Apple Watch 6 Edition Titanium – Kleine MaterialkundeMaterialart und -Anmutung spielt bei Armbanduhren stets eine große Rolle. Schließlich sind Uhren seit über 100 Jahren immer auch zu einem gewissen Grad Schmuckartikel gewesen. Da herrschen etwas andere Gesetze, als bei reinen „Alltagswerkzeugen", wie dem iPhone. Natürlich spielt auch dort das Design eine wichtige Rolle, doch Smartphones sind weit weniger als Schmuckartikel einzustufen.
Apple hat in der Zwischenzeit schon diverse Materialien für die Watch-Gehäuse und Armbänder durchprobiert. Aluminium und Edelstahl sind in allen Generationen dabei gewesen. Alu ist leicht, ausreichend stabil und günstig, Edelstahl gehört seit jeher zu den Standardmaterialien für Uhrengehäuse. Auch eine Massivgoldversion gab es kurzfristig, was aber wohl nur als Versuch galt, um gewisse Luxus-Kreise anzusprechen und bei diesen einen Fuß in die Tür zu bekommen. Zweifellos wird eine Smartwatch niemals eine so lange Lebenspanne haben, um als (noch funktionierendes) Zeitanzeige-Instrument mit Werterhalt über Generationen weiter vererbt zu werden.
Etwas exotischer, aber in der Welt der Armbanduhren auch schon sehr lange genutzt, sind Titan und Keramik. Mal abgesehen von massivem Gold, das als sehr wertvolles aber nicht besonders hartes Edelmetall eine Sonderrolle einnimmt, haben alle genannten Materialien besondere Eigenschaften, die sie für den Einsatz in Uhrengehäusen (und teilweise auch Armbändern) prädestinieren.
Bevor ich ein paar der wesentlichsten Eigenschaften beschreibe, hier noch kurz der Hinweis, dass es sich bei den in Uhren verwendeten Metallen meist nicht um „reine“ Materialien sondern Legierungen und Mischungen handelt. So ist „Edelstahl“ auch nur ein Werkstoff-Oberbegriff für zahlreiche Varianten und zusätzlich können Oberflächenbeschichtungen die Eigenschaften verbessern bzw. verändern.
Aluminium:Wie bereits erwähnt, liegt der Hauptvorteil von Aluminium in einem sehr günstigen Kosten/Nutzen-Verhältnis. Aluminiumwerkstoffe bieten viele Freiheiten in der Formgebung. Es lässt sich gießen, walzen, schmieden und pressen. Außerdem kann Aluminium nahezu vollständig recycelt werden. Mit einer Dichte von 2,7 g/cm³ ist es zudem sehr leicht, weshalb es auch im Flug- und Fahrzeugbau eine große Rolle spielt. Allerdings ist (unbehandeltes) Aluminium vergleichsweise weich (Brinellhärte 20 HB) und bietet eine Zugfestigkeit von 50 MPa (Megapascal). Aluminium ist
paramagnetisch.
Edelstahl:Wie schon gesagt ist Edelstahl ein Werkstoff-Oberbegriff. Das „Edel“ im Namen deutet auf einen hohen Reinheitsgrad des Stahls hin. Je nach Legierung und Fertigung gibt es ein weites Spektrum an Materialeigenschaften. Uhrengehäuse in Edelstahl sind aber in der Regel deutlich Härter als Aluminiumgehäuse. (Dass einige Tester dem Alu-Gehäuse der Watch bessere Kratzfestigkeit als Edelstahl attestiert haben, ist auf andere Faktoren wie Art der Beschichtung und Oberflächenbehandlung zurückzuführen. Beispiel: Eine blank polierte Edelstahl-Oberfläche lässt winzige Kratzer leichter sichtbar werden als eine gehärtete, matte Alu-Oberfläche.)
Edelstahl ist der KlassikerZu Vorteilen von Edelstahl gehört neben seiner recht hohen Härte, dass es sich gut verarbeiten lässt, in großen Mengen verfügbar und langlebig ist, was es auch für den Einsatz in Maschinen prädestiniert. Edelstahl ist jedoch mit etwa 8 g/cm³ recht schwer.
