Meinung: Apple Silicon beim Mac – Große Chancen, große Risiken
Auf der Worldwide Developers Conference im Sommer gab Apple offiziell bekannt, zukünftige Macs mit eigenen Prozessoren auszustatten. In den 80ern und Anfang der 90er setzte Apple auf Motorolas 68k-Chips, bis 2005 auf PowerPC und schließlich auf Intel als Chiplieferanten. Zwar war Apple an der Entwicklung der PowerPC-Chips beteiligt, aber auch hier hatte Apple nicht die gesamte Plattform selbst in der Hand. Mit dem heutigen Tag ändert sich dies: Alle relevanten Komponenten für die Mac-Plattform werden von Apple entwickelt.
Stillstand bei Intel, Stillstand beim PC, Stillstand beim MacIn den letzten Jahren machte Intel keine sonderlich großen Fortschritte: Die Performance-Steigerungen bei einem großen Generationen-Wechsel bewegten sich oftmals im einstelligen Prozentbereich. Selbst in einem Segment, in dem Intel früher brillierte, kam es zu immer mehr Problemen: Während Fertiger wie Global Foundries oder TSMC die Strukturbreite von Prozessoren immer weiter senken, musste Intel die Einführung neuer Fertigungstechniken oft aufgrund von technischer Problemen verschieben.
Günstige Rahmenbedingungen für UmstiegDies führte zu einem merkwürdigen Zustand: Da in den letzten fünf Jahren die Geschwindigkeitssteigerungen bei Computern und Laptops sehr moderat ausfielen, ist momentan Performance für Normalanwender (Gamer, professionelle Nutzer ausgenommen) weniger ein Thema – ein zwei Jahre altes Laptop unterscheidet sich von der Geschwindigkeit her kaum von einem aktuellen Modell ähnlicher Preisklasse. Auch bei der Akku-Laufzeit von x86-Laptops machte kein Hersteller in den vergangenen Jahren sprunghafte Fortschritte.
Apple verlässt die "Comfort Zone"Mit Intel hatte Apple einen großen Vorteil: Machte Intel keine Fortschritte, machte auch die PC-Industrie keine Fortschritte. Macs konnten niemals "schlechter" sein als das Angebot im PC-Lager. Sollte sich AMDs Aufholjagd der vergangenen Jahre auf Intel fortsetzten, hätte Apple einfach den Chip-Lieferanten wechseln können – die Software-Anpassungen dürften zu vernachlässigen sein.
Nun aber entkoppelt sich Apple komplett von der PC-Welt: Plötzlich muss Apple zumindest mit x86 Schritt halten, dass der Mac bestehen kann. Gelingt Intel, AMD oder einem anderen Konzern ein maßgeblicher Durchbruch, muss Apple ab sofort selbst liefern.
In den kommenden zwei oder drei Jahren muss sich Apple wohl hier keine Gedanken machen: Schaut man sich die Benchmarks des A14 oder A14X an, könnte Apple am heutigen Abend einen Quantensprung vermelden. In Benchmarks halten die A-Chips locker mit den Top-Modellen von Intel und AMD mit – bei einem Bruchteil des Stromverbrauchs und das in Handys und Tablets.
Eine gigantische ChanceAktuell gehören die MacBooks zu den besten Laptops auf dem Markt – doch von der Performance her kann Apple die Konkurrenz nicht übertreffen. Am heutigen Abend könnte Apple verkünden, dass die kommenden ARM-MacBooks die schnellsten Notebooks auf dem Markt sind. Ferner sind
realistische Akku-Laufzeiten von 10 Stunden und mehr in greifbarer Nähe – für viele Käufer ebenfalls ein entscheidendes Kaufkriterium.
Sollte Apple den Vorsprung der Macs mit Apple Silicon PR-technisch geschickt ausnutzen, ist es möglich, dass Apple deutlich mehr Marktanteile mit den Apple-Silicon-Macs erreicht als mit den aktuellen Modellen.
Kann Apple auch in fünf Jahren den Vorsprung halten?Doch der Umstieg ist auch mit großen Risiken verbunden: Aktuell ist die Situation mehr als günstig, einen solchen Umstieg zu verkünden – Apples eigene Chips machen riesige Fortschritte auf hohem Niveau und bei x86-Prozessoren geht es nur langsam voran. Doch was, wenn das Blatt sich wendet und plötzlich AMD oder Intel einen Durchbruch erzielt?
Sollte Apple nicht Schritt halten können, wäre dies ein großes Risiko für den Mac: Normalanwender haben zwar in der heutigen Zeit auf halbwegs aktueller Hardware kaum noch mit Performance-Problemen zu kämpfen – doch sobald sich herumspricht, dass Apple-Chips langsamer als die Konkurrenz sind, werden weniger Käufer bereit sein, höhere Preise für Macs auf den Tisch zu legen.
Richtiger Zeitpunkt gewähltTrotz aller Risiken und Chancen hat Apple zumindest den Zeitpunkt kaum besser wählen können: Zum einen der schon beschriebene Stillstand in der x86-Welt, zum anderen die Corona-Pandemie – Obwohl Apple die Umstellung auf Apple Silicon bereits im Sommer verkündete, griffen nie mehr Kunden zum Mac als im letzten Quartal: Die Corona-Pandemie treibt Laptop-Käufe durch Heimarbeit an. Sollten die Ankündigungen am heutigen Abend nicht enttäuschen, könnte Apple unter diesen Rahmenbedingungen den Marktanteil des Macs deutlich erhöhen.