Nach Zertifikats-Desaster: Apple macht Rückzieher bei versprochener Systemeinstellung
Als Apple am 12.11.2020 das Upgrade auf macOS 11 (Big Sur) zum Download freigab, brach nach kürzester Zeit
Chaos im Apple-Software-Universum aus. Zunächst scheiterte lediglich ein Download des Big-Sur-Installers. Doch weitete sich das Problem schnell aus: Titel aus dem iOS und Mac App Store ließen sich nicht herunterladen, iMessage zeigte sich unzuverlässig. Auch ohne Big Sur wurden Macs-Apps in Mitleidenschaft gezogen, ihr Start dauerte 10 bis 60 Sekunden. Schon bald offenbarte sich eine Störung der integrierten Zertifikatsüberprüfung (OCSP). Trotzdem dauerte es einen halben Tag, bis alle Dienste und Apps ihre Arbeit ohne merkliche Verzögerung verrichteten. Im Nachgang wollte Apple den Zertifikatsprozess überarbeiten. Nun stellt sich heraus: Apple löschte anscheinend lieber Spuren des damaligen Versprechens, als allen angekündigten Verbesserungen nachzukommen.
Infolge des mehrstündigen Ausfalls äußerten einige Mac-Entwickler Kritik an Apples Zertifikatsüberprüfung. Neben weitreichender Auswirkungen einer einzelnen Komponente habe die Online-Zertifizierung in macOS wie iOS einige Schwachstellen, was die Privatsphäre anginge. So laufe der Überprüfungsprozess unverschlüsselt ab; außerdem konnten Mac-Anwender den Zertifizierungsvorgang nicht temporär deaktivieren. Einzige Abhilfe stellte ein Trennen der Internetverbindung dar. Apple versprach, binnen Jahresfrist strukturelle Probleme zu beseitigen, namentlich:
- Ein neues verschlüsseltes Protokoll für die Überprüfung der Entwickler-ID
- Stabiler Schutz vor Server-Versagen
- Eine neue Voreinstellung für Anwender, sich von diesen Sicherheitsüberprüfungen abzumelden.
Keine Spur seit September 2023Der Entwickler Jeff Johnson hat indessen entdeckt, dass Apple dieses Versprechen klammheimlich von seinen Support-Seiten
entfernt hat. Zur Veröffentlichung von macOS 14 (Sonoma) bearbeitete Apple das entsprechende Hilfe-Dokument. In der Wayback Machine des Internet Archive konnte er dies
nachvollziehen. Sein Vorwurf: Apple wolle offenbar Spuren der dritten Ankündigung verwischen, die bis heute nicht umgesetzt wurde.
Mindestens ein Versprechen eingehaltenDer erste Punkt scheint in den folgenden Updates umgesetzt worden zu sein, gesteht Johnson ein: Apple verschlüssele den Datenaustausch zwischen Mac und OCSP-Server mittlerweile. Ob ein zuverlässiger Schutz vor einem erneuten Versagen des Servers bestünde, ließe sich von außen nicht beurteilen. Dass Apple aber in Monterey, Ventura, Sonoma und dem bald erscheinenden Sequoia keine Option zum Deaktivieren der Zertifikatsüberprüfung integriert habe, sei offensichtlich, so Johnson. Um einen Datenaustausch mit Apples Zertifikatsservern beim Start einer App zu verhindern, müsse man Apps wie Little Snitch verwenden, so der Indie-Entwickler.