Praxiserfahrungen mit dem ED 12-100mm F4.0 IS ProKompaktBezeichnung | | M.ZUIKO DIGITAL ED 12‑100 1:4.0 IS PRO |
Auch mein anderer Testkandidat wird auf den (zum Zeitpunkt der Veröffentlichung) heute und morgen stattfindenden
Norddeutschen HiFi-Tage im Hamburger Holiday Inn Hotel zum Einsatz kommen. Auch wenn das ebenfalls 1.299 Euro teure
ED 12-100mm F4.0 IS Pro bei weitem weniger Lichtstärke bietet, hat es mit seinem enormen Zoombereich von 12-100mm und seiner Naheinstellgrenze von nur 15cm doch beste Voraussetzungen für so eine Innenveranstaltung, bei der vom Weitwinkel über Normal, Porträt und Telebrennweite, bis hin zum Makro, alles abgedeckt werden muss. Die oftmals schlechten Lichtverhältnisse auf so einer Veranstaltung müssen da aber mit hoher ISO oder mit Blitz kompensiert werden. Ich bevorzuge allerdings die Available Light Fotografie und nehme lieber etwas höheres Bildrauschen als fiese Schlagschatten von einem Aufsteckblitz in Kauf.
Tatsächlich hat sich schon nach wenigen Tagen mit den beiden Testobjektiven wieder gezeigt, wie sehr ich gute Zoom-Objektive bevorzuge. Mehr als zwei Drittel aller Aufnahmen habe ich mit dem 12-100mm gemacht. Und es wäre sicher noch ein höherer Anteil gewesen, hätte ich nicht für den Test zwangsweise hin und wieder die 25mm Festbrennweite ansetzen müssen.
Zunächst ist es nur die einfache Handhabung und flexible Nutzbarkeit des Zooms, die einen vielleicht etwas faul werden lässt. Warum die Festbrennweite montieren, wenn das Zoom doch denselben Bildwinkel in der gegebenen Situation bietet? Aber es lässt sich nicht alles auf Faulheit des Fotografen schieben. Fakt ist, dass jeder Objektivwechsel Zeit kostet. Zeit, die man oftmals nicht hat, will man eine bestimmte Situation noch rechtzeitig einfangen, bevor sie Geschichte ist. Nehmen wir als Beispiel Veranstaltungen mit vielen Menschen, Aufführungen, Geschehnisse in der Natur (also fast alles, was draußen passiert) u.s.w. Wer nicht den Luxus einer gestellten (Studio-) Situation hat oder ruhige Landschaften aufnimmt, muss meist sehr schnell reagieren. Da bleibt keine Zeit, erst die richtige Festbrennweite auszusuchen (sofern man sie denn im Gepäck hat) und auf die Kamera zu montieren. Mit dem Zoom-Objektiv braucht es nicht länger, als die Bewegung der Kamera zum Auge und einen schnellen Dreh am Zoomring, um das Geschehen ideal ins Bild zu setzen. Und zumindest meine Art der Fotografie sieht, wenn man mal von den vielen Produktfotos absieht, überwiegend genau so aus.
Doch da ist noch mehr, was für ein gutes Zoom wie dieses spricht. Zum Einen wäre da im Falle des 12-100mm der im Objektiv eingebaute Bildstabilisator. Zusammen mit dem In-Body-IS der E-M1 sorgt dieser für bis zu 5 Blendenstufen mehr Freihandreserven. Und mit der E-M1 Mark II, dessen Sensorbasierter IS nochmals verbessert wurde, verspricht Olympus sogar bis zu 6,5 Blendenstufen! Tatsächlich ist es ziemlich beeindruckend, wie ruhig das Sucherbild selbst bei maximaler Brennweite wird. Bis zum Limit habe ich das Potential zwar noch nicht ausreizen können, aber ich habe unverwackelte, scharfe Innenraumaufnahmen mit 0,8 Sekunden Belichtungszeit ohne Stativ oder Auflegen der Kamera gemacht. – Freihändig. Aber im Sitzen, nicht im Stehen.
