Test: Canon EOS R6 – Die vielleicht vernünftigste High-End Fotokamera der Welt (und die bessere R5)
Canon EOS R6: Die Hardware im FokusEtwa zwei Wochen sind kaum ausreichend, um alle Aspekte einer so komplexen Kamera vollständig kennen zu lernen. Ich hatte in dieser Zeit zumindest ausgiebig Gelegenheit, die R6 in verschiedenen Aufnahmesituationen sehr intensiv auf die Probe zu stellen. Dazu gehörten neben „touristischer“ Nutzung (Architektur, Landschaften…) auch Low-Light-Situationen und äußerst anspruchsvolle Action/Tierfotografie (z. B. Vögel im Flug), sowie Personen/Portrait-Fotografie.
An Objektiven standen mir bislang nur zwei bereits gut bekannte Kandidaten zur Verfügung, die ich schon während des Tests der
EOS R bzw.
RP kennen und schätzen lernte: Das beinahe unverzichtbare
RF 24-105mm f/4 L IS USM (1.199 Euro) und das für den Preis fantastische
RF 35mm f/1.8 Macro IS STM – (549 Euro).
RF 24-105mm f/4 L IS USMZunächst zu den mechanischen und haptischen Eigenschaften der R6. Schon die EOS R und RP gaben kaum Anlass zur Kritik, wenn es um Verarbeitung, Anfassqualität und Handling ging. Die R6 übertrifft beide in dieser Hinsicht. Zwar mag das Gehäuse nicht ganz das wuchtige Gefühl einer „1er“-EOS vermitteln, doch es liegt sehr nahe an dem, was beispielsweise eine EOS 5D SLR bot. Das teilweise aus Megnesium gefertigte Gehäuse hat eine Canon-typisch exzellente Ergonomie. Insbesondere auch da, wo die Vorgänger R und RP ihre Schwächen hatten. Zum Glück wurde die seltsame und wenig praktische Multifunktionsleiste (Multi Function Bar) der EOS R schnell wieder ad acta gelegt. Stattdessen besonn sich Canon auf altbewährte Stärken und hat der R6 wieder ein Daumenrad spendiert. Zusätzlich mit den ausgezeichnet positionierten Tasten und dem Thumbstick plus AF-ON-Taste im Daumenbereich übertrifft die R6 in Sachen Ergonomie damit auch deutlich meine rund sieben Jahre genutzte Kamera, die Olympus OM-D E-M1, sowie andere zwischenzeitlich getestete Kameras verschiedener Hersteller.
Das RF 35mm f/1.8 Macro IS STM mit seinem sehr großen rückseitigen Linsenelement.Beim Benutzerinterface mit touch-emplindlichem Display war Canon der Konkurrenz schon viele Jahre voraus. Bereits die ersten EOS-M-Modelle (2012) boten diesbezüglich ein sehr vollständiges Gesamtkonzept. Andere (wie z. B. Olympus) haben zwar auch schon lange Touch-Displays im Einsatz, doch ohne damit sämtliche Funktionen oder Menüpunkte steuern zu können. Erst so langsam ziehen mache Hersteller auf diesem Gebiet nach (Sony).
Die R6 erlaubt die komplette Steuerung und Zugriff auf alle Menüfunktionen per Touch. Und sämtliche Wiedergabe- oder Menüansichten sind wahlweise auch 1:1 im Sucher zu sehen. Auch das ist bei manchem Konkurrenten noch keine Selbstverständlichkeit.
Ein wirklich gutes Zeichen dafür, wie sinnvoll und gut durchdacht Canon alle Tastenfunktionen ausgelegt hat: Nie zuvor hatte ich eine Kamera, bei der ich so wenig den Wunsch verspürte, die Tasten weitreichend umzukonfigurieren. Bis auf ein paar Kleinigkeiten entspricht die vom Werk gewählte Tasten-/Radbelegung exakt meinen fotografischen Wünschen. Nichtsdestotrotz lässt sich die Kamera natürlich weitreichend individualisieren. In diesem Punkt steht sie den – diesbezüglich bis dato führenden – Olympus-Kameras nicht nach.
Schön ist auch, dass Canon bei den zwei SD-Card-Slots in der R6 keine Kompromisse macht. Beide sind UHS-II-kompatibel und bieten damit bestmögliche Geschwindigkeit für heutige SD-Karten. Der Verzicht auf einen CFexpress-Slot, wie in der R5, ist für fotografische Zwecke sogar von Vorteil. Die Performance guter (und vergleichsweise günstiger) UHS-II-SD-Karten reicht völlig aus, um damit Serienbilder bis zum Abwinken zu schießen. Der Buffer reicht bei RAW-Aufzeichnung auf beiden Karten gleichzeitig und bei 20 fps für etwa 165 Bilder. Bei 12 fps sogar für fast 2.000 Aufnahmen. Bei JPEG ist nur die Kartengröße das Limit. Mal abgesehen davon, das solche Werte wohl nur noch rein akademischer Natur sind, zahlt sich hier auch der geringere Megapixel-Count gegenüber der R5 aus, die wegen ihrer großen Datenmengen nicht ganz so viele Bilder in schneller Folge schafft.
Alles in allem begeistert die EOS R6 mit einer rundum gelungenen fotografischen Performance und Ergonomie. Natürlich gibt es bei einem so komplexen System mit derart vielen Features immer noch etwas zu verbessern, aber Canon hat hier eine wirklich ausgewogene und für alle fotografischen Zwecke hervorragende Kamera geschaffen, die NICHT das Spitzenmodell des Herstellers darstellt.