Meinung: Apples verkorkster Software-Rollout im Herbst
Apple muss in der jüngeren Vergangenheit im Herbst das Erscheinen von vielen verschiedenen Betriebssystemen und Diensten koordinieren – bei der jetzigen Fülle an verschiedenen Systemen wahrlich keine einfache Aufgabe. Doch schon bei den letzten Releases war Apple gezwungen, kurz vor Erscheinen Features auf Folgeversionen verschieben – in Erinnerung geblieben ist beispielsweise "Messages in the Cloud", welches sogar heute noch mehr schlecht als recht funktioniert und das, obwohl die Funktion erst Monate nach der Ankündigung erschien.
Chaos purDoch in diesem Herbst ist das Chaos perfekt: "Wann gibt es iOS 13 für mein iPad?" lautet eine gängige Frage, welche gar nicht so einfach zu beantworten ist. Die Erklärung wäre: iOS für iPad heißt nun iPadOS und kommt nicht wie iOS 13 am 19. September, sondern am 30. September. Auch heißt es vielleicht nicht iPadOS 13, sondern dann iPadOS 13.1. Zeitgleich erscheint auch iOS 13.1.
Genau so übel ist es bei der Apple Watch: "Wann kommt denn watchOS 6?". Antwort: "Das hängt nun davon ab, welches Uhrenmodell du hast." – "Eine Apple Watch, warum?"…den Rest der Unterhaltung kann man sich denken. Apple scheint sich bei watchOS 6 verzockt zu haben und bekam das Betriebssystem wohl nicht mehr auf Modellen vor der Series 3 zum Laufen – weswegen diese Modelle watchOS 6 erst später erhalten.
Fast noch schwerer zu erklären ist der Start von Apple Arcade: "Wann erscheint denn Apple Arcade?" – "19. September!" – "Super, dann kann ich ja die neuen Spiele auf meinem Mac ausprobieren!" – "Nein, weil du macOS Catalina brauchst" – "Aber Apple sagte doch, dass es auf allen Plattformen läuft?"…auch hier kann man es kaum einem Nutzer begreiflich machen, warum Apple nicht Apple Arcade einige Wochen später startet, wenn man tatsächlich das Versprechen erfüllen kann, dass der Spiele-Dienst auf allen Apple-Plattformen funktioniert.
Die Liste der Merkwürdigkeiten ist in diesem Herbst ist noch länger: Verschobene Mehrbenutzer-Funktionen beim HomePod, keine geteilten iCloud-Ordner in macOS Catalina oder iOS 13, noch kein genauer Termin für die Einführung von macOS Catalina…
Der Grund: iPhone als TaktgeberApple muss jedes Jahr im Herbst ein neues iPhone-Modell auf den Markt bringen – samt neuen Hardware- und Software-Features. Ohne ein neues Modell würde der Aktienkurs ins Bodenlose abrutschen, wenn Apple die Umsätze des Herbst- und Weihnachtsquartals bekannt gäbe. Selbst zwei Wochen Verzögerung würde für ein Einbrechen des Kurses sorgen – fehlen Einnahmen von zwei Wochen, sähe dies nicht gerade gut im Quartalsbericht aus.
Dies bedeutet, dass aber zumindest iOS zum Release-Stichtag erscheinen muss – und wer schon einmal Software-Projekte durchgeführt oder gar geleitet hat, weiß, dass punktgenaue Entwicklung kaum möglich ist. Zu viel kann schiefgehen, selbst kleine Probleme werden oftmals zu unvorhersehbaren Zeitgräbern. Schon vor längerer Zeit hat sich Apple dazu entschlossen, die Plattformen wieder dichter zusammenzurücken und auch die Releases zu synchronisieren. Einerseits gut, da die Betriebssysteme sich in weiten Teilen ähneln oder gleichen – andererseits müssen mindestens ein halbes Dutzend Softwarepakete gleichzeitig fertig werden.
Einzige Lösung: Den Takt variabel gestaltenBislang liefen die Releases meist glimpflich mit entweder keinen oder nur kleineren Patzern und verschobenen Funktionen ab – doch es wird bei diesen Punktlandungen nur eine Frage der Zeit sein, bis Apple eine echte Katastrophe passiert.
Ob es Apple den Aktionären verkaufen kann, dass man fortan nicht mehr auf einen Stichtag hin entwickelt, sondern die Produkte dann vorstellt, wenn diese fertig und ausgereift sind und genug Innovationen mitbringen? Dies ist schwer vorauszusagen – Cook würde mit einer derartigen Aussage auf jeden Fall für einigen Wirbel sorgen. Aber Apple ist eine der wenigen Unternehmen, welches es sich tatsächlich leisten könnte, Produkte erst dann vorzustellen, wenn man echte Innovationen liefern kann statt kleine Produktevolution als Novum anzupreisen und kurz vor Release versprochene Features vertagen muss.