Titan:Titan besitzt eine besonders attraktive Kombination aus den Eigenschaften geringe Dichte (4,51 g/cm³; es ist aber das schwerste aller Leichtmetalle), hohe Zugfestigkeit (250 MPa) und Härte (120 HB) und ausgezeichneter Korrosionsbeständigkeit. Es ist nur etwa halb so schwer wie Edelstahl, dabei aber mindestens genauso kratzfest. Titan ist zudem ungiftig und antiallergen, weshalb es auch gerne in der Medizin und für Implantate genutzt wird. Ebenfalls sehr vorteilhaft beim Einsatz als Uhrenmaterial ist seine geringe thermische Leitfähigkeit. Dadurch fühlt sich das Metall recht warm an im Vergleich zu Alu und Stahl. Titan ist wie Aluminium paramagnetisch. Die Nachteile von Titan sind hauptsächlich kostenrelevant, denn es ist schwer zu verarbeiten.
Keramik:Wie Edelstahl handelt es sich hierbei nur um einen sehr weitläufigen Überbegriff. Keramische Werkstoffe unterteilen sich in Silicatkeramik (z. B. Porzellan), Oxidkeramik und Nichtoxidkeramik. Keramik eignet sich für Uhrengehäuse im Prinzip von allen Materialien am Besten, denn es besitzt thermomechanische Eigenschaften mit geringen Dichte (mit ca. 6 g/cm³ etwas schwerer als Titan), ist noch härter und kratzfester als Titan, ebenso ungiftig und antiallergen, vollständig antimagnetisch und sehr Hitzebeständig.
Zu den Nachteilen gehört – wie bei allen sehr harten Materialien – eine gewisse Brüchigkeit und somit Empfindlichkeit bei starken Stößen.
Uhren mit Keramikgehäusen sind nicht neu. Apples erster Gehversuch in dieser Richtung ist inzwischen nicht mehr im Programm, war jedoch aus ästhetischer Sicht auch nicht sehr gelungen, weil das Weiß zu sehr nach Waschbeckenkeramik aussah. Dabei ist es durchaus möglich, Keramik auch andere, attraktivere optische Eigenschaften zu verleihen. Sogar ein metallischer Look ist möglich. Ich empfehle dazu
diesen Beitrag auf ablogtowatch.com. Vermutlich wird es nicht Apples erster und letzter Ausflug in die Welt der Keramik gewesen sein.
Im derzeitigen Angebot von Aluminium, Edelstahl und Titangehäusen ist das Materialgewicht eine der am einfachsten für den Endverbraucher zu klassifizierenden Eigenschaften. Hier ein paar Gewichtsvergleiche (überwiegend basierend auf Herstellerangaben) der Series-6-Modellvarianten:
Apple Watch Series 6 Aluminium* 30,5 g (40 mm)
* 36,5 g (44 mm)
Apple Watch Series 6 Edelstahl* 39,7 g (40 mm)
* 47,1 g (44 mm)
Apple Watch Series 6 Titan* 34,6 g (40 mm)
* 41,3 g (44 mm) – nach meiner Waage 41,86 g
Dass die Titan-Version nicht ganz so leicht wie die Alu-Variante ist, liegt auch daran, weil sie mit einem Saphirglas ausgestattet ist, das deutlich schwerer als das Ion-X-Glas der Alu-Variante ist. Dennoch ist die Titan wunderbar leicht und dadurch komfortabel zu tragen. Insbesondere in Verbindung mit dem geflochtenen Solo Loop (in Länge 8), mit dem sie insgesamt nur 53 g auf die Waage bringt.
Eigenschaften Saphirglas vs. Ion-X Glas:Ion-X ist leichter (67%), billiger und flexibler (biegsamer, bricht/springt nicht so leicht) als Saphirglas. Dafür ist Saphirglas nochmals unempfindlicher gegen Kratzer, dank Härtegrad 9 (Diamant = 10). In der Summe aller Eigenschaften, könnte man zu dem Schluss kommen, dass Ion-X eigentlich die bessere Variante ist. Doch in der Praxis überzeugt die Kratzfestigkeit von Saphirglas doch ungemein. Meine inzwischen fünfeinhalb Jahre alte „Series 0“ hat am Edelstahlgehäuse mittlerweile so einige feine Kratzer. Das Saphirglas ist, trotz einiger mittelschwerer Zusammenstöße mit Tischkanten, Türgriffen etc., nach wie vor absolut frei von Sprüngen, Macken und Kratzern. Da Apple dem Kunden nicht die Wahl lässt, bestimmte Gehäusevarianten mit dem Glas seiner Wahl zu konfigurieren, ist die Diskussion aber ohnehin müßig. Wer eine andere als die Alu-Variante kauft – bei der Series 6 also Edelstahl oder Titan – bekommt Saphirglas. Ende.