Nach unzähligen Gerüchten wurde es vor rund einem Monat endgültig zur Gewissheit: Nikon sollte tatsächlich den Schritt wagen und seinem Kerngeschäft, digitalen Spiegelrelexkameras (DSLR) und dazugehörigen Objektiven, mit einem neuen spiegellosen Kamerasystem eigene Konkurrenz machen. Der aus technischer Sicht längst überfällige Schritt ist für Nikon – und seinen Erzrivalen Canon – nicht ohne Risiko, wurde doch nach wie vor gutes Geld mit den bewährten Klappspiegelkameras verdient. Doch die immer stärker werdende Konkurrenz von Mirrorless-Kameras, insbesondere aus dem Lager von Sony, ließ eigentlich keinen Zweifel daran, dass auch die beiden Marktführer früher oder später diesen Weg gehen müssten.
Mit einer Teaser-Kampagne startete Nikon den Hype um ein neues Kamerasystem dieser Art.
Rewind berichtete. Am Donnerstag dieser Woche war der Countdown zur offiziellen Vorstellung abgelaufen und die letzten Geheimnisse um Nikons Mirrorless-Vollformatsystem wurden gelüftet.
Wie von gewöhnlich gut informierten Quellen zuvor schon berichtet, startet Nikon seinen Einstieg in den "professionellen" Mirrorless-Markt mit zwei Kameras:
Z6 und
Z7. Ähnlich wie Sony bietet Nikon seinen Kunden damit die Alternative zwischen hoher Serienbildgeschwindigkeit und mehr Reserven bei schwachem Licht durch moderate Sensorauflösung (Z6 mit 24 MP), oder stattdessen höherer Auflösung (Z7 mit 45 MP). Ansonsten sind die beiden Kameras technisch weitgehend identisch – mit einer größeren Ausnahme: Die Z7 hat einen AF mit 493 gegenüber „nur“ 273 Punkten in der Z6.
Der Kamera-Body ist deutlich kleiner, als Nikons Vollformat-SLRs, aber nicht primär auf Kompaktheit getrimmt, sondern eher auf Ergonomie. (Bei
nikonrumors.com finden sich diverse Größenvergleiche.) So fällt die "Z" etwas größer aus, als beispielsweise die Alpha-Tiere von Sony. Auf der Gehäuse-Schulter (Griffseite) befindet sich ein OLED-Statusdisplay. Um den Auslöser herum und im Daumenbereich sind verschiedene Tasten sowie ein vorderes und hinteres Einstellrad gruppiert. Links neben dem Sucherhöcker sitzt ein Moduswahlrad. Die Rückseite wird von einem Klapp- aber nicht schwenkbaren Display dominiert und ist mit Zusatzelementen wie einem Joystick, Menükreuz und weiteren Tasten ausgestattet. Eine ziemlich klassische Anordnung der Funktionselemente, wenn auch nicht ganz nach dem selben Schema, wie bei den Nikon SLRs.
Zu den wichtigsten Merkmalen (neben dem Z-Mount) gehören:- CMOS BSI Vollformatsensor (Nikon-FX-Format), vermutlich Sony-Fertigung
- 24,5 MP (Z6) bzw. 45,5 MP (Z7) Auflösung
- ISO 100 – 51.200 (Z6) bzw. ISO 64 bis 25.600 (Z7)
- sensorbasierter 5-Achsen Bildstabilisator (bis 5 LW-Stufen);
- Stabi auch mit Nikon F-Objektiven nutzbar, dann aber nur 3 Achsen
- 12 Bilder/s (Z6), 9 Bilder/s (Z7)
- 4K/UHD-Aufnahmen (30p, full pixel readout nur bei Z6), Full-HD mit 120p
- Hybrid-AF mit 90% Bildabdeckung bei Phasen-AF, Empfindlichkeit -3EV
- AF-Punkte: 273 (Z6) bzw. 493 (Z7)
- Bildverarbeitungs-Engine EXPEED 6
- 1 XQD Speicherkartenslot (mit Unterstützung für das künftige CF Express)
- 3,2" Touch-Display, klappbar, 2,1 Mio. Bildpunkte
- OLED-basierter Sucher mit 3,69 Mio. Bildpunkten (100%, 0,8x Vergrößerung)
- Staub- und Tropfwasserresistent (wie D850)
- Wi-Fi 802.11b/g/n/a/ac, 2,4 und 5 GHz
- Bluetooth 4.2
- Anschlüsse: USB-C, HDMI, Audio 3,5mm Klinke In und Out
- Akku: EN-EL15b (wie D850/D7500) mit In-Kamera USB-Charging
