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NonUI, LLDiag, InternalUI – Die geheimen Versionen des iPhone-Betriebssystems

Das iPhone ist ein dicht geschnürtes Paket von Bedienelementen, Sensoren und Kameras hinter einem hochauflösenden OLED-Bildschirm. Jede Menge Komponenten müssen für diverse Funktionen zusammenarbeiten und teilen sich dafür eine Energiequelle. Um jedes Jahr Innovation im Hardware- und im Softwarebereich bieten zu können, arbeiten verschiedenste Teams am iPhone. Einige nutzen dafür ein eigenes Betriebssystem, das sich deutlich von der gewohnten iOS-Oberfläche unterscheidet. Je nach Abteilung und Entwicklungsstatus kommt ein anderes Betriebssystem zur Anwendung.


Über die bald zwei Jahrzehnte iPhone-Entwicklungsgeschichte gelangten einige Details über interne Versionen ans Licht, beispielsweise durch verlorene Prototypen, unvollständig zurückgesetzte Testexemplare oder Berichte ehemaliger Apple-Mitarbeiter. Im Apple-Wiki lassen sich viele Informationen zur Entstehungsgeschichte nachlesen.

Experimentelle Hardware: NonUI
Zum Testen neuer Hardware-Komponenten verwenden Apples Entwickler ein rudimentäres Betriebssystem, das sich deutlich vom gewohnten iOS-Erscheinungsbild unterscheidet. Es besteht weitestgehend aus simplen Schaltflächen und Textboxen, mit denen die Hardware-Entwickler Sensordaten auswerten, Tests starten und hardwarenahe Routinen implementieren. Viele Funktionen laufen über Kommandozeile; anstelle des Springboards, wie Apple-Intern der App-gefüllte Startbildschirm heißt, gibt es eine Switchboard-App. Mit ihr lassen sich experimentelle Apps starten.

Zahnrad anstatt Apple-Logo
Buttons sind meist simple Rechtecke, Beschriftungen voller interner Gags. Das Hardware-Team muss schnell eine simple Bedienoberfläche erstellen, um neue Funktionen zu testen und kann dabei nicht auf Finesse und Bedienbarkeit Rücksicht nehmen. Zumindest für eine gewisse Zeit verwendeten die Hardware-Ingenieure einen inoffiziellen Namen für ihr Bastel-OS: Skankwerk. Schon beim Hochfahren unterscheidet sich Skankwerk vom gewohnten Erscheinungsbild. Auf dem Bildschirm erscheint ein Zahnrad anstelle des angebissenen Apfels.

Bedien-Spielwiese: InternalUI
Die spannendste Version dürfte das interne Betriebssystem sein, mit dem das Software-Entwicklungs-Team arbeitet: Unter dem schlichten Namen "InternalUI" probieren Entwickler unterschiedliche Varianten diverser Features aus. Hier entstanden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Kernelemente von iOS, etwa App-Switcher, HomeScreen-Widgets sowie Dynamic-Island-Animationen. Hier probieren Entwickler Varianten aus und entscheiden, welche Form am Ende für die Nutzer sichtbar wird. Würde ein iPhone mit InternalUI zu früh an die Öffentlichkeit gelangen, wäre das fatal für Apple.

Die Bedienoberfläche des InternalUI (hier aus dem Jahr 2020) gleicht bereits stark dem vollendeten Resultat. (Quelle: Orangara1n | theapplewiki.com, Lizenz: CC-BY-SA)

Produktion und Test: LLDiags und CarrierOS
Für den Test von Hardwarekomponenten (Low-level Diagnostics) gibt es ein separates Betriebssystem, das ohne grafische Bedienoberfläche auskommt. Es heißt "LLDiags" oder schlicht "Diag" und präsentiert lediglich eine Textkonsole, die über eine externe Tastatur bedient wird. Die Spezialvariante "CarrierOS" hingegen besteht aus einem weitgehend vollständigen iOS, auf dem zusätzliche Diagnose-Apps installiert sind. Damit testen Mobilfunknetzbetreiber neue Versionen auf Kompatibilität mit ihrer Infrastruktur.

Ein iPhone mit Diag-OS zeigt lediglich ein Kommandozeilen-Interface. (Quelle: @matteyeux | theapplewiki.com, Lizenz: CC-BY-SA)

Das Öffentliche: Release iOS
Sämtliche oben beschriebenen Varianten bekommt man wahrscheinlich niemals zu sehen, wenn man nicht direkt bei, mit oder für Apple arbeitet. In diesem Fall liegt wiederum ein Non-Disclosure-Agreement (NDA) vor, was ein Ausplaudern von Details verbietet. Lediglich der Zweig "Release iOS" bekommen Anwender zu Gesicht. Wenn Apple am 10. Juni auf der Entwicklerkonferenz die zukünftigen iOS-Versionen vorstellt, erhalten App-Entwickler wahrscheinlich eine Vorschau in Form einer "Developer Beta". In ihr werden sich Features vereinen, die über den Verlauf des letzten Jahres in nonUI und InternalUI gereift sind.

Kreative Auswahl
Wer einen Einblick in den Entwicklungsprozess bei Apple wünscht, kann im Buch "Creative Selection" die Entwicklung einiger Eigenschaften des ersten iPhones nachlesen. Autor Ken Kocienda war an der Entstehung von Safari beteiligt und entwickelte die erste iPhone-Displaytastatur. Inzwischen arbeitet er bei Humane, dem Start-up, das jüngst den AI Pin vorstellte.

Kommentare

Hannes Gnad
Hannes Gnad01.05.24 16:25
Es gibt min. noch eine weitere Variante für alle Plattformen - die für die Aussteller-Geräte in den Apple Stores. Auf denen laufen MDM/Remote Management, Demo-Shows und „Deep Freeze“ der Benutzerumgebung, ohne daß das wie sonst üblich in Systemeinstellungen oder Library-Ordnern (vollständig) sichtbar wäre, im Vergleich zu ReleaseOS, die „normal“ verwaltet sind.
+9
ssb
ssb01.05.24 19:54
Das sollte sich auch mit internen MDM-Profilen auf dem Release-iOS umsetzen lassen. Nicht alle Einstellungen für MDM sollten öffentlich bekannt sein. Wenn ich mir anschaue, wie unsere IT zugunsten von VPN mein macOS beschnitten hat - mit bekannten Einstellungen - wer weiß, was mit den nicht-öffentlichen MDM-Einstellungen möglich ist.
+4
rkb0rg
rkb0rg01.05.24 23:21
Der für mich interessanteste Artikel seit langem hier auf MTN. Vielen lieben Dank & gerne mehr von solchen Hintergrund-Infos! Besonders das Springboard fasziniert mich, ebenso wie das Cydia-Pendant Winterboard.

Bei dem Screenshot des InternalUI musste ich eher an iOS7 denken. Gab es 2020 nicht schon wieder viel mehr Schatten & 3D-Effekte? Auch die Höhe des Screenshots ist eine App-Reihe kürzer als nach dem iPhone X sonst üblich. Ebenso das die Uhrzeit in der Mitte steht. Hmm…
+2

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