Stiefmütterlich behandelte Produktlinien wegen Diversifizierung?In den letzten Jahren finden sich immer mehr Produktleichen in Apples Sortiment - der aktuelle Mac Pro stammt aus dem Jahr 2013 und der Mac mini wurde schon seit fast vier Jahren nicht mehr aktualisiert. Besonders im Mac-Bereich wurden die Aktualisierungs-Zyklen deutlich länger. In Foren, auf Facebook und sonstigen sozialen Plattformen ist daher zu lesen, dass Apple sich mehr und mehr verzettele und den Fokus verliere. User machen ihrem Ärger Luft, dass Apple lieber Fehler beseitigen, einen neuen Mac mini auf den Markt werfen oder sich auf den ursprünglichen Kern der Marke konzentrieren solle.
Wie viel „Reibungsverluste“ innerhalb des Konzerns durch die breite Aufstellung von Apple entstehen, ist fraglich: Natürlich beeinträchtigt die Entwicklung von Apple Music beispielsweise die Aktualisierung eines Macs oder die Entwicklung eines neuen iPhones kaum. Aber auch Apple wird intern, wie in fast jedem Unternehmen, Entwickler und Forscher zwischen verschiedenen Teams hin- und herwechseln, je nachdem, wo gerade die meiste Arbeit anfällt.
Auf welche Entwicklung Apple sich konzentriert, wird intern wahrscheinlich durch diverse Merkmale wie dem erwartetem Umsatz, der Bedeutung im Apple-Ökosystem und den Marktchancen festgemacht. Da auch Apples interne Ressourcen trotz der großen Finanzmittel begrenzt sind, kann dies natürlich dazu führen, dass einzelne Produkte längere Zeit ohne Aktualisierungen liegen bleiben - häufig, da diese für Umsatz und das Apple-Ökosystem als Ganzes zu unbedeutend sind. Schaut man sich zum Beispiel den letzten verbliebenen iPod an, wurde dieser vor drei Jahren das letzte Mal mit frischer Hardware ausgestattet. Da der iPod fast vollständig vom iPhone und sonstigen Smartphones verdrängt wurde, hat Apple kaum Interesse, teure Entwicklungsresourcen in eine sterbende Produktkategorie zu investieren.
Hardware-Spezifikationen nicht mehr das Haupt-EntscheidungskriteriumViele langjährige Apple-Fans sehnen sich nach der Zeit vor 15 bis 20 Jahren zurück: Jede 6-9 Monate wurden aktualisierte Macs vorgestellt und man konnte sich über etwas mehr Arbeitsspeicher, leicht gesteigerte Taktfrequenz oder mehr Festplattenplatz freuen. Damals war dies auch bitter notwendig, da jede kleine Performance-Steigerung das Arbeiten mit dem Mac komfortabler machte.
Heutzutage ist jedes im Portfolio befindliches Produkt für fast alle Aufgaben ausreichend schnell: 100 Megahertz mehr führen nicht mehr zu Begeisterungsstürmen der Anwenderschaft, da bei dies bei der Nutzung eines Computers kaum mehr ins Gewicht fällt. Apple gelangte intern wohl deshalb zu dem Schluss, dass Entwicklungsresourcen besser in der Entwicklung maßgeblicher Aktualisierungen oder neuer Produktkategorien angelegt sind, als in stetigen kleinen Updates der Hardware-Spezifikationen mit geringem Vorteil für den Kunden.
Nur mit Macs - hätte Apple überlebt?Aber was wäre gewesen, wenn Apple ein Computer-Hersteller geblieben wäre? Wenn Apple damalig keinen iPod, iTunes Music Store oder iPhone auf den Markt gebracht hätte? Apples wichtiges Kapital ist heute das Öko-System, die nahtlose Zusammenarbeit über Gerätegrenzen hinweg. Ohne iPhone und iPad wäre es hierzu nie gekommen und ohne den „Halo-Effekt“ des iPods hätte Apple Mitte der 2000er nie so viele Macs an den Mann gebracht.
Apple wäre mit Sicherheit heute ein ganz anderes Unternehmen - und wahrscheinlich nicht konkurrenzfähig. Viele Mac-Nutzer sind erst durch den iPod, das iPhone oder das iPad überhaupt beim Mac gelandet und bescherten Apple so gleich doppelt Umsatz, der auch in die Fortentwicklung des Macs und macOS geflossen ist. Geht man einmal davon aus, dass Apple ohne die Diversifizierung des Konzerns weniger Entwicklungsbudget für Hardware, Software und Dienste gehabt hätte, stünde der Mac heute deutlich schlechter da - und eins der Hauptkaufargumente, nämlich das Öko-System, würde vollständig fehlen.
Da auch für Heimkunden der Computer an sich durch Smartphone und Tablet im Vergleich zu vor 20 Jahren an Bedeutung verloren hat, wäre Apple ohne weitere Angebote nicht überlebensfähig - zu stark profitiert der Mac von den weiteren Produktsparten.
FazitDurch die Diversifizierung bei Apple treten manche Produktlinien, wie zum Beispiel der iPod touch oder Mac mini, in den Hintergrund. Natürlich ist dies ärgerlich für potentielle Kunden, die auf erneuerte Produkte warten und Käufe verschieben müssen.
Aus wirtschaftlicher Sicht hat Apple bisher alles richtig gemacht: Fast auf jeder Quartalskonferenz werden Rekorde vermeldet, das Unternehmen ist das wertvollste der Welt und verfügt über Barreserven, die den Konzern sehr krisensicher machen und strategische Übernahmen ermöglichen.
Geht man davon aus, dass die fehlenden Produktupdates nicht auf völligen Unwillen, sondern zu Teilen auf die breite Aufstellung des Unternehmens zurückgehen, muss Apple hier vorsichtig agieren: Selbst wenn ein Mac Pro, iPod touch oder AirPort-Stationen nur extrem wenig Kunden ansprechen, ist der Schaden von fehlenden Aktualisierungen immens: Apple könnte durch eine Vernachlässigung den guten Namen als technologisch führendes Unternehmen riskieren, wenn die Stimmung in der Community kippt.
Auf der anderen Seite ist eine noch breitere Aufstellung von Apple kaum zu vermeiden: Beim Mac, iPad und iPhone hat Apple langsam eine komplette Marktsättigung erreicht. In all diesem Bereichen dominiert Apple bereits das hochpreisige Segment und es ist nicht zu erwarten, dass Apple in günstigere Marktsegmente einsteigt. Momentan befindet sich Apple in der komfortablen Lage, dass der Apple-Kosmos durch immer weitere Produktkategorien erweitert werden kann, ohne Konkurrenz von Drittherstellern fürchten zu müssen - welche keinen Zugang zum Apple-eigenen Öko-System haben.
Diversifizierung bedeutet aber auch Risiko-Diversifizierung. Wenn die Geschichte von Nokia eins lehrt, dann dass auch große Märkte durch technische Revolutionen innerhalb von kürzester Zeit obsolet werden können. Je weitreichender sich Apple aufstellt, desto weniger fällt der Tod einer Produktkategorie ins Gewicht und desto zukunftssicherer ist das Unternehmen als Ganzes aufgestellt.