Ich komme gleich zur Sache: Die in den letzten Wochen quer durchs Internet gerollte Video-Thematik um überhitzende EOS R5 und R6 Kameras spielt in diesem Bericht keine Rolle. Hier geht es um Fotografie.
Ich filme nicht. – Oder nur gelegentlich. Meine Fähigkeiten auf diesem Gebiet sind zu begrenzt, als dass ich dafür eine High-End-Systemkamera bräuchte. Da reicht mir auch ein iPhone.
KompaktArt | | Vollformat Systemkamera |
Empf. Preis (€) | | 2.631 (Body) |
Davon abgesehen ist der Quasi-Shitstorm um die Überhitzungsthematik meiner Ansicht nach total überzogen. Wie sich nach zahllosen Intensivtests von Videobloggern herausgestellt hat, überhitzen Canons neue Kameras mit ihren sehr anspruchsvollen Video-Features nicht schneller als andere, halten teilweise sogar noch länger durch. Auf jeden Fall genau so lange, wie Canon es propagiert hat. Was viel eher ein Problem für Langzeitfilmer sein könnte, sind die (teils Firmware-bedingten) langen Abkühlzeiten, und die Tatsache, dass auch Fotografieren die verbleibende Zeit für Videoaufnahmen verkürzt. Aber wer eine 4K oder 8K-Kamera zum Daueraufzeichnen sucht, sollte sich ohnehin besser bei speziellen Videokameras mit aktiver Kühlung umsehen (wie die kommende Canon EOS Cinema 8K), anstatt bei Hybrid-Kameras mit Foto-Priorität, wie der R5 und R6.
Und das war dann auch mein Senf zu dem Thema. Kommen wir lieber zu den fotografischen Eigenschaften. Die zahlreichen Einzelfeatures der Kamera werde ich hier ebenfalls nicht bis ins Letzte aufdröseln. Das haben andere bereits bis zum Abwinken erledigt. Viel mehr möchte ich mich hier auf das Pro und Kontra zwischen R5/R6 konzentrieren, sowie auf erwähnenswerte praktische Erfahrungen.
Warum die R6 und nicht die R5?Bei
Vorstellung der beiden neuen Canon-Kameras und nach eingehender Betrachtung der technischen Eigenschaften, kam ich zu dem Schluss, mir lieber die R6 statt das Spitzenmodell R5 näher anzusehen. Nach etwa zwei Wochen intensiver Nutzung bin ich mir sicher, dass dies die richtige Entscheidung war. Gegenüber früheren Modell-Abgrenzungen im Canon SLR-Segment gibt es zwischen den neuen spiegellosen Modellen nämlich weit weniger Kompromisse in der R6 zu erdulden, wenn es um mechanische und funktionale Eigenschaften geht.
Dazu ein paar Fakten: Die EOS R5 – das Topmodell – kostet mit 4.385 Euro 1.754 Euro mehr als die R6 (2.631 Euro). Für diesen nicht unerheblichen Mehrpreis bietet die R5 tatsächlich auch einiges mehr, aber der geneigte Fotograf sollte sich sehr genau überlegen, ob er dieses Geld nicht lieber in schöne zusätzliche Objektive investiert.
Vor- und Nachteile der R5 ggü. R6Für die R5 spricht:
+ 8K@30 fps RAW Video (ohne Crop, RAW, 10-bit 4:2:2 C-log oder HDR PQ, interne Aufzeichnung)
+ 4K bis 120 fps
+ 45 MP ggü. 20 MP
+ Statusdisplay statt einfachem Modusrad an der R6
+ Höher auflösender Sucher und Display
+ Display etwas größer
+ Etwas bessere Abdichtungen
+ Gehäuse mit mehr Magnesium-Anteil
+ Verschluss ausgelegt für 500k vs. 300k Auslöungen
+ 2,4 und 5 GHz WiFi (R6 nur mit 2,4 GHz)
+ Dual Pixel RAW nur in R5
Bezüglich der Sensorauflösung muss jeder Fotograf für sich selbst entscheiden, was tatsächlich benötigt wird. Aus meiner Sicht sind 45 MP nur aus zwei Gründen erwägenswert: Erstens für mehr Crop-Reserven, zweitens für besonders große Ausdrucke. Was die Crop-Möglichkeiten angeht, ist mein Standpunkt, für den richtigen Bildausschnitt lieber mit der richtigen Brennweite und mit den Füßen bzw. dem Zoom zu arbeiten, anstatt einen großen Ausschnitt aufs Bild zu bannen und anschließen auf die gewünschten Details zu croppen. Klar, hin und wieder sind große Crop-Reserven äußerst praktisch. Aber dafür jedes Foto mit unnötig vielen Pixeln aufzeichnen und damit die Festplatten zumüllen? Muss nicht sein. Auch riesige Hi-Res-Ausdrucke benötige ich so gut wie nie. Für gelegentliche A3+ Prints reichen auch 20 MP locker aus. (8K Video ist für mich erst recht kein Thema.)
Die Hardware-Vorteile (Display, Sucher, Gehäuse etc.) sind aus meiner Perspektive ebenfalls kein Grund zur R5 zu greifen. Der 3,68 M-dot Sucher der R6 (R5=5,76 M-dot) ist alles andere als schlecht und bietet ebenfalls eine 120 Hz Bildwiederholfrequenz für flüssige Schwenks und bewegte Motive. Ähnliches gilt für das etwas geringer aufgelöste Klapp/Schwenk-Display. Alle anderen technischen Vorteile der R5 reichen auch nicht aus, um die Mehrkosten komplett zu rechtfertigen. Zumal damit auch echte Nachteile einher gehen:
Gegen die R5 spricht:– ca. 1.750€ teurer
– 1 CFexpress-Slot statt 2x SD UHS-II (schnell aber teuer; evtl. extra Reader erforderlich, kein einheitliches Kartenformat)
– ISO eine Stufe schlechter als R6
– LowLight-Fokus -6EV (R6 = -6.5EV)
– R5 etwas schwerer als R6 (738g vs. 680g)
– R5 mit geringerer Akku-Ausdauer (320 vs. 380 in R6, mit VF)
– erheblich größerer Speicherbedarf
Ich betone noch mal, dass jeder selbst die Vor- und Nachteile für sich abwägen muss, weshalb ich hier natürlich nicht für die Allgemeinheit spreche. Doch aus meiner Sicht ist die R6 (Video komplett beiseite) definitiv die bessere Wahl.