Kommentar zu Apple TV+: Sind bergeweise Geld der richtige Weg zum Erfolg? – Apple setzt auf Klasse statt Masse
Wie
MTN berichtete, wird Apples Video-Streamingdienst im Herbst mit nur fünf Serien an den Start gehen, nämlich "
The Morning Show", “Amazing Stories” von Steven Spielberg, "
See", “Truth Be Told” mit Octavia Spencer und "Home". Wie Apple-Manager Eddy Cue in einem Interview der "Times" angab, möchte Apple nicht dem Vorbild von Netflix folgend im Eiltempo eine Serie nach der anderen produzieren, sondern stattdessen einen höheren Qualitätsmaßstab ansetzen und dafür viel Geld in die Hand nehmen.
Das ist leichter gesagt, als getan. Etwa sechs Milliarden Dollar will Apple nach Erkenntnissen der „Financial Times“ im folgenden Jahr in Eigenproduktionen investieren. Lediglich Netflix nimmt derzeit ähnlich viel Geld für eigene Inhalte in die Hand. Allerdings produziert der jetzige Streaming-Marktführer damit eine sehr hohe Anzahl vor allem an TV-Serien in vielen internationalen Produktionen. Apple möchte aber Inhalte mit besonderem Qualitätsanspruch anbieten. – Qualität statt Quantität. Doch lässt sich Qualität mit Geld und Starpower erzwingen?
Zum Beispiel "The Morning Show“: Mehr als 15 Mio. Dollar soll eine Folge der Serie kosten, wovon allein die Hauptdarstellerinnen Jennifer Aniston und Reese Witherspoon zusammen mehrere Millionen an Gage einsacken. Selbst für extrem effektlastige und aufwendige Serien wie „Game of Thrones“ wurde nicht so viel pro Folge investiert. Und dabei ist noch sehr fraglich, ob besagte Morning Show überhaupt beim Publikum wie erhofft einschlägt. Bei „See“ mit Jason Momoa ist ebenfalls von einem Budget pro Folge die Rede, das GoT übertreffen soll.
Erfolg ist nur begrenzt planbar und käuflichNetflix hat mit Hits wie „Haus des Geldes“, „Orange Is The New Black“ oder „House of Cards“ bewiesen, dass Serien nicht zwingend Rekord-Budgets benötigen, um beim Publikum anzukommen (auch wenn diese Serien sicherlich nicht billig waren). Selbst absolute Netflix-Blockbuster wie „Stranger Things“ verschlingen höchstwahrscheinlich nicht so viel Geld, wie Apples Staraufgebot. Und Qualität ist bei Netflix auch mit deutlich günstigeren Serien wie „Ozark“ oder „Mindhunter“ gegeben. Zudem sind es oft gerade Serien mit international eher unbekannten Gesichtern, die aus der Masse des Einerleis hervorstechen. Bei Amazon sieht es ähnlich aus. Auch dort finden sich hochgelobte Serien, wie die überragende Sci-Fi-Serie „The Expanse“ (ab Staffel 4) oder „Bosch“. (Oder die grandiose Serie „Mr. Robot“, die aber keine Amazon-Eigenproduktion ist.)
Zweifellos muss Apple, um überhaupt im Streaming-Markt einen Fuß an die Erde zu bekommen, klotzen statt kleckern. Das Risiko dabei ist aber hoch.
Die Nutzer entscheiden mit ihrem GeldbeutelBei der Betrachtung des Konsumverhaltens der Streaming-Nutzer stellt sich zum Beispiel die Frage, ob bei einer weiteren Zerfaserung des Angebots durch neue Plattformen wie Apple TV+ oder Disney+ überhaupt genügend Nutzer angelockt werden können. Immerhin verlangt Apple 10 Dollar/Euro pro Monat (und vermutlich mehr für Streaming in 4K). Wer bereits Netflix und vielleicht noch Amazon Prime abonniert hat, ist in der Regel bestens versorgt und sieht womöglich gar keinen Anlass entweder weitere 10 Euro zu investieren, oder Abo-Hopping zu betreiben.
Trotz des Qualitätsversprechens will auch Apple jeden Monat neue Serien vorstellen. Das ist auch dringend nötig, um Abonnenten bei der Stange zu halten, denn Serien mit zehn Folgen pro Staffel („See“, „The Morning Show“) sind schnell „gebinged“. Da stellt sich dann die Frage, wie Apple die selbstgesteckten hohen Ziele aufrecht erhalten will. Mit noch mehr Geld?
Am Ende sind es oft gerade die Serien, die mit unverbrauchten, neuen Gesichtern und einer innovativen Story oder Erzählweise fesseln, anstatt Megaproduktionen mit überfütterten Stars.
Heißer Streaming-HerbstWenn im Herbst neben Apple TV+ auch noch Disney+ mit absehbar zugstarken Filmen und Serien aus dem Marvel- und Star-Wars-Universum loslegt – und das auch noch zu günstigeren 7 Dollar/mtl. – werden die Karten auf jeden Fall neu gemischt. Die Verbraucher haben die Qual der Wahl.