Praxistest: KEF Reference 1 Passivlautsprecher
KlangDa meine Testmuster zuvor schon gebraucht waren, benötigten sie keine lange Einspielzeit und ich konnte mich gleich an die Auswahl des richtigen Reflexroheinsatzes für meinen Raum machen. Als vorgeschaltetes Equipment diente neben dem in der letzten Woche getesteten
Auralic Aries Streamer mein Mac als Musiklieferant, die Daten wurden darüber bitgenau via
Devialet Air an den
Devialet DAC/Verstärker übertragen. Aus meiner Sicht der zur Zeit beste DAC/Verstärker der Welt. Punkt.
Bei der
Wahl des Reflexrohr-Einsatzes sollte man nicht zu vorschnell urteilen. Die kürzere Variante wirkte für mich im ersten Moment etwas anspringender und satter, weshalb ich zunächst dachte, die Auswahl stünde bereits fest. Erst im Laufe der Zeit merkte ich, dass der etwas kräftigere „Brustton“ durch das kürzere Reflexrohr mit einer Überbetonung der oberen Bässe in meinem Raum erkauft wurde. Beispielsweise erhielten tiefe Stimmen oder Instrumente im Grundton etwas zuviel Volumen. Das Klangbild wirkte – überspitzt ausgedrückt – etwas dröhnig. Nachdem ich wieder das lange Reflexrohr eingesetzt und damit zahlreiche Musikstücke gehört hatte, war klar, dass dies für meinen Raum und meinen Geschmack doch die bessere Wahl ist. Nicht nur, dass die besagte „Dröhn-Neigung“ dadurch komplett verschwand, plötzlich war auch viel mehr Tiefbass da. Die laut Datenblatt nur ca. 3 Hz Unterschied bei der unteren Grenzfrequenz mit dem sanfter abfallenden Frequenzverlauf machen in meinem Raum einen riesigen Unterschied.
Die extrem steife und resonanzarme Gehäusekonstruktion und der Uni-Q-Treiber der Reference 1 sorgen, ähnlich wie bei der kleinen LS-50, für eine absolut losgelöste und klare Abbildung ohne jeden „Kistenklang“. Nur dass bei der Reference 1 noch ein sehr kräftiges Basschassis mit an Bord ist. Damit, und dank des größeren Gehäusevolumens, zusätzlich ergänzt durch den höheren Aufwand bei den Antrieben und Materialien, wirkt die Reference 1 gegenüber ihrer kleineren Schwester ein gutes Stück erhabener. Allerdings wird das keineswegs gleich mit den ersten Musiktakten klar.
Im Grundcharakter ähneln sich die LS-50 und die Reference 1 wie eineiige Zwillinge. Beide zeichnen sich durch Neutralität und höchste Klangfarbentreue aus. Insbesondere bei niedrigeren Pegeln kann die LS-50 sehr gut mit der rund sechs mal so teuren Reference 1 mithalten. Sogar noch besser, wenn sie mit einem Devialet verbunden ist und per
SAM (Speaker Active Matching) kontrolliert wird. Dazu mehr weiter hinten im Text.
Nur in manchen Situationen, wenn die Musikstücke entsprechend basskräftige Passagen enthalten, merkt man auch bei Hintergrundlautstärke, dass die Reference 1 ein ganz anderes Kaliber ist, wenn plötzlich ein mächtig tiefer und sonorer Bass im Raum steht. Mit zunehmendem Pegel wird der Abstand zwischen den Lautsprechern immer größer. Zwar kann auch die kleine LS-50 enorm hohe unverzerrte Pegel wiedergeben, doch mit der Reference 1 wirkt schon bei mittleren Lautstärken alles wesentlich entspannter und souveräner. Sogar so souverän, dass man bei geschlossenen Augen einen viel größeren Standlautsprecher vor sich wähnt. Selbst Boliden vom Schlage einer Naim Ovator S-600 (
siehe Rewind 285) können sich diesbezüglich bis hinauf zu sehr hohen Pegeln nicht absetzen. Der Bass reicht nicht nur tief hinab, sondern kann bei Bedarf auch einen kernigen Punch erzeugen. Man merkt sofort, dass da ein ziemlich gewaltiges Magnetkraftwerk im Hintergrund werkelt, wie die Darstellungen der Treiber (siehe Seite zuvor) ja auch bestätigen.
Hinzu kommt, dass die Reference 1 trotz ihrer beeindruckenden Grobdynamik nicht die Tugenden eines seriösen Kompaktlautsprechers missen lässt. Unter anderem drängen sich kleine Lautsprecher nämlich nicht so leicht in den Vordergrund wie die meisten Standlautsprecher. Das Klangbild kann sich aufgrund der kleineren Gehäusefront besser lösen und wirkt in sich geschlossener, stimmiger. Obwohl die Reference 1 eine gut doppelt so große (und nicht gekrümmte) Schallwand wie die LS-50 hat, macht sich diese zusätzliche Fläche und der Basstreiber nicht im geringsten negativ bemerkbar. Ihr Uni-Q-Treiber, hier inzwischen in seiner 11. Generation, klingt darüber hinaus noch ein gutes Stück klarer und „reiner“ (weißer als weiß!) als der der LS-50. Unter anderem verdankt er das der Tatsache, dass ihm der Basstreiber ein gehöriges Stück Arbeit abnimmt. Erst ab 350 Hz muss der Uni-Q in der Reference 1 ran, während der Koax in der kleinen Jubiläumsbox den gesamten Bassbereich mit übertragen muss.
Genau deswegen ist es keineswegs immer besser, einen größeren Lautsprecher zu kaufen. Mehr Bass und bessere Grobdynamik erkauft man sich nämlich meistens – außer bei einigen sehr aufwendigen und teuren Konstruktionen, wie beispielsweise der KEF Blade – mit einem Mangel an Finesse und Präzision. Gerade in kleineren Hörräumen (meiner ist nur rund 20 m² groß) sollte man sich vielleicht eher die Anschaffung einer Reference 1 anstatt der eines Standlautsprechers wie der Reference 3 oder 5 überlegen. Zumal die kleine KEF Reference tatsächlich in der Lage ist, grobdynamisch mit deutlich größeren Boxen mitzuhalten. Bei Stücken mit Extra-Basswürze, wie bei vielen Titeln von „Yello“ der Fall, fällt man manchmal fast vom Glauben ab, welche Tieftonenergie die Reference 1 entwickeln können.
Wichtig zu wissen:
Die Reference 1 ist kein Blender, der irgendwie aufgepumpt wirkt und mit übermächtigem Bass und Schönfärbereien zu beeindrucken versucht. Mittelmäßige Aufnahmen klingen auch nur mittelmäßig. Besonders gelungene Aufnahmen entlocken die Lautsprecher hingegen jedes noch so kleine Detail und stellen die Musik absolut glaubhaft in den Raum. Die Boxen als solche treten völlig in den Hintergrund. Für manchen Geschmack mag das zu nüchtern sein, aber genau so muss ein audiophiler Spitzenlautsprecher sein, der die Musik in den Vordergrund stellt und nicht sich selbst. Allerdings erfordert dies auch eine angemessene Elektronik vorneweg im Signalweg.