HomePod: Clever und Smart?Thema HaussteuerungSein wir doch mal ehrlich. Man braucht keine KI (Künstliche Intelligenz), um das Licht an und aus zu knipsen, oder die Rollläden rauf und runter zu fahren. Nahezu alle Dinge im Haus lassen sich praktisch genauso gut (wenn nicht sogar besser) mit einfachen Schaltern oder herkömmlichen Fernbedienungen erledigen, als mit gesprochenen Befehlen. Eine Vernetzung aller Komponenten birgt zudem viele Nachteile. So muss alles eine eigene Stromversorgung haben und mit dem Router verbunden werden. Dadurch wird alles angreifbar. Selbst ein Heizungsthermostat kann zu einem Datensicherheitsrisiko werden. Und das alles nur, damit wir Siri oder Alexa faul aus dem Sessel oder von Unterwegs fragen können, welche Temperatur im Schlafzimmer eingestellt ist?
Ok, lassen wir den tatsächlichen Nutzen solcher Dinge mal dahingestellt und fragen uns stattdessen, was Siri und Konsorten uns sonst noch zu bieten haben. Nicht viel, wie sich bei genauerer Betrachtung herausstellt. Sprachassistenten sind nicht smart und von echter künstlicher Intelligenz so weit entfernt, wie die Raumfahrt von Reisen mit Überlichtgeschwindigkeit. Siri & Friends sind nicht sehr viel mehr, als eine andere Art, die altbekannten Internet-Suchmaschinen zu befragen. Deren Suchergebnisse entscheiden letztlich über die gesprochene Antwort – und die ist nicht selten völliger Blödsinn. Auch mit der oft als "Intelligenzbeweis" angeführten Lernfähigkeit heutiger KI-Systeme ist es meist nicht weit her. Nur ein Beispiel. Versuchen Sie mal, Siri beizubringen bzw. sich einfach zu merken, welches Ihr Lieblingsessen ist. Selbst an derart simplen Aufgaben scheitert der Algorithmus.
Ein anderes Beispiel für völlig überschätzte Technik ist das autonome Fahren. Dem Verbraucher wird nicht selten unverhohlen versprochen, dass er in ein paar Jahren einfach nur noch seinem Auto sagen muss, wo es hingehen soll und dann könne er sich zurück lehnen und sich wichtigeren Dingen widmen – wie Selfies machen und WhatsAppen. Von den rechtlichen Hürden mal ganz abgesehen wird das nicht so schnell geschehen. Zumindest nicht für komplexere Verkehrssituationen. Denn auch in den "selbstfahrenden" Autos steckt keine echte Intelligenz. Nach derzeitigem Stand gibt es keine Technologie, die
intuitiv auf nicht vorprogrammierte Szenarien reagieren kann. Zumindest besteht bei Sprachassistenten kein so hohes Risiko von schrecklichen Unfällen und man muss sich auch nicht ernsthaft den Kopf über Haftungsfragen zerbrechen, wenn der
Papagei mal wieder unerlaubt etwas bei Amazon bestellt hat. Das autonome Fahren ist aber ein gutes Beispiel dafür, dass KI noch nicht existiert, aber fleißig als Marketing-Begriff missbraucht wird, mit dem sich die Verbraucher wunderbar einlullen lassen.
Nun gut. Auch wenn ich nicht daran glaube, in absehbarer Zeit einen Durchbruch bei der Forschung zu
echter künstlicher Intelligenz zu erleben (was vielleicht sogar ein Segen ist!), wird die derzeitige „Websuche mit Sprachinterface und Fernbedienungsfunktion“ bestimmt in den nächsten Jahren noch deutlich verbessert werden, ebenso wie das autonome Fahren zweifellos Fortschritte machen wird. Die Frage ist nur, ob das immer mehr auf Kosten unserer Privatsphäre gehen wird, denn nach derzeitigem Stand werden die Ergebnisse nur besser, je mehr persönliche Daten man online auf Servern irgendwo in der Welt von spezialisierten Computern bzw. Algorithmen auswerten lässt. Dass es auch offline mit rein lokalen System einigermaßen gut funktionieren kann, zeigt ausgerechnet ein Autobauer.
In der neuen Mercedes A-Klasse, die in Kürze auf den Markt kommt, wird ein System namens
MBUX (Mercedes-Benz User eXperience) eingeführt, das u.a. natürliche
Spracheingaben mit hoher Erkennungsgenauigkeit auch dann ermöglicht, wenn keine Online-Verbindung besteht. Dafür ist derzeit noch recht leistungsstarke Hardware erforderlich, die jedoch neuere iPads und iPhones schon in ausreichendem Maße bieten sollten. Auf eine Offline-Siri können wir deswegen aber nicht so bald hoffen.
Zurück zum HomePodApples „Smart Speaker“ verfehlt sein Ziel. Als Tischlautsprecher ist er zwar ganz ok, vielen potenziellen Kunden, die eigentlich nur einen Apple-Sprachassi wollen, aber zu teuer. Dazu kommt die in diesem Fall extrem kontraproduktive Abschottung gegen andere Streamingdienste, sowie das vollständige Fehlen anderer Eingänge und Features wie Bluetooth. Last but not least ist Siri letztlich ein unausgereiftes Spielzeug, das den heimlichen Wunsch der Kunden nach einem echten Enterprise-Bordcomputer nicht erfüllen kann (was aber auch für Alexa und andere gilt). Dass der Speaker ständig online sein muss, ist daheim dank meistens vorhandener Flatrate und genügend Bandbreite zwar kein finanzieller Nachteil, aus Privatsphäre-Gründen aber selbst bei Apple, denen ich eine Million mal mehr vertraue als Google, Amazon & Co., kein wirklich wünschenswerter Zustand.
Und das ist vermutlich auch der Grund dafür, warum Apple die Produktion des HomePod schon jetzt, bevor er überhaupt in Deutschland und vielen anderen nicht-englischsprachigen Ländern erhältlich ist, stark drosseln muss und warum er vermutlich – zumindest in dieser Form – keine langfristige Perspektive hat. Es spricht sich schnell rum, wenn ein Produkt die Erwartungen nicht erfüllt. Ist erst mal die kurze Freude über die Neuanschaffung verflogen, folgt eine Phase der Selbstrechtfertigung, warum die Kaufentscheidung richtig war, doch am Ende gewinnt meist die nüchterne Erkenntnis. Und die ist beim HomePod vermutlich oft, dass es sich um kein besonders revolutionäres und nützliches Produkt handelt, wie einst der iPod und später das iPhone.
In good old Germany, wo Schnäppchenzwang zum Kulturgut zu gehören scheint, wird es der vergleichsweise teure HomePod erst recht schwer haben. Ohne deutliche Verbesserungen sowohl in der Funktionalität als auch in der Wahlfreiheit der Musikquellen läuft der HomePod Gefahr, den Weg des
iPod Hi-Fi zu gehen und recht schnell wieder von der Bildfläche zu verschwinden. Die funktionalen Einschränkungen von Siri aufgrund der bei Apple besseren Privatsphäre-Bedingungen aber schlechteren Offenheit (z.B. keine Skills) machen die Aussichten nicht rosiger.