Während des letzte Woche Dienstag abgehaltenen Video-Events unter dem Titel „Hi, Speed“ gab es neben den Produktvorstellungen zum
iPhone 12 / Pro und
HomePod mini auch eine etwas umstrittene Ankündigung. So werden iPhones künftig nur noch ohne die zuvor mitgelieferten Lightning-Ohrhörer und das zum Aufladen gedachte Steckernetztel ausgeliefert. Was nicht gesagt, im Nachhinein aber bekannt wurde: Auch die noch im Verkauf befindlichen Vorgängermodelle des iPhone 12 (SE, 11 und XR) kommen künftig ohne diese beiden Zubehörteile zum Kunden.
Die in der Video-Präsentation für diesen Part zuständige Apple-Mitarbeiterin Lisa Jackson (VP, Environment, Policy and Social Initiatives) stand dazu auf dem vollständig mit Solarpanelen verkleideten Dach des gigantischen Apple Headquarter-Gebäudes. Das machte unmissverständlich klar: jetzt geht es um die Umwelt.
Die von Apple vorgebrachten Argumente sind kaum von der Hand zu weisen. So befinden sich bereits rund 700 Mio. Lightning-Ohrhörer im Besitz von iPhone-Kunden. – Theoretisch zumindest. Defekte und längst verschrottete Ohrhörer sicher nicht mitgerechnet. Viele wünschen sich jedenfalls eine modernere (und teurere) Drahtloslösung, wie die AirPods, weshalb die mitgelieferten Ohrhörer von vornherein oft unbenutzt in der Verpackung verbleiben. Auch gibt es viele iPhone-User, die gar keine Ohrhörer mit dem iPhone nutzen. Auch in dem Fall verbleiben die mitgelieferten Ohrstöpsel ungenutzt – wurden aber produziert, geliefert und mit bezahlt.
Bei den Ladegeräten sehen die Zahlen noch deutlicher aus. Mehr als 2 Mrd. Stück der kleinen Stecker-Ladegeräte von Apple sollen sich im Umlauf befinden. Durch den Wegfall der beiden Accessoires können die Verpackungen der iPhones entsprechend kleiner ausfallen. Und das bedeutet weniger Gewicht, bis zu 70% mehr Einheiten pro Palette und natürlich verringerte Produktion von entsprechenden Ohrhörern und Ladegeräten. Zusammen soll das über 2 Mio. Tonnen CO2 jährlich einsparen, was nach Apples Rechnung dem jährlichen CO2-Ausstoß von 450.000 Autos entspreche.
Es gibt aber auch kritische Stimmen. Deren Argumentation bezieht sich seltener auf den Wegfall der Ohrhörer statt viel mehr auf das Ladegerät. So würden iPhone-Nutzer in der Regel bei einem Neukauf ihr altes Gerät zusammen mit dem Zubehör verkaufen oder in der Familie weitergeben, womit sie kein Ladegerät mehr hätten.
In der Mehrheit dürfte so gehandelt werden. Solange das alte iPhone noch funktioniert (was bei mir bisher immer der Fall war), gebe auch ich es mitsamt dem vollständigen mitgelieferten Zubehör und der Originalverpackung weiter. Aber bedeutet das, ich habe dann gar kein Ladegerät mehr? Nun, zumindest auf mich trifft das nicht zu. Und ich bin mir sicher, auf viele andere auch nicht.
Fakt ist, dass wir alle heutzutage nicht nur iPhones über USB aufladen. Ich kenne in meinem persönlichen Umfeld niemanden, der nicht mindestens ein weiteres USB-Ladegerät im Haushalt hat. Viele besitzen sogar einen oder mehrere USB-Multicharger, zusätzliche mobile Ladegeräte und Powerbanks, mit denen auch andere Geräte wie iPads, drahtlose Ohrhörer, Mini-Speaker, Mäuse, Tastaturen, Kameras und weitere Akku-gespeiste Devices nachgetankt werden können. Dabei werden viele (aber längst nicht alle) dieser Fremdgeräte bislang auch mit eigenen Ladeadaptern ausgeliefert, sodass es Haushalte ganz ohne USB-Ladegerät heute kaum noch geben dürfte. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Ein weiteres Gegenargument lautet, dass Apple die neuen iPhones mit einem USB-C-auf-Lightning Ladekabel ausliefert. USB-C hat aber noch keine so große Verbreitung in den Haushalten, sodass am Ende vielleicht doch in vielen Haushalten ein
passendes Ladegerät fehlt. In dem Fall müsse mindestens ein
Adapter C-auf-A oder ein zusätzliches
Kabel USB-A auf Lightning erworben werden.