- 330 Aufnahmen pro Akkuladung nach CIPA (in der Praxis vermutlich mehr)
- Gewicht: 675 g mit Akku und Speicherkarte, ohne Gehäusedeckel;
- nur Kameragehäuse ca. 585 g
- angekündigt: Batteriegriff MB-N10
Z-Mount ObjektivsystemTechnisch gesehen bieten die neuen Z-Kameras unter dem Strich viel High-End, aber auch nicht viel, was man nicht schon anderswo in der einen oder anderen Form gesehen hätte. Wesentlichstes Merkmal ist der neue Z-Bajonett-Objektivanschluss. Dieser wurde nötig, um den Besonderheiten eines spiegellosen Kamerasystems mit speziell dafür angepassten Objektiven optimal gerecht zu werden. Und es ist vermutlich auch der Grund, warum Nikon erst so spät diesen Schritt geht, denn wer ein so großes und etabliertes Objektivsystem wie Nikon mit dem F-Mount für SLR hat, steht vor der großen Herausforderung, praktisch noch mal von Null anfangen zu müssen. Andere Hersteller, wie z.B. Sony, haben bei weitem keinen so großen Objektivpark für Vollformat-SLRs mit sich herumzuschleppen, weshalb ihnen der Schritt hin zu Mirrorless auch wesentlich leichter fiel und sie diesen Weg früher antreten konnten.
Zu den Besonderheiten dieses Objektivanschlusses gehört ein vergrößerter Durchmesser, was neue Möglichkeiten beim Objektivdesign eröffnet. Zum Beispiel besonders lichtstarke Objektive. Nikon hat dazu bereits ein beeindruckendes (und hoffentlich nicht allzu kostspieliges) 58mm 1:0,95 mit manuellem Fokus für Anfang 2019 angekündigt – das "lichtstärkste Objektiv in der Nikon-Geschichte".
Natürlich gibt es für das neue Z-System auch einen F-Mount Adapter, mit dem sich Nikons DSLR-Objektive auch am Z-Mount nutzen lassen. Niemand muss daher seine Investition in Nikon-Objektive im Altglas-Container entsorgen. Ein neuer Mount bedeutet nichtsdestotrotz, dass es Jahre dauern wird, bis speziell dafür angepasste Optiken in allen wesentlichen Varianten verfügbar sein werden. Zum Start gibt es lediglich drei Modelle, ein Standard-Zoom und zwei Festbrennweiten, plus einen F-Mount-Adapter:
- Nikon Z-Nikkor 24-70mm f/4 (Einzelpreis rund 1.100 Euro)
- Nikon Z-Nikkor 50mm f/1.8 (Einzelpreis rund 650 Euro)
- Nikon Z-Nikkor 35mm f/1.8 (Einzelpreis rund 950 Euro)
- FTZ-Bajonettadapter (Einzelpreis rund 300 Euro)
Das NIKKOR Z 24–70 mm 1:4 S, das NIKKOR Z 35 mm 1:1,8 S und der Bajonettadapter FTZ sind voraussichtlich ab Ende September 2018 im Handel erhältlich. Das NIKKOR Z 50 mm 1:1,8 S voraussichtlich ab Ende Oktober 2018.
Die Wahl der zum Start angebotenen Objektive verwundert ein wenig. Vor allem das Kit-Zoomobjektiv ist mit seinem Brennweitenbereich von 24-70mm bei einer Offenblende von f/4 recht konservativ für eine Kamera gewählt, die höchste Ansprüche in allen fotografischen Bereichen befriedigen soll. Aber auch die beiden Festbrennweiten sind mit jeweils f/1,8 nicht als "High-End" ausgelegt.
Nikon hat jedoch bereits eine Roadmap veröffentlich, die auch lichtstärkere Zoom-Objektive in Aussicht stellt:
Natürlich können mit dem (optionalen) F-Mount-Adapter alle bisherigen Nikon-SLR-Objektive genutzt werden. Welche Abbildungsleistung die ersten Z-Objektive bringen, wird die Praxis zeigen.
Preise und VerfügbarkeitDie Nikon Z7 wird Ende September in den Handel kommen und rund 3.850 Euro kosten, im Kit mit dem Standardzoom 24-70 mm F4 S 4.300 Euro und 4.450 Euro mit FTZ Bajonettadapter.
Die Z6 kommt erst Ende November und soll für 2.450 Euro zu haben sein. Im jeweiligen Kit dann entsprechend 2.900 bzw. 3.050 Euro.