beyerdynamic Aventho Wireless – Praxis und KlangÜber die praktischen Eigenschaften des Aventho gibt es nicht allzu viele Worte zu verlieren. beyerdynamic ist ein erfahrener Hersteller und weiß, wie man gute Kopfhörer baut. Der Aventho tanzt da nicht aus der Reihe. Die Einschränkung mit der etwas unglücklichen Power-Taste hatte ich ja bereits genannt, aber das ist auch so ziemlich die einzige nennenswerte Sache, welche den praktischen Nutzen etwas beeinträchtigt.
Sehr schön finde ich, dass der Aventho beim Einschalten klare, auf englisch gesprochen Hinweise gibt: "Power on, battery 80 percent, your headset is connected" – "Pairing" – "Power off".
Ansonsten überzeugt der Aventho mit einem – für On-Ears – sehr guten Langzeittragekomfort. Für unterwegs eignet er sich auch wegen seiner hohen Außengeräuschdämmung sehr gut. Zum Transport wird ein sehr schön gemachter Stoffbeutel mitgeliefert, der im unteren Bereich zum Schutz der Treiber etwas verstärkt und gepolstert ist. Einen Faltmechanismus zum Einklappen der Treibergehäuse besitzt der Aventho zwar nicht, aber die Gehäuse lassen sich in eine flache Position drehen. In dem Transportbeutel verstaut passt er so in fast jedes Gepäck. Eine Innentasche im Beutel bietet Platz für das USB-A-auf-C-Ladekabel, Klinkenkabel und Adapter. Die Ohrpolster lassen sich dank eines Clip-Mechanismus leicht abnehmen und austauschen.
KlangDie schon erwähnte Außenschalldämmung ist überdurchschnittlich hoch. Das hat allerdings auch zur Folge, dass man deutlich mehr Körpergeräusche wahrnimmt. Atemgeräusche und sogar der eigene Puls ist unter umständen zu hören. Das fällt besonders während der Einmessprozedur auf, die man in einer absolut ruhigen Umgebung durchführen sollte. Führt man Telefonate über den Aventho, hört sich die eigene Stimme sehr mulmig an, was gewöhnungsbedürftig ist. Das sind aber Nachteile von stark isolierenden, geschlossenen Kopfhörern, mit denen man leben muss. Wo Licht ist, ist auch Schatten.
Eine sehr positive Nachricht: Der Aventho ist der mit Abstand rauschärmste aktive Kopfhörer, den ich bisher gehört habe. (Anm. d. Red.: Inzwischen ist noch ein neuer BT-Kopfhörer zum Test eingetroffen, der ähnlich rauscharm arbeitet. Mehr dazu demnächst.) Fast alle anderen mir bekannten BT-Hörer haben einen deutlichen Rauschgrund, der zwar meist von der Musik überdeckt wird, in sehr ruhigen Passagen aber störend ist. Nicht so der Aventho. Sein Grundrauschen ist so minimal, dass es als vernachlässigbar eingestuft werden kann.
Schon im passiven Betrieb mit Kabel, sowie im Bluetooth-Modus ohne Klangkorrektur bietet der Aventho ein sehr ausgewogenes und gut durchhörbares Klangbild, ohne Effekthascherei. Er klingt damit aber keineswegs blutarm. Im direkten Vergleich mit dem B&W P5 Wireless sind es vor allem die Klangfarben in den Mitten, die dem Aventho einen leichten Vorsprung vor dem
hier getesteten B&W geben. Der Bassbereich ist satt, aber nicht übertrieben aufgeblasen, kann jedoch in Sachen Präzision und Reinheit nicht mit offenen Modellen, wie dem 150 Euro teureren Amiron Home (
Test) mithalten. Für einen geschlossenen, ohraufliegenden Kopfhörer macht der Aventho seine Sache mit Bravour.
Nun aber zu der alles entscheidenden Frage, was die Hörkorrektur bringt. Um es auf das Wesentliche zu reduzieren: Der Effekt ist ähnlich der einer (gut gemachten) Loudness-Korrektur. Diese dient zur gehörrichtigen Lautstärke-Entzerrung, sodass bei unterschiedlichen Lautstärken ein ähnlicher Höreindruck entsteht. Vor allem bei geringeren Lautstärkepegeln führt das zu mehr Volumen und „Kontrast“. Und das ist im in der Essenz auch der Effekt der Mimi Hörkorrektur. Die Macher schreiben auf ihrer Webseite nicht umsonst von der „Brille für die Ohren“.
Im Gegensatz zu den meisten Loudness-Schaltungen – vor allem den früheren Versionen, die in HiFi-Kreisen verpönt waren – wirkt die per App ermittelte und im Aventho gespeicherte Korrektur aber viel gezielter und dadurch ausgewogener. Man kann den Effekt tatsächlich gut mit der Bearbeitung von Fotos beschreiben: Es scheint, als hätte man die Regler für Klarheit, Dynamik und Sättigung aufgedreht. Wie bei der Bildbearbeitung kann man es aber auch übertreiben. Für meinen Geschmack war eine Einstellung auf 20 oder maximal 40% Wirkung das höchste der Gefühle. Höhere Einstellungen empfand ich als zu viel des Guten – zu stark gesättigt, überschärft. Insbesondere dann, wenn man die Lautstärke weiter aufdreht, kommt evtl. der Wunsch auf, die Korrekturwirkung abzusenken. – Was aber nur in der App geht. Nicht am Kopfhörer. Vielleicht sollte die Abhängigkeit der Wirkung zur eingestellten Lautstärke noch etwas optimiert werden.
Alles in Allem ist der Effekt – sofern man beim Hörtest alles richtig gemacht und nicht geschummelt hat – äußerst positiv. Insbesondere dann, wenn man lieber leise oder zumindest mit gezügeltem Pegel Musik hören will. Sehr-laut-Hörer profitieren davon weniger, bzw. werden möglicherweise häufiger den Wunsch verspüren, die Wirkung auch am Kopfhörer justieren zu können.
Die Tracking-Funktion der App ermöglicht einen Einblick in die eigenen Hörgewohnheiten. Der zugrunde liegende Algorithmus ist ziemlich intelligent. Es wird permanent die tatsächlich gespielte Lautstärke (also nicht die eingestellte Lautstärkestufe) überwacht und über die Dauer ein Tagespensum ermittelt. Der Prozentwert wird im Kopfhörer permanent aktualisiert und kann über die App ausgelesen werden. Der Reset erfolgt automatisch nachts für den nächsten Tag. Dank einer eingebauten RTC (Real Time Clock) im Aventho funktioniert dies auch beim Wechsel in unterschiedlichen Zeitzonen. Außerdem kann in der App noch die Empfindlichkeit der Touchbedienung am Aventho justiert werden, um beispielsweise im Winter die Bedienung mit geeigneten Handschuhen zu ermöglichen. Auch diese Einstellung wird im Kopfhörer abgespeichert, funktioniert also auch ohne Verbindung mit der App.