Ja, der Titel ist bewusst reißerisch gewählt, soll aber weniger Provokation sein, sondern viel mehr einen satirischen Unterton transportieren. Warum? Weil die WWDC aus Sicht des Anwenders (zu denen ich mich zähle) erstens wenig Aufregendes bot und zweitens in der Ausführung inzwischen echten Klischee-Charakter hat.
Das muss ich wohl etwas ausführlicher erklären. Kommen wir zunächst zum inhaltlichen Teil.
macOS Mojave – aber keine neue HardwareIm Vorfeld der Veranstaltung gab es zahlreiche Gerüchte um mögliche Hardware-Vorstellungen. Nicht ganz unbegründet wohl, denn Apple hat die letzten Entwicklerkonferenzen durchaus auch zur Präsentation von Hardware-Neuheiten genutzt. In diesem Jahr konzentrierte man sich hingegen wieder vollständig auf kommende Software und reine Entwickler-Themen. Das ist bei der Fülle an bevorstehenden Updates nur verständlich. Die Zeit hätte kaum gereicht, um auch noch wichtige Hardware-Themen wie neue MacBooks zu besprechen, ohne diese im Schnelldurchgang abhandeln zu müssen. Daher können wir wohl mit einer umfangreichen gesonderten Keynote später in diesem Jahr rechnen.
Für Anwender, die sehnsüchtig auf neue und längst überfällige Hardware warten, ist die diesjährige WWDC daher leider eine Nullnummer. Bitte nicht falsch verstehen: Die angekündigten Neuerungen, vor allem im Bereich macOS, sind natürlich nicht unbedeutend oder gar irrelevant. Im Gegenteil. Ich freue mich sehr, dass Apple endlich ein paar Dinge in Angriff nimmt, die meiner Meinung nach viel zu lange stiefmütterlich behandelt wurden. Wie beispielsweise die Optimierungen am Finder. Vielleicht – wirklich nur
vielleicht – kommt der Finder damit endlich auf ein Niveau, das den langjährigen Einsatz von Path Finder für mich obsolet macht. Das bleibt abzuwarten. Aber auch sonst ist „Mojave“ sehr vielversprechend. Über die Einzelheiten haben wir ja
ausführlich berichtet.
Ebenfalls höchst willkommen sind die verbesserten Screenshot-Funktionen, Optimierungen an Quick Look, Hand-Off und weitere auf der Keynote angesprochene Features rund um das User-Interface. Inklusive dem Dark Mode natürlich, der mir sehr gut gefällt. Ich erinnere mich noch, vor etlichen Jahren gelegentlich das Erscheinungsbild mit "Themes" von Drittanbietern verändert zu haben. Doch das war nie richtig konsistent und durch den erforderlichen Administrationsaufwand eine ständige Ablenkung. Ein "nativer" Dark Mode ist mir da wesentlich lieber.
iOS, watchOS, tvOSRund um iOS 12 sind es höchstens die versprochenen Performance-Uptades, die mir persönlich echten Nutzen bringen könnten und mein iPhone 6 vielleicht noch eine Weile am Leben erhalten. Der Rest fällt unter Produktpflege mit einigen vielleicht mal nützlichen Goodies (wie „Measures“ – wenn ich dafür ein kompatibles iPhone habe) und ansonsten viel verspieltem Schnick-Schnack (Memojies).
tvOS 12 ist für mich nicht relevant, da ich kein Apple TV nutze, bringt aber ein paar sehr begrüßenswerte Verbesserungen wie Dolby Atmos mit. Das wird die Heimkino-Freunde mit entsprechendem Surround-Setup sehr freuen. Eine Apple Watch gehört hingegen zu meinem Equipment, doch leider fällt meine „Serie 0“ bei watchOS 5 durchs Raster. Dabei machte Cook auf der Keynote noch stolz darauf aufmerksam, dass iOS 12 selbst auf Hardware von 2013 noch laufen wird. Nach nur rund dreieinhalb Jahren wird die erste Apple-Uhr hingegen nicht mehr von neueren OS-Versionen unterstützt. (Siehe auch
) Das ist bedauerlich. Andererseits lag es ohnehin in meiner Absicht, auf die nächste verfügbare Generation umzusteigen und mir war von Anfang an klar, dass die Apple Watch nicht den Langzeitwert einer hochwertigen mechanischen Uhr haben wird. Es sei denn, die Serie 0 wird irgendwann mal ein Sammlerstück als Apple-Klassiker.
