Moderne Automobile sind rollende Computer. Wo früher oft ein Schraubenzieher und etwas mechanisches Geschick ausreichte, benötigt man heute bei einem Fehler oder Defekt am Fahrzeug fast immer die Hilfe einer Fachwerkstatt mit entsprechendem Diagnose-Equipment. Das ist nicht neu. Die Autohersteller gehen nun aber noch einen Schritt weiter und machen das Auto zum rollenden Smartphone – samt App Store und In-App-Käufen.
Beispiel
BMW: Die jüngste Fahrzeuggeneration der Bayern ist mit dem „Operating System 7.0“ ausgestattet, welches nicht nur alle fahrrelevanten Funktionen steuert, sondern auch die gesamte funktionale und multimediale Ausstattung, vom Blinker über die Tachografik bis hin zu den Radio-Funktionen. Per Pressemitteilung verkündete BMW letzte Woche Dienstag die Verfügbarkeit des ersten „Remote Software Upgrade“ für sein OS7.0. Da alle neueren Fahrzeuge mit diesem Betriebssystem über eine fest installierte SIM-Karte verfügen, können die Autos per Mobilfunk über das Internet kommunizieren. So können frisch gebackene BMW-Fahrer nach dem Neukauf eines Fahrzeugs mit „Connected Package Professional“ beispielsweise – für einen limitierten Zeitraum – Dienste wie BMWs „
Concierge Services“ nutzen und das Auto kann bei einem Unfall automatisch einen Notruf absetzen (vorgeschrieben für neu zugelassene Fahrzeuge seit 2018). Außerdem ermöglicht dies, Upgrades „over the air“ ins Fahrzeug einzuspielen. Ganz so, wie ein iOS-Update für das iPhone.
Das klingt zunächst alles sehr erfreulich, kann der Besitzer sein Fahrzeug doch auf diese Weise stets auf dem aktuellen Software-Stand halten. Auch neue Funktionen können durch solche Upgrades verfügbar gemacht werden (weshalb BMW es auch "Upgrade" und nicht "Update" nennt).
Über die genauen Änderungen der jetzt zur Verfügung gestellten Version informiert BMW
hier (unter dem Punkt “Release Notes 19-03“). Es beinhaltet u.a. Funktionserweiterungen von Fahrerassistenzsystemen (Aktive Geschwindigkeitsregelung oder Seitenkollisionsschutz).
Viel interessanter ist allerdings der folgende Satz der Pressemeldung:
„In späteren Upgrades wird es außerdem möglich sein, zusätzliche Fahrzeugfunktionen im BMW ConnectedDrive Store zu erwerben und einfach im BMW freizuschalten.“ Das heißt letztlich nichts anderes, als dass BMW das Äquivalent von In-App-Käufen für Fahrzeugfunktionen vorbereitet.
Aufpreispolitik und wiederkehrende Kosten am Beispiel Apple CarPlay in BMWsSchon seit geraumer Zeit praktiziert BMW ein aus der Software-Welt bekanntes Vorgehen, bestimmte Features nur über einen gewissen Zeitraum freizuschalten. Die „Apple CarPlay Vorbereitung“ ist so ein Beispiel (weitere finden sich auf
dieser Seite). Wird ein Fahrzeug mit "Connected Package Professional" bestellt (400 Euro Aufpreis), werden dafür in der Software verschiedene Funktionen wie Real Time Traffic Information, Remote Services und auch Apple CarPlay freigeschaltet. Letzteres allerdings nur für ein Jahr.
(In Verbindung mit der Navigation Business oder Professional beträgt die Laufzeit drei Jahre.) Bei der 1-jährigen Laufzeit handelt es sich auf Nachfrage bei BMW
"um einen erweiterten Testzeitraum („Teaser“), der allen Kunden die Möglichkeit gibt, den Dienst zu testen und im eigenen Fahrzeug zu erleben." Apple CarPlay kann beim Fahrzeugkauf aber auch separat als "Sonderausstattung" zum Preis von 300 Euro geordert werden. In dem Fall beträgt die Laufzeit wiederum drei Jahre. (Preise und Optionen können je nach Modell variieren.) Nach Ende der Laufzeit hat der Kunde die Wahl, den Dienst für verschiedene Laufzeiten oder ohne Laufzeitlimitierung zu verlängern:
- 1 Jahr für 109 Euro
- 3 Jahre für 299 Euro
- oder ohne Laufzeitbeschränkung für 399 Euro
Durch diese Angebotsstruktur hat der Kunde laut BMW die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Laufzeiten entsprechend des Zeitraums, die er Halter des Fahrzeugs ist (z.B.: Leasing), zu wählen. Auf diese Weise bezahlt der Kunde nicht vorab
den vollen Preis eines Dienstes, sondern kann sich nach dem Testen und auf Wunsch die Dienste individuell zubuchen, so der Hersteller. Das heißt, im Falle von AirPlay beträgt "der volle Preis des Dienstes" satte 699 Euro: 300 Euro bei Fahrzeugkauf, dann noch mal 399 Euro für eine unbefristete Verlängerung nach drei Jahren. Und das für eine Schnittstelle, die nicht sehr viel mehr macht, als das Display des iPhones auf das Fahrzeugdisplay zu spiegeln.
