Pro & Contra: Wenn Apple Funktionen kopiert und Drittanbieter-Apps obsolet macht
In früheren Jahren, als in iOS oder macOS (genauer gesagt Mac OS X und OS X) noch größere Funktionen fehlten, konnte man bei jeder Ankündigung Bingo spielen, welche Entwickler sich diesmal auf die Suche nach einer neuen App-Idee machen müssen. Oft ersetzten nämlich größere Features die Lösungen von Drittanbietern und wurden selbstverständlicher Bestandteil des Systems. Bei macOS 10.15 gibt es erneut einen solchen Fall.
"Sidecar" bietet Funktionalität, für die man sich früher gesonderte Software kaufen musste, nämlich die Verwendung des iPads als Zweitdisplay. Bekannte Vertreter sind Duet Display oder auch Luna Display. Gegen ein systemseitig vorhandenes Feature konkurrieren zu müssen, ist ein schwieriges Geschäft. Viele Nutzer kommen dann gar nicht mehr auf die Idee, sich bei Drittanbietern umzusehen. Die Gründer von Luna Display, Matt Ronge und Giovanni Donelli, haben sich jetzt zur neuen Marktsituation geäußert.
Luna reagiertIn einem
Blog-Beitrag heißt es, jeder habe sicherlich von Apples Ankündigung gehört. Auch Apple bewege sich nun im "Connected Workspace"-Revier, das man bei Luna so gut kenne. Man sei sehr enttäuscht, dass sich der Tech-Gigant einfach Funktionen von Bestseller-Apps zueigen mache und man bekomme mit, welche Macht Apple über Entwickler habe. Trotz allem könne man ankündigen: Luna werde ganz sicher nicht verschwinden. Wer lediglich geringe Anforderungen an die Funktionalität habe, werde wohl auch mit Sidecar glücklich. Für professionelle Arbeitsabläufe bedürfe es aber einer App, die auf Pro ausgerichtet sei – und hier habe Luna Display klar die Nase vorn.
Pro und Contra: Funktionen von Drittanbietern übernehmenBei aller Kritik am Vorgehen, durch neue Systemfunktionen bestimmte Apps obsolet zu machen, darf man aber auch einen Punkt nicht vergessen: Apple kann nicht auf neue Features im System verzichten, nur weil es bereits ähnliche Lösungen als (kostenpflichtige) Drittanbieter-Lösungen gibt. Zudem ist es für den Nutzer oft schlicht komfortabler, die vollintegrierte System-Funktion zu verwenden. Im Gegensatz zu Luna Display benötigt Sidecar beispielsweise keinen Hardware-Dongle. Wie so oft kopierte Apple auch nur die ganz grundsätzliche Funktionalität – und überlässt komplexere Einstellungen den Drittanbietern.
Auf der anderen Seite hat Apple aber auch eine Position, um per Fingerschnipp Anbieter aus dem Markt zu drängen – sei es, weil entsprechende Apps nicht mehr im Store akzeptiert werden, sei es durch Übernahme populärer Funktionen. Gerade in Hinblick auf aktuell laufende Monopol-Diskussionen muss sich Apple daher sehr genau überlegen, wie die funktionelle Weiterentwicklung von System und Apps laufen darf. Sobald die Kartellbehörden hellhörig werden, drohen weitreichende Konsequenzen.
Noch ein letzter Punkt zur Diskussion: Gerade die Weiterentwicklung von iOS war dadurch gezeichnet, dass in den Anfangsjahren massenhaft Features von Jailbreaks oder populärer Apps ins System kamen. Einerseits waren dies Kleinigkeiten wie die Taschenlampe, andererseits aber auch wichtige Änderungen wie ein (konfigurierbares) Control Center, Tastatur-Funktionen, Scannen von QR Codes, privates Browsen (erst mit iOS 5 war Safari so weit!), Night Shift, Low Power Mode, Akku-Statistiken, Dateiverwaltung – oder auch individuelle Hintergrundbilder (iOS 4), Videoausgabe, Hotspots (iOS 4) und Ordner. Kaum jemand würde heute sagen, das alles lieber Stück für Stück von Drittanbietern nachrüsten oder gar kaufen zu wollen.