Ken Segall: Apple verliert die Einfachheit
Ob es um Mausbedienung, die intuitiven Gesten bei der Touch-Eingabe oder das Konzept einer grafischen Benutzeroberfläche geht: Apple legte unter Steve Jobs stets großen Wert auf Einfachheit. Ist dieses Erfolgsrezept inzwischen aus dem Fokus geraten, wie viele es dem Konzern unter Tim Cook vorwerfen?
Ken Segall, Apples langjähriger Werbebeauftragter aus Steve Jobs’ Zeiten, hatte vor vier Jahren ein Buch zum Thema geschrieben:
Insanely Simple: The Obsession That Drives Apple's Success. Nun legte er in einem
Guardian-Artikel ein Update seiner Betrachtungen vor: durchaus kritisch, aber nicht nur negativ.
Steve Jobs, der Meister der Einfachheit„Als Erstes muss ich einen wichtigen Fakt aus dem Weg räumen: Steve Jobs ist nicht ersetzbar.“ Mit diesen Worten stellt Segall klar, dass sich unter Tim Cook selbstverständlich etwas geändert hat. Jobs legte in der ihm eigenen Weise und mit dem ihm gegebenen Nachdruck Wert darauf, dass das Nutzererlebnis von Apple-Produkten einfach, klar und verständlich sein soll. Im Marketing vertraute er nur wenigen Personen, über deren Aktivitäten er stets persönlich auf dem Laufenden blieb und bei denen er sich immer wieder einmischte. So funktionieren eigentlich nur kleine Unternehmen.
Unter Tim Cook hat sich das Marketingteam deutlich vergrößert. Verschiedene Gruppen stehen im Wettbewerb. „Kurz gesagt: Apple behandelt Marketing inzwischen wie ein Großunternehmen, nicht mehr wie ein Startup.“
Einfachheit der ProduktpaletteFrüher gab es den iMac, einen Mac Pro für anspruchsvollere Anwender und ein Apple-Laptop. Inzwischen listet Apple gleichzeitig drei verschiedene iPhones, vier verschiedene iPads und drei unterschiedliche MacBook-Reihen. Oftmals gilt das als äußeres Zeichen der verschwindenden Einfachheit.
Hier positioniert sich Segall allerdings als Fürsprecher Apples. „Märkte reifen. Eine größere Kundschaft hat unterschiedliche Bedürfnisse“, rechtfertigt er etwa die Existenz dreier unterschiedlicher Displaygrößen bei iPhone und iPad. „Ja, Apples Produktlinien sind komplizierter geworden. Aber ehrlich, sind sie zu kompliziert? Die gesamte Produktpalette des Konzerns würde immer noch auf einen durchschnittlichen Wohnzimmertisch passen.“
Problematischer sieht er die Praxis der Produktbenennungen. Weniger den Switch von den iProdukten zu den Apple-x-Produktnamen - dieser lasse sich natürlich nicht über Nacht bewerkstelligen und sorge nunmal dafür, dass beides für eine Zeit nebeneinanderstehe. Aber insbesondere die schon unter Steve Jobs aufgekommene Praxis, jedes zweite iPhone-Modell nur als »S-Modell« zu bezeichnen, sieht er negativ. Es sorge für die mediale Meinung, dass es bei den S-Modellen keine Neuerungen gäbe. Aber immerhin fanden wegweisende Technologien wie Siri, Touch ID oder der 64-Bit-Prozessor in solchen S-Modellen ihren Eingang ins iPhone.
Einfachheit der SoftwareApples Hauptproblem sei aber ohnehin die schwindende Einfachheit in der Software. Als Hauptbeispiel dafür könne Apple Music gelten. „Apple Music wurde gnadenlos attackiert - und hat es auch so verdient“, urteilt Segall. „Mich persönlich machen Teile davon irre.“ Auch unter Jobs habe es Software-Flops gegeben, allen voran der frühe Vorstoß in den Cloud-Markt namens MobileMe (zu den »Jobs-Flops« siehe diesen Artikel:
), aber inzwischen häuften sich die Probleme.
Nichtsdestotrotz endet Segall nicht mit der Generalkritik, die die Artikelüberschrift „Wie Apple seinen Weg verlor“ vermuten lässt. „Ich habe keinen Zweifel, dass Apple immer noch an die Macht der Einfachheit glaubt. Einfachheit ist das Herz der Produkte dieser Firma und die Basis ihrer Zukunftsvisionen.“ Zwar wackle Apples Bild als Vorreiter in diesem Bereich, dennoch glaubt Segall nicht, dass es in der Tech-Branche irgendein Unternehmen gibt, das Apple in Sachen Einfachheit den Rang ablaufe. So schließt er mit den Sätzen: „Wir leben in einer komplizierten Welt. Dasjenige Unternehmen, das Einfachheit ausliefern kann, wird am Ende gewinnen.“