Kürzlich hatte ich mich im Rahmen des
Tests des Sonnet Echo 20 Thunderbolt-4-Docks an die Leser gewandt und um Tipps für ein praktischeres Energiekosten-Messgerät gebeten. Nachdem die Vorschläge überschaubar waren, habe ich mich nach einiger Suche für das Voltcraft SEM6000 entschieden, das
bei Amazon für knapp unter 40 Euro als „Bestseller Nr. 1“ gelistet ist.
KompaktArt | | Energiekosten-Messgerät |
Ein Energiekosten-Messgerät ist nicht nur für Tester wie mich, die mit ständig wechselnden Komponenten zu tun haben, eine nützliche Sache. Für meine Zwecke benutze ich schon seit Jahren ein Energy Master Basic
Energiekosten-Messgerät von ELV. Das wird einfach zwischen Steckdose und Verbraucher gesteckt und zeigt in einem kleinen LC-Display verschiedene Werte mit recht hoher Genauigkeit an. Einziger Nachteil: Das Display ist fest mit dem Gerät verbunden, welches bei Messungen oft hinter Schreibtischen oder Schränken angeschlossen wird, wo es schlecht ablesbar ist. Wenn ich viele unterschiedliche Werte in verschiedenen Betriebszuständen ermitteln möchte, bedeutet das, ich muss ständig auf Tauchstation gehen.
Ein Messgerät, das seine Werte per Bluetooth an ein iPhone oder iPad (oder auch den Mac) übertragen könnte, wäre daher willkommen. Ein „Smart-Device“ muss es nicht sein. Da passt das Voltcraft SEM6000 gut ins Konzept. Zudem soll der angenehm kompakte Zwischenstecker (auch wichtig, wenn keine anderen Dosen verdeckt werden sollen oder sonstige Hindernisse im Weg sind) eine hohe Messgenauigkeit aufweisen, was in der Anzeige der zugehörigen App mit satten drei Stellen hinter dem Komma dargestellt wird. Eine Messgenauigkeit auf 0,1 W würde mir reichen. Aber dazu später mehr.
Weitere Features des Voltcraft SEM6000 sind:- Farbringe grün, gelb, rot zeigen den aktuellen Stromverbrauch grob an
- Farbringe lassen sich mit einem „Nachtmodus“ deaktivieren
- Über eine Taste am Gehäuse oder die App kann die Dose ein/ausgeschaltet werden
- Mittels App kann die Dose per Timer oder Zeitplan geschaltet werden
- Anzeige zusätzlicher Werte wie Netzfrequenz, Spannung, Scheinleistung und weitere
- Energieverbrauch/Kosten über längeren Zeitraum statistisch erfassen
- Überlastschutz
- Programmierbare Überstromanzeige
- Passwortschutz, Firmware-Upgrades
App-Screenshots: Vielleicht sollten die Macher hier mal den Schreibfehler im Namen korrigieren. In der App heißt es durchgehend "Volcraft" (ohne "t").
Das Voltcraft SEM6000 in der PraxisIm Laufe einiger Tage nach dem Erhalt des Gerätes (bei
Amazon gekauft) habe ich verschiedene Komponenten mit dem SEM6000 gemessen. Darunter meinen Fernseher und diverse HiFi-Geräte. Die folgende Testreihe ist also nur eine von mehreren und ist innerhalb meiner Messversuche „repräsentativ“. Tendenziell zeigten sich auch bei den anderen gemessenen Komponenten ähnliche Verhaltensmuster des Voltcraft im Vergleich zu dem (deutlich teureren) ELV.
Der Testaufbau bestand hier aus dem Streaming-Vollverstärker HiFi Rose RS520 (
Testbericht), den ich in drei verschiedenen Betriebszuständen sowohl mit dem ELV als auch dem Voltkraft unter gleichen Bedingungen gemessen habe. Am Gerät war (außer Strom) nur ein Netzwerkkabel angeschlossen, um einen realistischen Wert bei der Messung des entsprechenden Netzwerk-Standby zu erhalten.
