Warum Apple es schwer haben wirdWenn jemand die Macht hat, Netflix und Amazon noch irgendwie bedeutende Konkurrenz zu machen, dann ist das unser aller geliebter/gehasster (zutreffendes bitte ankreuzen) Mac- und iPhone-Hersteller. Denn gelingen kann ein solches Vorhaben eigentlich nur mit viiieeel Geld. … Bergen von Geld! Und die hat Apple. Trotzdem könnte das Vorhaben scheitern, oder zu einem viele Jahre dauernden K(r)ampf werden. Im Handstreich kann man die beiden Platzhirsche wohl kaum vom Thron stoßen. Und schon gar nicht, wenn dazu eine „Black Box“ erforderlich ist. – Das Apple TV.
Der Erfolg von Netflix & Co. liegt aus meiner Sicht zu einem gewissen Teil in der bequemen Zugänglichkeit, die heute mit fast jedem SmartTV durch eine entsprechende integrierte App gegeben ist. Viele Fernseher haben sogar eine Netflix-Taste auf der Fernbedienung. Das heißt, ich muss weder ein zusätzliches Gerät kaufen, dieses extern am TV anstöpseln, noch den Eingang umschalten oder sonstige Umstände berücksichtigen. Netflix-Taste drücken – und läuft. Natürlich ist es kein riesiger Umstand, sich mit einer Black Box zu arrangieren und vorher vielleicht ein, zwei zusätzliche Tasten drücken zu müssen, aber das Bequemere ist hier nun mal des Guten Feind.
Solange Apple durch sein streng kontrolliertes Öko-System (welches ich grundsätzlich positiv sehe) keine simple Apple-TV-App für alle gängigen SmartTVs und deren Betriebssysteme anbietet, ist das Stück zusätzlicher erforderlicher Hardware ein buchstäblicher Klotz am TV-Sockel. Auch wenn sich dadurch sogar Vorteile ergeben, wie beispielsweise „Zero Sign-in“ für unterschiedliche Angebote, die über das Apple TV verwaltet werden können. In der Praxis muss ich mich aber nicht andauernd bei meinem SmartTV in Netflix (oder andere Dienste) einloggen, weshalb auch solche grundsätzlich positiven Features am Ende womöglich nicht ausreichen, um genügend Käufer für ein ATV und ein zusätzliches Abo zu begeistern. Die meisten werden sich bis dahin wahrscheinlich schon längst einen SmartTV gekauft und sich damit direkt bei Netflix/Amazon/Sonstwas angemeldet haben, womit die große Frage im Raum stünde, wozu man sich noch ein ATV kaufen sollte, das man auch noch alle paar Jahre ersetzen muss, um up-to-date zu bleiben.
Der andere große Fels auf dem Weg zum TV-Streaming-Marktführer sind natürlich die Inhalte. Den jüngsten Berichten zufolge soll Apple schon schwer damit beschäftigt sein, sich einen soliden Grundstock an exklusiven Inhalten zu schaffen. Doch ich befürchte, dass wird nicht ausreichen. Und zwar im Wesentlichen aus zwei Gründen:
1. Dem Portfolio der Platzhirsche auch nur annähernd ebenbürtig zu sein, wird viele Jahre dauern. Amazon und Netflix hören schließlich auch nicht auf, weiter eigene Inhalte zu produzieren. Im Gegenteil. Die Investitionen steigen von Jahr zu Jahr, wodurch der Vorsprung schwer aufzuholen ist. Das bedeutet, Apple müsste Inhalte bieten, die den Nutzern so attraktiv erscheinen, dass sie sich
zusätzlich ein ATV plus Apple-Abo zulegen. Und was sollte das sein? Oprah? Car Pool Karaoke? Dazu bedarf es viel mehr international funktionierender Formate und vor allem hochwertiger Stories.
2. Außerdem ist da das bereits erwähnte Problem, dass der Tag nur 24 Stunden hat. Wer schon genug Futter hat, wird nur dann für ein weiteres Abo bereit sein, wenn Apple
noch feinere Küche als die anderen zu einem besonders attraktiven Preis anzubieten hat.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Das alles heißt natürlich nicht, dass es vollkommen aussichtslos ist. Zumindest gegenüber Netflix hätte Apple mit einem Komplettangebot inklusive Musikstreaming sogar einen echten Mehrwert anzubieten. Auch wenn sich Apple nach wie vor bei Musik ausschließlich auf stark komprimierte Audiodaten beschränkt, weil das für die Masse der Nutzer auszureichen scheint. Bei Video wird sich Apple das nicht leisten können und überwiegend 4K und HDR anbieten müssen.
Nach meiner Einschätzung hat Apple aus den zuvor genannten Gründen zwar durchaus eine Chance auf ein anständiges Stück vom (TV-) Streaming-Kuchen, aber das wird ein langfristiges und sehr teures Engagement erfordern. Eine Marktführerschaft sehe ich vorerst nicht in Reichweite für den Apfelkonzern. Offen ist auch die Frage, wie viele Ressourcen Apple bereit ist, für diese Challenge zu investieren und wie sehr das das bisherige Kerngeschäft mit iDevices und vor allem Macs belastet. Letztere scheinen – trotz gegenteiliger Beteuerungen – schon jetzt für den Konzern an Stellenwert deutlich eingebüßt zu haben, wie die immer lauter werdende
Kritik am Mac-Portfolio zeigt. Auch eine so große Firma wie Apple muss Prioritäten setzen.
Erst mal muss Apple überhaupt starten. Momentan gibt es noch keinen Abo-Dienst á la Netflix mit Apple-Logo. Bis es voraussichtlich 2019 losgeht, wird es sicherlich noch viele neue Erkenntnisse dazu geben und bisherige Einschätzungen wie diese vielleicht obsolet machen. Ich lasse mich da auf jeden Fall gerne überraschen. Aber bis dahin bin ich mit Netflix erst mal bestens bedient. Apple muss schon was richtig gutes raushauen, um mich zu einer Extra-Box mit zusätzlicher Verkabelung und einem Zusatzabo oder gar zum Wechsel zu überreden.
Fest steht nur eins: Die Zukunft des visuellen Geschichtenerzählens gehört dem Serien-Streaming.