Presseschau zum Apple-Event: Von neurotisch bis begeistert
Zwei Tage nach dem Apple-Event fassen wir zusammen, welche Themen in der nationalen und internationalen Presse diskutiert werden. Die Ansätze unterscheiden sich dabei wie gewöhnlich deutlich von reinen IT-Publikationen.
Spiegel: AR, FAZ: Riskante Strategie, Handelsblatt: BörseDer Spiegel (in einer von Sascha Lobo verfassten Kolumne) hält weniger die gezeigte Hardware als ein Software-Update für die entscheidende Neuerung. Die Verschmelzung zweier Welten zu Augmented Reality sei von gewaltiger Bedeutung und die nächste digitale Revolution. Laut
FAZ setzt das iPhone X Maßstäbe und sei fortan die Referenz unter den Oberklasse-Smartphones. Der Verfasser geht auf Apples Strategie ein, nicht als erster neue Funktionen zu bringen, sondern erst etwas abzuwarten. Dies berge aber Risiken, denn das Produkt sei ausgereizt. Apple setze dennoch alles auf eine Karte und mache den Großteil des Umsatzes mit dem iPhone. "Technische Meisterleistung statt Innovation" ist eine der Folgerungen des Artikels. Das
Handelsblatt interessiert natürlich besonders, welche Auswirkungen es auf die Börse geben kann. Demnach seien Börsianer angesichts des hohen Preises eher skeptisch, auch die späte Markteinführung (November) sorgt für Zweifel hinsichtlich des Quartalsergebnisses.
Eine düstere und wirre Utopie der SZZiemlich verstörend, zumindest aber leicht neurotisch, wirkt ein
Kommentar der Süddeutschen Zeitung, der düstere Vorausahnungen aufbringt. Die Schlussfolgerungen und Herleitungen, die der Verfasser zieht, klingen teilweise wir direkt aus einer Facebook-Gruppe von Verschwörungstheoretikern entnommen. Rückkehr zum Schädelvermessen, Verfolgung von Homosexuellen (wegen der von Stanford getätigten Untersuchung, sexuelle Orientierung am Gesicht abzulesen), Trojaner-Gefahr für iOS und unterstellte Uploads der hochsensiblen Daten auf iCloud werden in wirrer Folge in den Raum geworfen. Niemand verkaufe die Technologie "so zynisch" wie Apple. Da Apple in China der lokalen Gesetzgebung nachkam und VPN-Apps aus dem Store nahm, sei auch der Aussage nicht zu trauen, die Daten werden nur sicher auf dem Gerät gespeichert. Das, so wie der komplette sonstige Artikel, ist inhaltlich höchst fraglich, denn selbst wenn Apple oder sämtliche Geheimdienste der Welt wollten, die Secure Enclave ermöglicht architekturbedingt keine solchen Eingriffe.
Die internationale Presse: AR und RetailWirft man einen Blick auf die internationale Presse, so ist vor allem ein Artikel der
New York Times lesenswert. Dieser hebt auch in erster Linie Apples AR-Revolution hervor, die alle Hardware-Neuerungen zweitrangig erscheinen lässt. Auch auf Steve Jobs wird eingegangen. Das Präsentationstalent des ehemaligen Apple-CEOs fehle, der von ihm vertretene Minimalismus bleibe. Die
Washington Post diskutiert noch einen ganz anderen Punkt, nämlich Apples Retail-Strategie. Angela Ahrendts hatte auf der Bühne erklärt, warum man die Apple Stores nicht mehr "Store" nenne, da sie inzwischen angeblich viel eher den Status eines zentralen Marktplatzes haben. Nicht reiner Abverkauf zähle, sondern Lernen und sich mit anderen Menschen zu verbinden. "Town squares" sei die interne Bezeichnung. Skeptiker bezeichnen diesen Ansatz allerdings als "Markenbildungs-Fantasie". Ein Marktforscher wird mit den spöttischen Worten zitiert, Apple hätte ja gleich auch "Magic Kingdoms" als Bezeichnung wählen können - doch egal wie der Name laute, ein Apple Store könne niemals zu dem werden, was ein öffentlicher Platz erfülle.