Leben im Takt von iOSVor allem bei iOS und watchOS setzt Apple offenbar alles daran, das Leben der Anwender bis zur letzten Sekunde des Tages mit seinen Produkten durchzutakten. Die meisten Funktionen sind darauf ausgerichtet, dass der Nutzer sein Dasein möglichst ununterbrochen mit iDevices zubringt. Das kuriose dabei: Angeblich soll iOS 12 genau das bekämpfen und
unsinnig verbrachte Zeit minimieren. Die dafür eingeführten neuen Möglichkeiten, wie Nachrichten in iOS künftig übersichtlicher zu halten (gruppierte Darstellung im Startbildschirm) und bei Bedarf auch ausblenden zu können (verbesserte „Nicht stören“-Funktion) stehen anderen Features, die ständig um unsere Aufmerksamkeit buhlen, diametral entgegen. Funktionen zur Überwachung wie „Screen Time“, die angeblich ein bewussteres Nutzungsverhalten fördern sollen, sind letztendlich auch nur Dinge, die uns öfter auf das Display glotzen lassen und weitere Aspekte unseres Lebens unter „App-Überwachung“ stellen. Das kann’s irgendwie nicht sein. Muss man wirklich jede Bewegung von seiner Apple Watch überwachen und bewerten lassen oder sich von selbiger andauernd zu irgendwelchen Betätigungen auffordern lassen? Die watchOS-5-Demo auf der Keynote könnte diesen Eindruck entstehen lassen. Zumindest wird es mit iOS 12 eindeutig mehr Möglichkeiten geben, das Smartphone-Nutzungsverhalten von Kindern besser rationieren zu können und diese effektiver vor unpassenden Inhalten zu schützen.
Unter dem Strich hinterlässt die WWDC bei mir einen sehr gemischten Eindruck. Nette Verbesserungen sind auf dem Weg, doch die bereiten mir bis zur Veröffentlichung im Herbst keine schlaflosen Nächte. Wirklich revolutionäres war nicht dabei. Vieles könnte man auch unter dem Motto „Das war längst überfällig“ verbuchen.
Meine MTN/Synium-Entwicklerkollegen waren demgegenüber von der Veranstaltung sehr angetan. Vor allem die Tatsache, dass sich Apple wieder verstärkt um die Weiterentwicklung der Mac-Plattform kümmert – wenn auch momentan nur software-technisch – kam sehr positiv an.
Charme einer Kaffeefahrt mit VerkaufsveranstaltungIn Anbetracht der Tatsache, dass vieles für mich als Anwender nicht oder nur bedingt interessant war, fiel mir diesmal besonders auf, welch formelhaftes Puppentheater Apples Keynote inzwischen ist. Wirklich jeder einzelne Redner hat offensichtlich vorab das selbe Verkaufs- und Präsentations-Intensivtraining durchlaufen, sodass alle mit den selben Handbewegungen, dem gemächlichen hin und her Schreiten auf der Bühne und ähnlicher, einstudierter Ausdrucksweise agierten. Das wirkt so roboterhaft, dass man dafür eigentlich auch eine App schreiben könnte. Vorschlag: Die Bühnenaktivität der Keynote könnte per Augmented Reality auf die iDevices der WWDC-Besucher eingespielt werden, wobei Cook und andere Präsentatoren von deren Memojies vertreten werden. Siri übernimmt die Moderation aus dem Off und beantwortet nach der Keynote Fragen.
Im Ernst. Geht das irgendwie auch mal wieder ein bisschen abwechslungsreicher und mitreißender? Abseits von „Schema F“? Mehr Leidenschaft, weniger Vertreter-Pathos? – Danke!