Uhr mit Mehrwert: Was geht und was nicht?Ich denke, ich kann getrost an dieser Stelle darauf verzichten, noch mal sämtliche Eigenschaften und Funktionen der Watch herunterzubeten. Wenn Sie bis hier her gelesen haben, kennen Sie sicherlich schon all diese Details. Daher möchte ich mich lieber auf einige Besonderheiten der Uhr konzentrieren, die sie von herkömmlichen Uhren grundsätzlich unterscheidet.
Es war so nicht direkt vorherzusehen, aber als vielleicht größte Hürde für einen schnellen und umfassenden Erfolg der Watch scheint sich die Erwartungshaltung der Menschen und ausgerechnet die „Generation Smartphone“ herauszustellen, die nicht mit einer Uhr am Arm, sondern mit einem kleinen Technikkasten in der Hand aufgewachsen ist.
Der technische Stand der Dinge scheint vielen Menschen, selbst solchen, die sich selbst als technikaffin bezeichnen würden, gar nicht so recht klar zu sein. Zu den größten Kritikpunkten der Watch zählt beispielsweise ihre Akkulaufzeit. Wer einer Altersgruppe angehört, in der Armbanduhren allgemeiner Standard waren, kratzt sich verwundert am Kopf, wenn er hört, die Watch würde nur ca. einen Tag durchhalten und täglich an die Ladestation müssen. Selbst die Smartphone-Generation („Ich brauche keine Uhr, ich gucke einfach aufs iPhone.“), die bei intensiver Nutzung auch täglich ihr Gadget nachtanken muss, versteht das nicht und schreibt die Uhr damit oft vorschnell ab.
Fakt ist: Die heutige Akkutechnologie und der Verbrauch der elektronischen Komponenten von der Leistungsfähigkeit der Watch lassen derzeit keine Wochen oder gar jahrelangen Ausdauerwerte zu. Es mag Smartwatches geben, die einige Tage länger durchhalten, aber die besitzen entweder nicht die gleiche elektronische Leistung oder deutlich größere Akkus (was weniger Platz für die eigentliche Technik bedeutet). Egal ob ein Tag, eine Woche oder einen Monat: Mit der Laufzeit herkömmlicher Quarzuhren ist das nicht ansatzweise zu vergleichen. Die halten üblicherweise mit einer Knopfzelle mindestens ein Jahr durch, manche auch fünf, einige sogar zehn Jahre. Und solche mit Solarunterstützung können theoretisch sogar ewig laufen – nur dass die Akku-/Kondensatortechnik im Inneren irgendwann ihren Geist aufgibt.
Von derartiger Ausdauer sind alle Smartwatches weit entfernt und wer sich ein solches Stück moderner Handgelenktechnologie gönnen will, muss vorerst damit leben.
Aber was bedeutet das in der Praxis? Ich persönlich trage Armbanduhren, seit ich mich zurückerinnern kann. Die Uhr nehme ich in der Nacht mit wenigen Ausnahmen immer ab. Wenn ich schlafe, brauche ich die Uhr nicht und falls ich mal wach werde und wissen will, wie spät es ist, helfen mir die meisten meiner Armbanduhren auch nicht, weil sie entweder gar keine Beleuchtung haben, oder weil die Leuchtmasse der Zeiger schon so viel an Kraft verloren hat, dass man die Zeit nicht ablesen kann. Der Punkt ist: Nachts kann die Uhr genauso gut an einer Ladestation hängen, wie lose auf dem Nachttisch herumliegen.
Dabei hält der Akku der Watch bei mir deutlich länger, als die von Apple zugesagten ca. 18 Stunden. Das liegt primär an meinem Nutzungsverhalten, denn ich gehöre nicht zu den Menschen, die – weder über ihre Smartwatch noch über das iPhone – den ganzen Tag über twittern, texten, posten, daddeln oder sonstwas erledigen müssen. Hin und wieder eine Nachricht lesen und kurz beantworten, ab und zu abseits des Macs oder iPhone Mails checken und die sonstigen Funktionen der Uhr erforschen sorgt bei mir für einen Stromverbrauch, bei dem mir am Ende des Tages bisher immer über 50\%, manchmal sogar bis zu 70\% Akkuleistung verblieben. Nachts geht die Uhr trotzdem immer an den Stromnuckel, der mit einer einfachen Handbewegung magnetisch an der Rückseite der Uhr angedockt wird.