Gut möglich! Aber kein Weltuntergang. Über Kurz oder Lang werden ohnehin immer mehr ältere Lader mit USB-A-Anschluss gegen solche mit mindestens einem USB-C-Port für die modernere und leistungsstärkere Power-Delivery-Technologie angeschafft werden. Und zwar Sukzessive und unabhängig von Apples Zubehörstrategie.
Kabel mit USB-A auf Lightning kosten nicht die Welt.
In diesem Beispiel rund 7 Euro. Was uns direkt zum nächsthäufig genannten Kritikpunkt führt, es handele sich bei der Aktion in Wahrheit nur um eine verdeckte Preissteigerung. Die Endkundenpreise für die neuen iPhones sind zwar laut Preisauszeichnung in den Stores nicht gestiegen, doch der Wert der weggelassenen Zubehöre, die nach wie vor einzeln im Apple Store gekauft werden, liegt bei 18,50 Euro für die
EarPods mit Lightning Connector plus 24,35 für einen
20W USB‑C Power Adapter. (Die kleinere
5-W-Variante kostet gleich viel.) Macht zusammen eine Preissteigerung von 42,85 Euro (bei aktuell 16% MwSt).
Im Zuge ständig steigender Kosten, sowie aufgrund aufwendigerer und teurerer Technik (z. B. bei den Kameras und den zusätzlichen Magneten für MagSafe), ist eine Preissteigerung für die neuen iPhones im Rahmen von knapp 50 Euro aus meiner Sicht absolut nicht überraschend. Natürlich bleibt die Kritik, dass Apple diese quasi „verdeckt“ und nicht mit einem Wort die Minderkosten der wegfallenden Zubehöre und seine damit verbundenen Einsparungen erwähnt. An diesem Vorwurf gibt es nichts zu rütteln, auch wenn für jeden realistisch denkenden Menschen nachvollziehbar sein sollte, dass kein Verkäufer auf der Welt einen negativen Aspekt seiner Ware in den Vordergrund stellen würde. Zudem ist das Vorgehen nicht mit den wirklich dreisten Methoden in der Lebensmittelindustrie vergleichbar, die uns gerne mal stillschweigend die selbe Verpackung mit weniger Inhalt zum gleichen Preis andreht. Apple verschweigt nicht, dass sie etwas weglassen.
AUKEY USB C Ladegerät 60W.
Aktuell 27,19 bei Amazon. Auch die berechtigte Kritik ändert aber nichts daran, dass der Wegfall der beiden Zubehöre sowohl aus ökologischer, als auch aus ökonomischer Sicht eine gute Entscheidung war. Kein Mensch, der sich ein ca. 500 bis weit über 1.000 Euro teures iPhone (und ggf. einen 5G-Vertrag dazu) leisten kann, wird daran finanziell zugrunde gehen, sollte die Anschaffung eines zusätzlichen Adapters, Kabels oder gar Ladegerätes nötig sein. Zumal der Kunde hierbei auch noch die freie Markenwahl hat. Es wird niemand gezwungen, ein vergleichsweise teures Original Apple Ladegerät zu kaufen. Bei
Amazon finden sich zahlreiche Angebote vielseitigerer, leistungsstärkerer und gleichteurer oder gar günstigerer Alternativen.
Wenn ich in die im Keller verwahrte Verpackung meines im letzten Jahr erworbenen iPhone 11 Pro schaue, sehe ich folgendes:
FazitJa, der Wegfall der Ohrhörer und des Laders spielt auch Apple in die Karten. Der Hersteller spart an vielen Stellen und erhöht damit seine Gewinnspanne. Aber ist das verwerflich? Solange damit eindeutig auch Gutes für die Umwelt getan wird und der Verbraucher keine Ware mit bezahlen muss, die er gar nicht benötigt oder will, halte ich diese Entscheidung Apples für überwiegend positiv und damit richtig.
Wie sieht es bei Ihnen aus? Wären Sie beim Neukauf eines iPhone zwingend auf den zusätzlichen Kauf eines passenden USB-C-Laders angewiesen? Oder haben Sie bereits einen kompatiblen Charger? Oder reicht die Anschaffung eines passenden Kabels oder Adapters?