Maßanzug für die Ohren: beyerdynamic Aventho Wireless On-Ear Kopfhörer mit Einmessung auf das Gehör im Test
beyerdynamic Aventho Wireless – VorstellungZunächst zum Kopfhörer selbst. Der Aventho Wireless ist im Wesentlichen ein ganz normaler Bügelkopfhörer mit ohraufliegenden Hörmuscheln in geschlossener Bauweise. Allerdings ist es der Erste dieser Art von beyerdynamic. Der Hersteller hat sich bislang vornehmlich auf drahtgebundene Kopfhörer für verschiedene professionelle Einsatzarten, sowie für den privaten Gebrauch konzentriert. Dass die Heilbronner, für die Kopfhörer schon seit Jahrzehnten zum Kerngeschäft gehören, erst so spät mit Bügelkopfhörern auf den Bluetooth-Zug aufspringen, hat seinen Grund. Bisherige Bluetooth-Lösungen dieser Art konnten die selbstgesteckten hohen Anforderungen einfach nicht erfüllen.
Vor allem Bluetooth als Übertragungsprotokoll war bisher nicht gerade die beste Lösung, um die klanglichen Möglichkeiten der Kopfhörer voll auszuschöpfen. Das Standard-Übertragungsprotokoll von Bluetooth – SBC genannt – komprimiert den Datenstrom recht stark. Selbst dann, wenn die Daten schon in komprimierter Form, z.B. als MP3, vorliegen. Heute kommen in besseren Bluetooth-Headsets deswegen die Protokolle aptX und AAC zum Einsatz, die höhere Datenraten erlauben. Der Aventho Wireless geht noch einen Schritt weiter und bietet das noch recht junge aptX-HD-Protokoll an, welches nochmals höhere Datenraten und Auflösungen bis 24 Bit/48kHz erlaubt.
Die Grundvoraussetzungen sind damit zwar bestens, aber dazu muss gesagt werden, dass zur Nutzung des bestmöglichen BT-Übertragungsprotokolls sowohl Sender als auch Empfänger dieses beherrschen müssen. Leider gibt es zur Zeit noch sehr wenige aptX-HD-fähige Quellengeräte. Darunter keines von Apple. macOS beherrscht aptX (ohne HD), während iOS nur das alternative aber klanglich etwa gleichwertige AAC unterstützt, welches der Aventho Wireless ebenfalls bietet. Die Übertragung fällt an Zuspielern von Apple also
nicht auf das klanglich wirklich arg beschränkte Basisprotokoll SBC zurück, sondern nur auf aptX (ohne HD) oder AAC. Die neuere aptX HD-Variante kann derzeit weder mit iDevices noch mit Macs genutzt werden. Lediglich einige Android Smartphones und wenige HiFi-Geräte beherrschen momentan aptX HD. Hier eine
Übersicht.
Doch auch mit dem herkömmlichen aptX und mit AAC kann man schon sehr guten Kopfhörerklang genießen. Und für neue Standards gerüstet zu sein, ist schließlich auch nicht das Schlechteste.
Das Design des Aventho ist leicht retromäßig angehaucht und nach Meinung dieses Redakteurs eines der Gelungensten im Bereich On-Ear Mobilkopfhörer. Die schwarzen Wandlergehäuse sind mit Zierringen aus Alu versehen, was gut zu der Bügelmechanik passt. Ohrpolster und Kopfband sind mit weichem, braunem Leder (wahlweise auch in schwarz) verkleidet. Die Länge des Kopfbandes lässt sich mit klaren Raststufen anpassen. Allerdings bin ich kein großer Freund freiliegender Kabel. Beim Aventho sind linke und rechte Hörmuschel mit offenen Drahtbrücken, die durch das Kopfband führen, untereinander verbunden. Das ist allerdings nur meine persönliche Meinung. Eigentlich passt es sogar gut zu dem Retro-Design. Ansonsten fällt noch das relativ hohe Gewicht des Aventho auf. 246 g (laut Briefwaage) sind relativ viel für einen Kopfhörer dieser Bauart, aber nicht zu viel, um den Tragekomfort zu beeinträchtigen. Er fühlt sich dadurch auch hochwertiger als die meisten seiner Konkurrenten an. Das Gewicht resultiert hauptsächlich aus den verwendeten Tesla-Schallwandlern, die aus Metall gefertigt werden.
Im rechten Hörergehäuse befindet sich ein Großteil der Elektronik, sowie die Anschlüsse, eine Power-Taste und außen eine Touch-empfindliche Fläche zur Steuerung. Lobend hervorzuheben: Beim Ladeanschluss handelt es sich um eine USB-C-Buchse, die im Gegensatz zu den sonst üblichen Mini- oder Mikro-USB-Buchsen nicht richtungsgebunden ist und wesentlich weniger Fummelei beim Anstecken des Ladekabels bedeutet. Ebenfalls schön ist die Anwesenheit einer 3,5mm Klinkenbuchse. Darüber kann der Aventho Wireless bei Bedarf, oder wenn der Akku gerade leer ist, passiv und kabelgebunden betrieben werden. Die Klangcharakteristik des Aventho Wireless wird dadurch übrigens nicht verändert, sie ist drahtlos und kabelgebunden exakt gleich.
Nicht ganz so erfreulich ist die Powertaste. Die ist nicht nur winzig und wenig erhaben, sondern auch sehr schwergängig. Zum Ein- und Ausschalten, sowie zur Aktivierung des Pairing-Vorgangs, muss die Taste mehrere Sekunden gedrückt gehalten werden. Mit der weichen Fingerkuppe lässt sich die Taste kaum tief und lange genug gedrückt halten. Stattdessen habe ich sie im Test stets mit dem Daumennagel gedrückt. Insbesondere die Damenwelt mit gepflegten langen Fingernägeln wird das gar nicht erfreuen. Über Sensoren, die erkennen, ob der Kopfhörer gerade getragen wird oder nicht, verfügt der Aventho nicht. Von daher schaltet er sich beim Aufsetzen/Abnehmen auch nicht automatisch auf Play/Pause oder in Standby.
Ansonsten ist die Verarbeitung des Aventho ganz ausgezeichnet, ebenso, wie der Tragekomfort. Bei auf den Ohrmuscheln aufliegenden Hörern (On-Ear) ist die Polsterung ganz besonders wichtig, und die hat beyerdynamic wunderbar soft und ausreichend dick gewählt. Zusätzlich erzielt der Aventho damit eine sehr hohe Außenschalldämmung. Der Wunsch nach einer aktiven Geräuschkompensation kommt gar nicht erst auf.
Bei den Treibern setzt beyerdynamic, wie nicht anders zu erwarten, auf seine hauseigenen Tesla-Treiber, die sich u.a. durch eine sehr hohe Magnetfelddichte auszeichnen. Dies bedeutet im Endeffekt eine besonders exakte Kontrolle des Antriebs über die Membranen und einen hohen Wirkungsgrad. Die Impedanz gibt der Hersteller mit 32 Ohm an, was aber nur im passiven Betrieb mit Kabel von Belang ist. Damit, und dank des hohen Kennschalldrucks von 105 dB SPL (1 mW / 500 Hz), kann der Aventho an praktisch jedem Mobilplayer passiv mit ausreichender Lautstärke genutzt werden.