Dieser Artikel basiert auf meiner persönlichen Analyse der Situation rund um das Apple TV. Wie andere Analysten auch, kann ich mich irren und völlig daneben liegen, doch lassen Sie mich Ihnen kurz schildern, warum ich glaube, dass das Apple TV in seiner derzeitigen Form kurz- bis mittelfristig obsolet sein und vom Markt verschwinden wird.
Wie wohl fast jeder Apple-interessierte schon mal gehört hat, betrachtete Apple das im September 2006 vorgestellte Apple TV einst als „Hobby“. Einen ausführlichen Bericht über die Geschichte des Apple TV allgemein – und eine vielleicht etwas hoffnungsvollere Einschätzung der Situation –
finden Sie hier. Erst nach mehreren Hardware-Generationen und deutlichen Änderungen am Software-Konzept, und nachdem die TV-Box im Geschäftsjahr 2013 erstmals über eine Milliarde US-Dollar erwirtschaftete, wurde das einstige „Hobby“ offiziell zu einem, wenn auch kleinen, Wirtschaftsfaktor für Apple.
Insbesondere die spätere Integration von App-Funktionen und einem Store, sowie dem Sprachassistenten Siri sollte dem Apple TV gegen die Konkurrenz von Google (Chromecast), Amazon (Fire Stick) und anderen neuen Auftrieb geben. – Trotzdem sank der Marktanteil. Ein vergleichsweise hoher Preis und fehlende Features (z.B. kein 4K oder keine TV-Abos), und die Tatsache, dass das Apple TV als Game-Konsole weder Fisch noch Fleisch ist, stehen einem wachsenden Erfolg im Weg. Laut einer Umfrage in den USA (
MTN berichtete) sehen das die Verbraucher schon jetzt sehr ähnlich: Dem Apple TV fehlt ein entsprechender Mehrwert.
Der Abstieg ist vorprogrammiertDaran wird sich vermutlich auch nur wenig ändern, wenn die längst überfällige 4K/HDR-Unterstützung nachgereicht wird und Apple mit „exklusiven Inhalten“ á la Carpool Karaoke klotzt. Und der Grund dafür ist recht simpel: Letztlich ist das (jetzige) Apple TV nur eine Set-Top-Box, mit der man ältere TV-Geräte zu einem Smart-TV aufbohren kann. Diese Gerätekategorie hatte eine Zeitlang ihre Berechtigung, aber das ändert sich gerade mit zunehmender Rasanz. Apple wird davon besonders betroffen sein, andere Systeme wie Roku, ChromeCast und FireTV-Stick aber auch.
Neue TV-Geräte sind nämlich fast ausnahmslos „Smart“, also mit allerlei Zusatzfunktionen ausgestattet. Um Netflix oder Amazon Prime zu streamen, braucht man keine externen Kästen mehr. Und langsam aber sicher wird selbst in preisgünstigen TVs Hardware mit ausreichender Leistung verbaut, um auf den Geräten auch Apps von Drittanbietern laufen zu lassen. Sogenannte „exklusive Inhalte“ hat inzwischen jeder Streaming-Dienstleister im Programm, sodass man mit einzelnen Shows wie „Planet of the Apps“ wohl kaum genügend Käufer für ein proprietäres Stück Hardware wird gewinnen können.
Anders ausgedrückt: Was Set-Top-Boxen wie das Apple TV können, bringen moderne Fernseher schon von Haus aus mit. Wozu also noch ein Apple TV anschließen? Allein wegen geplanter exklusiver Inhalte? Wohl kaum.
Auswege aus der Misere?Apple steht vor einem großen Problem. Nicht etwa wegen des drohenden Verlusts einer Nischenhardware, sondern viel mehr, weil es dem Konzern bislang nicht gelungen ist, im hart umkämpften TV-Markt anständig Fuß zu fassen, was wiederum dem Umstand geschuldet ist, dass sein Angebote sich nicht stark genug aus der Masse hervorheben. Was ist also zu tun, um nicht völlig den Anschluss zu verpassen?
Nun, Apple könnte ein eigenes TV-Set auf den Markt bringen. Doch dieses Szenario, über das schon seit vielen Jahren spekuliert wird, ist äußerst unwahrscheinlich. Apple bräuchte dazu ein Produkt von enormer Durchschlagskraft, wie einst das iPhone. Aber wie sollte das aussehen?
Eine andere, einfachere Möglichkeit wäre, das Apple TV aufzubohren. Beispielsweise könnte man es in den HomePod integrieren. Doch das wäre auch nur eine bessere Set-Top-Box, die zudem für den Massenmarkt viel zu teuer wäre und nach wie vor zu wenig Mehrwert bieten würde. Schon das Apple TV in seiner jetzigen Form ist im Vergleich zur Konkurrenz zu teuer. Je nach Speicher-Bestückung kostet es 179 bis 229 Euro (
Apple Online Store).
Apple könnte seine „exklusiven Inhalte“, inklusive Apple Music, für fremde Plattformen öffnen, sodass sie wie Netflix oder Amazon Prime auf jedem Smart-TV, egal mit welchem Betriebssystem, von Haus aus verfügbar wären. Doch selbst damit wären sie nur einer unter vielen, und zudem mit viel weniger attraktiven Inhalten als die Streaming-Marktführer. Es sei denn, Apple nutzt seine schier unerschöpflichen Geldreserven, um beispielsweise ein Schwergewicht wie Netflix zu übernehmen – falls ihnen so ein Coup gelingen kann.
Aus jetziger Sicht erscheint die Situation ziemlich aussichtslos. Ob Apple am Ende doch noch ein Kaninchen aus dem Hut zaubern kann, etwa mit der für Herbst erwarteten Aktualisierung des Apple TV, bleibt abzuwarten. Jedoch sehe ich momentan keine großen Chancen, dass aus dem Nischenprodukt Apple TV jemals eine richtige Erfolgsstory wird. Eher bleibt es ein ambitioniertes Hobby für Apple, um nicht gänzlich den Anschluss an die Film- und TV-Industrie zu verlieren und vielleicht doch eines Tages noch eine zündende Idee nutzen zu können. – Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.