Gemessen wurde:- Gerät in Betrieb, Leerlauf (ohne Musik, keine besondere Hintergrundaktivität im System)
- Gerät in Netzwerk-Standby (per App erreichbar, aber sonst „ausgeschaltet“)
- Gerät in Low-Power-Standby (heißt beim Rose „heruntergefahren“)
Obere Reihe mit ELV von links nach rechts: Standby > Netzwerk-Standby > eingeschaltet (Leerlauf). Darunter in der selben Reihenfolge die Messungen mit dem Voltcraft und dessen Anzeige in der App.
Dabei ergaben sich zwei Auffälligkeiten. Erstens: das Voltcraft zeigt immer etwas weniger Watt als das ELV an. Auch wenn sich die Abweichung nur im Bereich um oder unter 1 W bewegt, ist das natürlich unschön. Welche der beiden Anzeigen richtiger ist, kann ich ohne weitere Messegeräte nicht ermitteln.
Zweitens: Die Anzeige des Voltcraft bei einem Leistungsbedarf unter 1 W, wie nach EU-Vorgaben bei Geräten im Standby üblich, ist unzuverlässig. So zeigte das Voltcraft im Falle des RS520 im Standby einige Sekunden Werte um 0,5-0,6 W an (das ELV ermittelte hier um 0,8 W), schaltete dann aber auf 0,000 W. Erst einige Sekunden später wurden wieder kurz um 0,5 W angezeigt und dann wieder Null u.s.w. Das selbe Phänomen trat bei einem anderen Streamer mit 5V-Netzteil auf.
Im Abstand von einigen Sekunden wechselte die Anzeige des Voltcraft zwischen 0,0 und 0,55 W.
An meinem Samsung-Fernseher, der laut ELV im Standby um 0,4 W benötigt, zeigte das Voltcraft permanent 0,0 W an. Es sieht also danach aus, dass die Empfindlichkeit des Voltcraft nicht hoch genug ist, um niedrige Verbrauchswerte unter 1 W zuverlässig und konstant anzuzeigen. Damit ist auch klar, dass die drei Stellen hinter dem Komma höchstens Schauwert haben, aber keine genauen Messungen repräsentieren. Leider ist das Voltcraft damit für mich eigentlich unbrauchbar, weil ich genaue Verbrauchswerte auch im Standby ermitteln muss.
Neben der enttäuschenden Messgenauigkeit bzw. Verlässlichkeit dessen, was da angezeigt wird, ist auch schade, dass der Bereich, in dem die farbigen Ringe „niedrigen, mittleren, hohen“ Verbrauch anzeigen, weder definiert, noch in der App anpassbar ist.
Der Eigenverbrauch des SEM6000 beträgt übrigens (gemessen mit dem ELV) 0,5 W bei deaktivierten Farbringen (Nachtmodus) und 0,7 W mit aktiven Farbringen. Ob der Eigenverbrauch bei Messungen herausgerechnet wird, geht aus den Unterlagen nicht hervor, aber ich gehe mal in dubio pro reo davon aus.
FazitEine eindeutige Empfehlung kann ich für das Voltcraft SEM6000 aufgrund der unbefriedigenden Messwerte insbesondere unter 1 W nicht geben. Als fernsteuerbare Schaltsteckdose mit „grober“ Messfunktion und Zusatzfeatures wie Timer und Zeitsteuerung ist das Produkt zwar in Ordnung, aber für das Geld (oder weniger) gibt es auch Angebote von
Smart-Steckdosen, die ebenfalls Energiekosten messen können, auch über WLAN/Home-Steuerung nutzbar sind und gleich im Dreier- oder Viererpack daher kommen.
Aus diesem Grund muss leider auch ich hier die Reißleine ziehen und das Voltcraft wieder zurück schicken. Bis sich ein adäquater Ersatz für das ELV mit Datenübertragung an Smartphone oder Mac findet, werde ich zur Ablesung lieber weiter unter Tische kriechen.