegen. Er habe dann gesagt: "Wir machen das", auch wenn es nach wie vor Bedenken in anderen Ministerien gebe und das System erhebliche Kosten verursachen werde.
Gleichzeitige Warnung an alle eingebuchten MobiltelefoneMit Cell Broadcast, auch bekannt als SMS-CB, können Warnmeldungen gleichzeitig an alle in eine Mobilfunkzelle eingebuchten Handys übermittelt werden. Das System funktioniert sowohl bundes- und landesweit als auch in begrenzten Regionen. Da die Technik in allen Mobilfunkstandards verankert ist, sind keine Apps erforderlich. Mitteilungen per Cell Broadcast werden also von iPhones und Android-Smartphones ebenso automatisch empfangen wie von klassischen Feature Phones, etwa sogenannten Seniorenhandys. Die Meldungen kommen selbst dann auf ein Gerät, wenn dessen Nutzer den SMS-Empfang deaktiviert hat. Darüber hinaus machen die Mobiltelefone in aller Regel mit einem speziellen Alarmton auf die eingegangene Warnung aufmerksam, die übermittelten Texte können zudem erheblich länger sein als normale Kurznachrichten.
Einführung kostet voraussichtlich 30 Millionen EuroSchätzungen zufolge belaufen sich die Kosten für die Einführung von Cell Broadcast in den deutschen Mobilfunknetzen auf rund 30 Millionen Euro. Die Federführung dürfte vermutlich der Deutschen Telekom zufallen. Welche Beträge für den laufenden Betrieb aufzubringen sind, ist nicht bekannt. Hinsichtlich des Datenschutzes wirft die Technik nach Auffassung von Experten keine Probleme auf. Die Katastrophenschutzbehörden und andere staatliche Stellen, welche die Aussendung von Warnungen veranlassen, erhalten keine Informationen über die Rufnummern der benachrichtigten Handys oder die Standorte der Nutzer.