Meinung: Der Jahrestakt bei Betriebssystemen muss weg
Seit Erscheinen der ersten iOS-Version im Jahr 2007 gibt Apple im jährlichen Takt neue Versionen heraus: "iPhone OS 2" (so der damalige Name) erschien ein Jahr später, Version 3 schließlich 2009. Der Takt von iOS ist vom Release-Zyklus der iPhone-Modelle abhängig: Jeden Herbst präsentiert Apple eine neue iPhone-Generation, um im sehr wichtigen Weihnachtsgeschäft mit neuen Modellen glänzen zu können. Dies ist sehr wichtig für den Konzern, da sehr viele Apple-Smartphones unter dem Weihnachtsbaum landen. Würde Apple hier mit den Vorjahresmodellen antreten, würde dies das Unternehmen viele Milliarden an Umsatz kosten.
Mit OS X Mountain Lion glich Apple den Release-Zyklus von iOS und macOS auf jährliche neue Versionen an. Fortan erschien auch jedes Jahr eine neue Version des Mac-Betriebssystems. Aus technischer Sicht ist dies auch sinnvoll: macOS und iOS teilen sich eine gemeinsame Software-Basis und haben viele Berührungspunkte, zum Beispiel iCloud. iOS und iPadOS sind noch verzahnter als iOS und macOS, daher ist auch hier ein gemeinsamer Release-Zyklus sinnvoll.
Verzögerte FeaturesSeit einigen Jahren ist es fast schon absehbar, dass Apple mit einigen Features, welche der Konzern stets im Sommer auf der Worldwide Developers Conference ankündigt, bis zum Erscheinen der neuen Betriebssystemversion im Herbst nicht fertig wird. So geschehen mit "Universal Control" in diesem Jahr: Mit dieser Funktion sollten sich Macs und iPads, welche nebeneinander auf dem Schreibtisch stehen, mit einer Tastatur und Maus bedienen lassen. Doch Apple strich die Funktion aus macOS 12.0 Monterey und iOS 15.0 und schreibt nun auf der Webseite "Später in diesem Herbst verfügbar". Es ist wahrscheinlich, dass Apple "Universal Control" mit macOS 12.2 und iOS 15.2 nachliefert – oder auch erst später, wenn weitere Hürden auftreten.
Kaum neue FunktionenSchaut man sich das Stimmungsbild in Foren und auf Social Media bezüglich iOS 15 und macOS Monterey an, sind dort keine Begeisterungsstürme auszumachen. Zwar traten keine schwerwiegenden Probleme auf, doch neue Features, mit welchen Apple bei einem Großteil der Nutzerschaft punkten kann, finden sich ebenfalls nicht. Manche Nutzer sind gar der Auffassung, dass die Neuerungen eigentlich keinen so deutlichen Versionssprung rechtfertigen.
Termingesteuerte Software-Entwicklung ist schwerDer Grund hinter den verschobenen neuen Funktionen und der Abwesenheit von "Killer-Features" ist höchstwahrscheinlich in der Entwicklung zu suchen: Termingesteuerte Software-Entwicklung ist sehr schwer, wenn nicht gar unmöglich. Für Software-Entwickler ist es schwierig vorauszusehen, wie lange die Entwicklung einer bestimmten Funktion dauert. Denn: Stets treten während der Entwicklung Stolpersteine auf – und wie lange die Programmierer benötigen, um diese zu umschiffen, steht meist vollständig in den Sternen. Manchmal benötigen Entwickler nur Minuten, um ein Problem zu identifizieren – manchmal aber auch Wochen.
Soll die Fertigstellung zu einem bestimmten Termin erfolgen, hat man nur wenige Möglichkeiten: Termin reißen, Features streichen/verzögern oder Qualitätstests gegen Ende der Entwicklung einsparen. Bislang optierte Apple zu "Features verzögern" – doch hinterlässt dies stets ein Geschmäckle.
Idee: iOS und iPhone-Modelle entkoppelnDer Jahrestakt bei den Betriebssystemen wird in allererster Linie vom iPhone vorgegeben. Wie bereits oben erwähnt muss Apple im Jahrestakt neue iPhone-Modelle vorstellen – daran ist wohl aus Konzern-Sicht nicht zu rütteln. Nur: Schaut man sich die neuen Features des iPhone 13 an, hätte Apple hier auch einen anderen Weg gehen können. Keiner der neuen Funktionen ist so tief in iOS verankert, dass man diese nicht auch in iOS 14 hätte umsetzen können. So hätte Apple ein "echtes" iOS 15 und macOS Monterey im kommenden Jahr auf den Markt bringen können – samt Funktionen, die vielleicht die Masse der Leute begeistern.