Die Frage dabei ist: Wie lange macht der Akku das mit, bis er ausgetauscht werden muss? Hier fehlen derzeit noch die Erfahrungswerte, aber man kann mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass spätestens nach ein paar Jahren der Akku ersetzt werden muss. Apple schreibt dazu:
„Die Batterie ist so entwickelt, dass sie nach 1000 vollständigen Ladezyklen noch bis zu 80 \% ihrer Originalkapazität behält. Die einjährige Herstellergarantie (für Apple Watch und Apple Watch Sport) und die zweijährige Herstellergarantie (für Apple Watch Edition) decken auch den Service für defekte Batterien ab. Ist die Garantie abgelaufen, bietet Apple einen Batterieservice an. Die Preise und Bedingungen können variieren.“ Der Akkutausch außerhalb der Garantiezeit kostet derzeit 96,90 Euro inklusive Versandkosten (
Apple Service). Allerdings kommt dem in vielen Fällen wohl eher ein anderes Ereignis zuvor, nämlich der Wechsel auf ein neues Watch-Modell. Ein Problem sämtlicher Smartwatches gegenüber herkömmlichen Uhren besteht darin, dass ihre Technik schnell veraltet bzw. in relativ kurzen Zeitabständen von neueren Modellen übertroffen wird. Das kennt man insbesondere von Smartphones, die häufig schon bei der nächsten Modellgeneration ausgetauscht werden und nur selten länger als drei bis fünf Jahre genutzt werden.
Es bleibt abzuwarten, ob und wie sich diese Austauschfreude auf Smartwatch-Nutzer überträgt. Apple bewirbt seine Watch auch als (z.T. sehr luxuriösen) Schmuck- oder Modegegenstand und spricht damit eine Klientel an, die sich sonst für das Geld vielleicht eine mechanische Edel-Uhr kaufen würde. Solche Schmuck- und Luxusuhren haben aber den entscheidenden Vorteil, dass sie technisch kaum veralten (ihre Technik ist ohnehin vom Prinzip her uralt) und auch in vielen Jahren oder Jahrzehnten noch die selbe Aufgabe erfüllen können. Die erste Generation der Watch dürfte spätestens in zehn Jahren kaum noch irgend einen sinnvollen Nutzen haben und kann – wenn überhaupt – vielleicht nur noch mit veralteten iPhones und Betriebssystemen verwendet werden. Damit werden insbesondere die Edition-Modelle aus purem Gold höchstens noch einen gewissen Material- und Sammlerwert haben, während die Alu- und Stahlmodelle dann wahrscheinlich nur noch Recyclingwert haben. Die Watch taugt jedenfalls kaum als Schmuck- oder Wertgegenstand, den man seinen Kindern oder Enkeln vermachen könnte.
Darüber hinaus wird die Abhängigkeit der Watch zu einem gekoppelten iPhone von vielen als größter Schwachpunkt gesehen. Auch dies ist rein technisch gesehen ein Umstand, der sich heute kaum vermeiden lässt. Jedenfalls nicht, wenn man einen derartigen Funktionsumfang erwartet, wie ihn die Watch bietet. Ganz klar: Sie ist KEIN ERSATZ für ein Smartphone. Darüber muss man sich völlig im Klaren sein. Apples smarte Uhr ist viel mehr eine Verlängerung etlicher Smartphone-Funktionen, ergänzt um eine paar unabhängige Features und eine Schmuck-Komponente. Es wird sicherlich noch eine Weile dauern, bis eine Smartwatch existiert, die ein modernes Smartphone ersetzen könnte – sofern das überhaupt einen Sinn ergibt. Die Kombination aus Smartphone und Smartwatch, so wie von Apple dargestellt, ist beim derzeitigen Stand der Dinge aus meiner Sicht die einzig vernünftige Lösung.
Es sind zwei sich einander ergänzende technische Hilfsmittel. Wer eine Weile mit der Watch gelebt hat, wird dieses Zusammenspiel besser verstehen lernen. Aber natürlich gehen damit auch Einschränkungen einher. Diejenigen, die ihr iPhone sowieso immer in Reichweite haben (und das dürften die meisten iPhone-User sein) werden nur selten Probleme haben. Auch dann nicht, wenn man sich in den eigenen vier Wänden oder dem Büro bewegt und außer Bluetooth-Reichweite gerät, weil die Watch in dem Fall über das lokale WLAN Verbindung mit dem iPhone halten kann. Kommt man trotzdem außer Reichweite, sind viele Funktionen der Uhr nicht mehr nutzbar. Angefangen mit der simplen Wetteranzeige, über Apps, die eigentlich auf dem iPhone laufen, bis hin zu Siri-Funktionen, die eine Online-Verbindung erfordern. Die Basisfunktionen, wie Zeitmessung oder auch die Messung der Herzfrequenz, bleiben aber selbstverständlich auch ohne Kontakt zum iPhone weiter nutzbar. Die Watch ist also auch ohne iPhone eine sehr vielseitige Uhr. Vielseitiger und nützlicher jedenfalls, als jede mechanische Luxusuhr.