Letztendlich handelt sich quasi um ein Abo-Modell, welches eine ohnehin vorhandene Schnittstelle zur Generierung von Zusatzeinnahmen nutzt. BMW verlangt hier besonders viel Geld für eine Funktion, die in manchen Kleinwagen inzwischen serienmäßig und unbegrenzt verfügbar ist.
Das muss sich doch noch ausbauen lassen…Mit dem
BMW ConnectedDrive Store bietet BMW künftig die Wahl, weitere Funktionen gegen Cash freizuschalten. Und natürlich besteht damit prinzipiell auch die Möglichkeit, auf diesem Weg erworbene Features temporär zu begrenzen und nach Ablauf der Frist erneut Geld dafür zu verlangen. – Keine wirklich erfreulichen Aussichten.
Dass Autohersteller ihre Fahrzeuge mit Funktionen versehen, die erst gegen Aufpreis freigeschaltet werden, ist nicht neu. Schon früher gab es Fahrzeuge, die vom Werk aus mit Hardware ausgestattet waren, die lediglich per Software – oder per Nachrüstung eines einfachen Schalters und einer zusätzlichen Sicherung – verfügbar wurden. Nur waren diese nach einmaliger Freischaltung dann auch unbegrenzt verfügbar. Durch „In-Car-Käufe“ und quasi-Abo-Modelle eröffnen sich Herstellern wie BMW und anderen neue und repetitive Einnahmequellen.
Ein sehr düsteres Szenario wäre beispielsweise, dass die Klimaautomatik oder auch die Sitzheizung nur gegen regelmäßige Bezahlung verfügbar bleiben. Auch für Gebrauchtwagenkäufer könnte das unschöne Konsequenzen haben. Während der Neukäufer die Funktionen etwa über einen Zeitraum von drei Jahren (wie bei Leasing oft der Fall) nutzen kann, erhalten Second-Hand-Käufer womöglich ein Fahrzeug mit stark eingeschränktem Funktionsumfang. Die "abgelaufenen" Features müssten dann erst wieder teuer nachgebucht werden. – Kosten, die zum Gebrauchtwagenpreis hinzukommen und an denen der Hersteller noch mal verdient. Vorstellbar ist sogar, dass die Funktionen für Gebrauchtwagen dann nur noch für einen kürzeren Abo-Zeitraum (und damit zu höheren Kosten) zur Verfügung gestellt werden. Beispielsweise nur für ein Jahr, statt für drei Jahre, wie bei einem Neukauf.
Ob es wirklich so schlimm kommt, bleibt abzuwarten. Vieles deutet aber darauf hin, dass die Autokonzerne ihre Kunden künftig nach Vorbild von Apps mit In-App-Käufen und Abo-Modellen regelmäßig(er) zur Kasse bitten wollen, und nicht nur einmal beim Kauf des Fahrzeugs. Erschwerend hinzu kommt, dass BMW & Co. anfangen, unübersichtliche Funktionspakete zu schnüren, was die Vergleichbarkeit und Kostenübersicht deutlich erschwert. Kunden werden systematisch zum jeweils nächst-teureren Paket gedrängt. Ein Prinzip, dass zum Beispiel Mobilfunkanbieter schon lange erfolgreich praktizieren.
Mit Blick auf die voranschreitende E-Mobilität wird ein solches Vorgehen vermutlich schnell Schule machen, da Elektrofahrzeuge im Großen und Ganzen weniger komplex und wartungsintensiv sind und dadurch geringere Einnahmen durch Ersatzteile generieren. Wie weit das Spiel mit kostenpflichtigen Funktionen in Autos letztendlich getrieben wird, muss die Zukunft zeigen.