Japan: Das "Westeros" der Kameraindustrie. Fast alle heute noch bedeutsamen Kamerahersteller entstammen dem Land der aufgehenden Sonne und spielen das Spiel um den eisernen Thron des mächtigsten Players auf dem Feld der digitalen Bildaufzeichnung für Fotografie und Video. Canon, Nikon, Sony, Panasonic, Olympus, Fujifilm, Pentax…
In der ewigen Schlacht mit zahlreichen Haupt- und Nebenschauplätzen hat bislang Canon unangefochten den Thron besetzt, mit Nikon als ewigem Nebenbuhler. Doch in den vergangenen Jahren stieg mit Sony eine andere Macht immer weiter die Erfolgsleiter hinauf und verdrängte Nikon als zeitweise aussichtsreichsten Thronanwärter. Nikons Waffen sind stumpf geworden. Dank ihres großen Erfahrungsschatzes sind die ehemaligen DSLR-Helden zwar noch nicht endgültig vom Schlachtfeld verschwunden, mussten aber reichlich Federn lassen. So räumten die Nikonier erst kürzlich ihre Schmiede jenseits der großen Mauer (China). Ein Anzeichen von Schwäche? Auf kleineren Nebenschauplätzen (APS-C, Four Thirds…) gab es ebenfalls schon verlorene Schlachten und weitere Tummelplätze könnten bald in der Bedeutungslosigkeit verschwinden, während sich die Lage nahe des Throns zuzuspitzen scheint…
In der freien Wirtschaft abseits aller Fantasy- und realer Kriegsschauplätze nennt man solche Szenarien nüchtern "Marktkonsolidierung".
Das spannendste Battle tragen gerade Canon und Sony miteinander aus. Nachdem der langjährige und bislang auch noch unbesiegte Marktführer Canon eine längere Innovationsdurststrecke durchstehen und mit der EOS R5 und R6 erst kürzlich verlorenen Boden wieder gutmachen und neuen Schwung generieren konnte, schickt sich nun Sony mit der neuen Alpha 1 an, zumindest in technologischer Hinsicht die zeitweise bereits errungene Führung zurück zu erobern. Die
Sony Alpha 1 ist keine Mondbasis, aber eine beeindruckende spiegellose Systemkamera für Sport, News, Natur, Porträt und viele kommerzielle Anwendungen. Ein echter Tausendsassa. Aber ein kostspieliger. Satte 7.300 Euro verlangt Sony für den Body, wenn dieser im März in den Handel kommt. Das sind beinahe 3.000 Euro mehr, als der ursprüngliche Listenpreis der Canon EOS R5. Was hat die Alpha 1 dafür zu bieten?
Durchaus eine Menge. Aber nach Durchsicht der Specs scheinen die Vorteile der A1 nicht so riesig, wie der Preisunterschied vermuten ließe.
Die vollständige Beschreibung von Sony finden Sie
hier. Im Folgenden fasse ich nur die wichtigsten Features zusammen.
Äußerlich sind keine großen Neuerungen zu erkennen. Der Body der A1 ist nur für Kenner von denen bereits bekannter Sony DSLMs wie der
A7S III zu unterscheiden. Der brandneue Sensor der A1 hat mit 50 MP sogar eine geringere Auflösung als der in in der A7R IV verbaute, gegenüber dem bisherigen Topmodell A9 II aber gut doppelt so viele Bildpunkte. Das Ziel ist nicht allein maximale Auflösung, sondern vor allen hohe Auslesegeschwindigkeit. In diesem Punkt ist die A1 eineinhalb mal so schnell wie die A9 II, trotz deutlich höherer Auflösung. Geringerer Rolling Shutter, eine kurze Blitzsynchronzeit von 1/200s bei elektronischem Verschluss (1/400 bei mechanischem) sowie bis zu 30 Bilder pro Sekunde bei voller Auflösung mit 14 Bit sind das Ergebnis. Zumindest mit elektronischem Verschluss und damit dann auch ohne Sucher-Blackout. Mit mechanischem Verschluss sind 10 B/s das Maximum.
Neu für Sony ist die Einführung eines verlustfrei komprimierten RAW-Formates, womit 20-50% Speicherplatz pro Bild eingespart werden kann. In diesem Format allerdings "nur" noch mit max. 20 B/s.
Der zuvor schon hervorragende Autofokus wurde um automatische Augenerkennung für Vögel ergänzt. Dank der hohen Ausleserate des Sensors soll die Kamera 120 AE- und AF-Messungen pro Sekunde durchführen können, was zu einer entsprechend höheren Zuverlässigkeit führen dürfte. 759 Phasenmesspunkte verteilt über 92 % des Bildbereichs lassen sich auswählen.
Der elektronische Sucher arbeitet mit 0,9x Vergrößerung (bei 25 mm Eyepoint) und wie in der A7R IV mit 9,44 Mdots (2048 x 1536 Bildpunkte) bei bis zu 120 fps Bildwiederholrate. Es sind sogar 240 fps möglich, dann aber mit verringerter Auflösung (5,76 Mdots, 1600 x 1200). Tolle Auflösung, tolle Features. Da ist es umso unverständlicher, warum Sony beim rückseitigen Display ein lediglich rauf/runter klappbares 3“-Sparmodell mit nur 1,44 Mdots einsetzt. Sehr mysteriös.
Was Canon trotz seines beeindruckenden Sensor-Bildstabilisators verpasst hat zu integrieren, bringt die Sony A1 mit: einen Sensor-Shift Aufnahmemodus für Bilder mit bis zu 199 MP Auflösung. Diese in einigen Situationen sehr nützliche Funktion ist auch bei diversen anderen Anbietern wie Olympus zu finden. Canon hat hier Nachholbedarf. Allerdings hat die Sache einen Haken: Die Sensorshift-Aufnahmen müssen nachträglich in der externen Sony Bilbearbeitungssoftware zusammengesetzt werden, was die Sache weit weniger praxistauglich macht. Federn muss Sony außerdem bei der Effektivität lassen, da ihr IBIS (In Body Image Stabilizer) nur max. 5,5 Blendenstufen Wackelausgleich bietet. Canon schafft dank schnellerer Datenverbindung des R-Mount in Kombination mit IS-Objektiven bis zu 8 Stufen.
Natürlich will sich Sony auch im Videobereich nicht länger von Canon die Butter vom Brot nehmen lassen. Darum kann die A1 ebenfalls 8K-Video aufzeichnen. Um Überhitzungen zu vermeiden, ist im Gehäuse ein ähnliches passives Kühlsystem wie in der (videozentrischen) A7S III verbaut. So sollen – bei bestimmten Einstellungen – „mehr als 30 Minuten“ Aufnahme am Stück in 8K möglich sein, anhängig von der Umgebungstemperatur. Länger als die R5 mit aktueller Firmware schafft, aber auch nicht für Daueraufzeichnungen geeignet. Die gesamten Videofeatures der A1 sind aber durchaus beeindruckend. Eine vollständige Übersicht entnehmen Sie bitte der
Sony-Webseite.
FazitJa, Sony ist in Sachen Performance und Featuritis wieder in Führung vor Canon gegangen. Die Alpha 1 ist in vielerlei Hinsicht eine beeindruckende Kamera. Aber nicht so sehr, um bei dem geforderten Preis von 7.300 Euro in Jubelstürme auszubrechen. Für andere Gegenspieler wird es indes immer schwerer, im Kampf um den eisernen Thron mitzumischen.