Spätestens bei der Auswertung der Bilder wird deutlich, dass auch die Abbildungsleistung nichts zu wünschen übrig lässt. Ohne eine nach wissenschaftlichen Kriterien erzeugte Vergleichsreihe gemacht zu haben, möchte ich behaupten, dass die Abbildung des 12-100 in allen Brennweitenbereichen und selbst bei Offenblende der Leistung guter Mittelklasse-Festbrennweiten nicht nachsteht. Oder anders ausgedrückt: die zuvor genannten Vorteile des Zooms in Sachen Flexibilität sind
mir persönlich weitaus wichtiger, als minimal bessere Abbildung durch hochwertige Festbrennweiten. Außer in streng kontrollierten Motivsituationen, bei denen man viel Zeit und Muße hat, das Beste aus der Situation zu holen, ist ein Zoomobjektiv dieser Güte eindeutig die bessere Wahl.
Kommen wir zu den Handling-Eigenschaften. Mit 624g ist das 12-100 nicht gerade die leichteste Linse im Olympus Objektivpark. Diese Kröte muss man schlucken, will man von dessen Vorteilen profitieren. Andererseits, an einer Kamera wie der E-M1 ergibt sich mit dem 12-100 ein sehr ausbalanciertes, sicheres Gefühl der Kamerahaltung. Lediglich bei einhändigen Aufnahmen fällt die leichte Kopflastigkeit durch das Objektiv ins Gewicht.
Ein Vergleich mit Vollformat: Das Nikon
AF-S NIKKOR 24–120 MM 1:4G ED VR, welches einen deutlich kürzeren Zoombereich bietet (die 100mm des Olympus entsprechen 200mm an Kleinbild), wiegt 710g (ohne Kappen und Blende) und hat mit 45cm eine deutlich größere Naheinstellgrenze und somit weniger Makro-Potenzial.
Gegenüber dem Olympus ED 12-40mm f/2,8 ist der Gewichtsunterschied von rund 190g zwar nicht unerheblich und bei längeren Fotomissionen durchaus spürbar, aber da kommt wieder dieser tolle Zoombereich ins Spiel: Ein Zoom-Ende bei 40mm ist doch sehr beschränkend. Bis 60mm wäre schön gewesen. Mit bis zu 100mm Brennweite ist hingegen so ziemlich alles außer Extremsituationen perfekt abgedeckt. Da komme ich wirklich ins Grübeln, ob ich noch das Duo bestehend aus dem 12-40mm und dem 40-150mm benötige. – Ernsthaft. Selbst deren höhere Lichtstärke stelle ich da zur Disposition.
Die Bedienung des 12-100 unterscheidet sich so gut wie nicht von seinem Bruder mit 12-40mm. Es gibt einen großen, griffigen Zoomring und davor einen Fokusring, mit dem man durch zurückziehen des Rings auf manuelles Fokussieren umschalten kann. Auch eine L-Fn-Taste zur freien Belegung ist vorhanden. Zusätzlich besitzt das 12-100 nur einen Schalter ON/OFF für den Bildstabilisator. Eine kleine Verbesserung findet sich an der mitgelieferten Streulichtblende. Beim 12-40mm besitzt diese zwei hervorstehende Drücker zum Entriegeln. In der Praxis ist es mit oft passiert, dass sich die Verriegelung in der Fototasche gelöst hatte. Das ist offenbar auch Olympus aufgefallen und so hat die Blende des 12-100mm nur noch eine versenkte Taste zum Entriegeln. Sehr schön!
Hatte ich schon erwähnt, dass auch das 12-100mm selbstverständlich äußerst präzise und solide verarbeitet ist und Wetterschutz besitzt? In der PRO-Serie ist dies obligatorisch.
Wer nun glaubt, die Bildqualität könne da nicht mithalten, der irrt gewaltig. Das 12-100 produziert knackscharfe Bilder bei allen Brennweiten und Blendeneinstellungen. Auch so unschöne Dinge wie beispielsweise Farbsäume bekommt man so gut wie nie zu Gesicht. Selbst in extremen Gegenlichtsituationen nicht. Und wer meint, mit einer Blende 4 an MFT kann man kein Bokeh erzeugen, der sehe sich bitte Bilder wie dieses an:
Ohne lange Umschweife: Das 12-100mm steht seinen anderen Brüdern der Pro-Serie in (fast) nichts nach und ist das beste Zoom mit derartig großem Brennweitenbereich, dass ich kenne. Punkt.