P9 Signature: Praxis und KlangKnapp 410 g bringt der P9 ohne Kabel auf meine Briefwaage. Das ist nicht wenig, für Kopfhörer dieser Klasse aber auch nicht ungewöhnlich schwer. Der anfangs genannte Audeze EL-8 Titanium wiegt noch mal rund 100 g mehr und trägt sich auch noch sehr komfortabel. Wenn der Sitz auf dem Kopf stimmt, stören ein paar Gramm mehr oder weniger in der Regel nicht. Nur, je höher die Masse, desto unsicherer wird der Sitz, wenn man den Kopf vor- oder zurück neigt. Damit er dabei nicht vom Kopf rutscht, muss er relativ stramm sitzen, was beim P9 der Fall ist. Aber seine mit großer Auflagefläche versehenen und weich gepolsterten Ohrkissen bieten trotzdem einen ausgezeichneten und vor allem langzeittauglichen Tragekomfort.
Wie für geschlossene Kopfhörer typisch, isoliert der P9 recht effizient vor Außenschall. Aber er schneidet damit auch seinen Träger akustisch von der Außenwelt ab, was immer zu einem gewissen Gefühl der „Bedrückung“ führt. – Überspitzt ausgedrückt. Wenigstens erzeugen gute ohrumschließende Kopfhörer wie der P9 nicht so ein klaustrophobisches Gefühl wie die meisten In-Ears. Dennoch bevorzuge ich auch weiterhin Kopfhörer offener oder halboffener Bauart, die aber weniger reisetauglich sind. Entscheiden bei geschlossenen Kopfhörern ist, wie gut sie dem Hörer mit ihrem Klang Offenheit und Luftigkeit suggerieren können. Und das gelingt dem P9 durchaus sehr gut.
Wie eingangs erwähnt, hatte ich für den Test nur ein paar Tage Zeit. Wie üblich müssen neue Kopfhörer aber erst mal anständig eingespielt werden, bis sie ihr volles klangliches Potential erreichen. Daher habe ich den P9 am ersten Tag erst mal bei mittlerer bis gehobener Lautstärke für sich allein auf dem Tisch vor sich hin dudeln lassen, bevor ich ihn mir am nächsten Tag für erste Klangeindrücke aufgesetzt habe.
Zum Vergleich traten der kleinere und inzwischen von 400 auf rund 350 Euro im Preis gesenkte B&W P7 an, dazu der rund 500 Euro teure Sonus faber PRYMA, und als klanglicher Maßstab der nicht ganz vergleichbare (weil halb offene) beyerdynamic T1, meine Referenz. Als Front-End diente mir der letzte Woche
ausführlich getestete Auralic ALTAIR, bzw. dessen Kopfhörerausgang, der sich klanglich mit guten Kopfhörerverstärkern im Bereich bis ca. 500 Euro messen kann. Der darin verbaute DAC reicht hingegen locker in die absolute Spitzenklasse.
Zwei Dinge waren schnell klar. Erstens – der leicht ernüchternde Teil: B&W kocht auch nur mit Wasser. (Doch!) Zweitens – der erfreuliche Part: In seiner Preisklasse und für einen geschlossenen Kopfhörer kann er bequem mit etablierter Konkurrenz mithalten.
Soll heißen: Mit dem P9 tun sich zwar keine nie gekannten klanglichen Sphären für geschlossene, dynamische Kopfhörer auf, aber er macht seine Sache dennoch ganz hervorragend. Bei Kopfhörern ist vieles – mehr noch als bei Lautsprechern – eine Frage des Klangcharakters und der persönlichen klanglichen Vorlieben. Daher lassen Sie mich versuchen, den Charakter des P9 erst mal grob einzuordnen.
Wer bereits den B&W P7 kennt und schätzt, wird sich mit dem P9 sofort wie zuhause fühlen. Nur, dass das neue Zuhause irgendwie noch eine Nummer größer, schöner und luxuriöser geworden ist. Der P9 ist ganz eindeutig ein ordentlicher „Step-Up“ vom Klang des P7. Vor allem bei den Klangfarben in den Mitten und mit seinem erweiterten und noch stimmigeren Bassbereich punktet der P9. Schon ein kurzes Reinhören reicht, um diesen Fortschritt wahrzunehmen und doch die Familienzugehörigkeit zu erkennen.
Ganz anders der Vergleich zum immerhin noch rund 400 Euro günstigeren Sonus faber PRYMA. Dieser entpuppt sich als weitaus schwierigerer Gegner, der aber eine deutlich andere Abstimmung aufweist. Im Vergleich gefällt mir der P9 vor allem in Sachen Verfärbungsfreiheit und Dynamik noch eine Spur besser, als der PRYMA. Der wiederum kontert mit für meinen Geschmack etwas exakteren, knackigeren, aber keineswegs weniger satten Bässen. Im schnellen hin-und-her-Vergleich fällt es mir schwer, hier einen eindeutigen Favoriten zu wählen, aber nach und nach bleibt doch der P9 immer länger auf meinem Kopf. Er wirkt einfach ein kleines aber entscheidendes bisschen authentischer, was sich – wiederum etwas überspitzt ausgedrückt – beim PRYMA als „Topfigkeit“ beschreiben lässt. Seine Klangfarben sind gegenüber denen des P9 nicht so naturgetreu. Für den großen Preisunterschied schlägt sich der PRYMA allerdings ganz beachtlich gegen den P9, was mein Testurteil des PRYMA noch mal bestätigt.
Bleibt am Ende noch der Vergleich mit meiner Kopfhörer-Referenz, dem T1 (2. Generation;
siehe Testbericht). Wie schon angemerkt lassen sich der T 1 und der P9 nicht so ohne weiteres miteinander vergleichen, da sie unterschiedliche Bauweisen haben (geschlossen im P9 vs. halboffen im T 1). Dadurch ergeben sich sehr unterschiedliche Grundcharaktere. Nichtsdestotrotz dient mir der T 1 bei allen Kopfhörertests, egal welcher Preisklasse und Bauart, als Maßstab zur Orientierung. Und auch in diesem Vergleich zeigt sich, dass der P9 sich nicht aus den Fesseln des geschlossenen Prinzips befreien kann. Gegen den T 1 wirkt er weniger luftig, spritzig und nicht so fein auflösend. Und im Bass bietet der P9 nicht dieselbe Präzision. Was ihm hingegen – Prinzip bedingt – zum Vorteil gereicht, ist der durch die geschlossene Bauweise und eine bewusste leichte Betonung viel sattere und prominentere Bass. Ganz anders als viele Billigkopfhörer, die im Bass einfach nur wie Steroid-gedopte Bodybuilder aufgepumpt sind, ist die Bassbetonung des P9 aber sehr harmonisch ins Gesamtklangbild integriert. Er wirkt also nicht zu fett oder basslastig.
Wie schon der PRYMA besticht auch der P9 mit seiner Resonanzarmut. Die Bedämpfungs- und Entkopplungsmaßnahmen am P9 zeigen ihre Wirkung, indem das Klangbild sich stets gut abzulösen scheint. Gute Resonanzkontrolle ist bei Kopfhörern wie bei Lautsprechern das A und O, um artifiziellen Sound zu vermeiden. B&W hat diese Aufgabe im P9 sehr gut gemeistert.