Smartphones haben die Fotografie umgebracht - ein Blick auf die gewagte These
Als die Kameras in den ersten Smartphones noch einen unansehnlichen Pixelmatsch produzierten, galten jene Fotos kaum als ernstzunehmende Qualität. Egal wie gut das Motiv gewählt wurde, die stark limitierte Technik drückte einen zu starken Stempel auf. Selbige Diskussionen gab es übrigens, als die ersten Digitalkameras auf den Markt kamen und mit sehr ähnlicher Problematik zu kämpfen hatten. Wer sich heutzutage hingegen Smartphone-Fotos aktueller Geräte ansieht, reißt oft verwundert die Augen auf, was mit den Mini-Kameras alles möglich ist – natürlich eher dann, wenn die Bilder auf dem hell beleuchteten Display und nicht auf Papier erscheinen. Dem bekannten deutschen Regisseur und Fotograf Wim Wenders haben Smartphone-Fotos dennoch nichts mit Fotografie zu tun – und Fotografie sogar ins Grab gebracht.
Wenders: Warum Fotografie tot istWenders
begründet diese diskussionswürdigen Thesen mit mehreren Argumenten. Zunächst führt er an, das Problem an Smartphone-Fotos sei, dass diese keiner mehr ansehe. Sogar wer die Fotos selber schieße, schaue nicht mehr auf die Bilder – und entwickle diese schon gar nicht mehr auf Papier. Auch Filterfunktionen sieht Wenders als großes Übel an. Je weniger man zur Seite gestellt bekomme, desto kreativer müsse man sein. Einfache Optionen zum Bearbeiten oder Effekte und Filter stehen dem entgegen. Die dritte These lautet, Bildbearbeitung eliminiere angeblich den Grund, warum Fotografie überhaupt erfunden wurde. Anders als bei Gemälden sollen Fotos ein echtes Zeugnis der Welt ablegen. Dies sei hingegen mit den heutigen Möglichkeiten nicht mehr der Fall. In einem Wettbewerb bittet Wenders darum, ein neues Wort für das zu finden, das wie Fotografie aussehe, allerdings keine mehr sei. Fotografie sei zwar lebendig wie nie, denn jeder mache Fotos, allerdings auch so tot wie nie, so seine Überzeugung.
Kommentar: Warum Wenders beinahe alles übersiehtInsgesamt klingen Wenders Thesen wie eine Stimme aus längst vergangenen Zeiten – die komplett verallgemeinert und keine Facetten beachtet. Was er über Smartphone-Fotos sagt, trifft in größten Teilen auch auf Digitalkameras jeglicher Art zu. Einer der Vorteile heutiger Fotografie ist, nicht mehr Dias auszuschneiden oder stapelweise Fotos herumtragen zu müssen. "Fotografie" nur als das zu definieren, was in früheren Tagen von einer Elite an professionellen Fotografen verrichtet wurde, klingt zudem etwas überheblich. Duckface-Instagram-Selfies von Jugendlichen mit Aufnahmen über einen Kamm zu scheren, die alljährlich für die iPhone Photography Awards geschossen werden, zeugt von wenig differenzierter Ansicht.
Dass die heutigen technischen Möglichkeiten jedem erlauben, Tausende Fotos zu machen, heißt noch lange nicht, dass deswegen die Fotografie tot sei. Weiterhin gibt es diejenigen mit gutem Auge und fotografischem Talent – und solche, die sich mit Schnappschüssen begnügen und es für den Gipfel der Kreativität halten, eine Kamera bei Party-Fotos in allen erdenklichen Schräglagen zu halten. Daran hat sich in den letzten 30 Jahren gar nichts verändert, lediglich die Weitergabe und Veröffentlichung ist maßgeblich einfacher und billiger geworden. Was "Fotografie" ist, bleibt letztlich zudem eine Definitionsfrage. Fantastische Fotografen brachte auch das digitale Zeitalter hervor – ganz gleich, welches Equipment diese verwenden.