Apple wird zudem bald mittels WatchKit Drittentwicklern die Möglichkeit eröffnen, auf Kernkomponenten wie die Digitale Krone Zugriff zu nehmen und native Apps für die Watch zu entwickeln. Die Abhängigkeit zum iPhone wird sich damit verringern bzw. die Zahl der Watch-Apps wird steigen, die kein iPhone als „Host“ benötigen.
Von der puren Funktionalität abgesehen, bietet die Watch aber noch viel mehr als nur das Nerd-Futter. Sie sieht nämlich auch verdammt gut aus und spricht damit auch weniger technophile Persönlichkeiten an. Etwas, das derzeit kaum eine andere Smartwatch schafft. Jedenfalls trifft die Watch ganz offenbar den Geschmack vieler Menschen, wie die langen Lieferzeiten beweisen. Es gibt aber natürlich auch Personen, die das Design total daneben finden und keine Gelegenheit auslassen, dies auch jedem deutlich und in „blumigen“ Metaphern mitzuteilen. – Jedem das Seine.
Für meinen Geschmack ist die Apple Watch ein Volltreffer. Zwar war ich (mit wenigen Ausnahmen) nie ein Freund von rechteckigen Uhrengehäusen, aber für eine Smartwatch, die auch nach Apple-Design aussehen soll, stimmt die Formgebung nahezu perfekt. Das rechteckige Display ist auch kein Nachteil bei der Darstellung unterschiedlicher Zifferblatt-Designs, von denen die Watch einige wunderbar liebevoll gestaltete und individuell anpassbare mitbringt (weitere folgen in Zukunft). Dateninformationen wie Nachrichten, Hinweise, Wetter u.s.w. haben auf dem eckigen Display zudem mehr nutzbaren Platz, als auf einem Runden, bei dem die fehlenden Ecken die Darstellung eher behindern.
Aus der Gruppe der Nicht-Uhrenträger (überwiegend der Generation Smartphone zugehörig) gab es Stimmen, welche das Uhrengehäuse als viel zu dick bezeichnen. Nun, langjährige Uhrenträger werden dem Widersprechen, denn viele besonders beliebte Uhrentypen sind noch viel dicker, wie am Beispiel meiner nicht übermäßig hohen Bremont Taucheruhr zu sehen:
Überhaupt stimmen die Dimensionen beider von Apple angebotenen Größen (38 und 42 mm) ziemlich exakt mit den heute gängigen Durchschnittsmaßen für Damen- bzw Herrenuhren überein.
Doch egal wie gelungen das Design der Watch auch ist, eines kann sie leider nicht oder nur in sehr begrenztem Umfang bieten: nämlich
Individualität. Das liegt schlicht und ergreifend daran, dass, selbst so kurz nach dem Marktstart, wohl kaum eine andere Uhr so oft verkauft wurde. Mit jeder einfachen Casio ist die Gefahr geringer, dass Sie damit in der Öffentlichkeit auf jemanden treffen, der genau die gleiche Uhr trägt. Individualisierung ist daher trotz der vielfältigen Armbandoptionen und den konfigurierbaren Zifferblättern nur in sehr eingeschränktem Maße möglich. Ein Kollege berichtete neulich, dass er im Flugzeug gleich fünf Personen gesehen hat, die auch eine Watch trugen. Ok, noch bietet wohl keine andere Uhr auf diesem Planeten so viel Gesprächsstoff und so gute Gelegenheit, andere Menschen kennenzulernen. Und wahrscheinlich wird man aktuell viel eher auf eine Apple Watch angesprochen, als auf irgend eine Hyper-Superduper-Meisterkomplikation am Handgelenk, aber dieser Effekt wird sich abnutzen. In ein paar Jahren könnte die Watch damit so „gesichtslos“ sein, wie es heute die iPhones und andere Smartphones sind. Danach kräht kein Hahn mehr.