Test Canon EOS RP: Die ideale Kamera für den Vollformat-Einstieg? Rewind verrät die Vor- und Nachteile
Die Canon EOS RP in der FotopraxisKommen wir zur Kamera selbst: Gehäusequalität und Ergonomie geben keinen Anlass zur Kritik. Zwar muss die RP auf Wetterabdichtungen verzichten und muss auch sonst auf einige Merkmale hochpreisigerer Modell verzichten, aber das Gehäuse fühlt sich sehr solide und Vertrauen erweckend an. In meiner mehrwöchigen Praxis kam es jedoch zu Situationen, in denen ich beispielsweise eine Verriegelung des Modus-Wahlrades vermisst habe. – Das Daumenrad hat einen Lock-Switch, warum nicht auch das Modus-Rad? Der ebenfalls runde On/Off-Schalter ist haptisch für meinen Geschmack längst nicht so angenehm, wie ein gut Hebel (siehe E-M1X), zumal man bei einem Rad nicht blind ertasten kann, ob die Kamera nun in der On- oder Off-Position ist. Die Bedienelemente auf der Rückseite sind für diese Kameraklasse sehr anständig und lassen sich gut erreichen.
Es gibt aber ein paar funktionale Merkwürdigkeiten. So dient die untere der beiden Daumentasten (die unter der Stern-Taste) beim Fokussieren mit Single-AF-Feld zum Zentrieren des AF-Punktes, was auch so im Display eingeblendet wird. Das hat in der Praxis aber nur manchmal funktioniert. Einen funktionalen Grund konnte ich nicht finden. Vielleicht muss hier per Firmware nachgebessert werden.
Canons größtes VersäumnisDas wahrscheinlich größte Manko der RP ist – wie beim größeren Modell EOS R – der fehlende Sensor-Stabilisator. Zwar sind diejenigen RF-Objektive, die am wahrscheinlichsten mit der RP gekauft werden (24-105 mm, 24-240mm und 35 mm) mit einem optischen Bildstabilisator (IS) ausgestattet, doch bei DSLMs sollte die sensorbasierte Bildstabilisierung inzwischen zum Standard gehören, sodass auch Objektive ohne IS mit deutlich mehr Freihandreserven genutzt werden können. Selbst bei dem super lichtstarken 50 mm f/1,2 habe ich das in der täglichen Praxis oft vermisst.
Ein ganz anderes Problem, welches sich in Kombination mit dem lichtstarken 50er häufig eingestellt hat: Die kürzeste Verschlusszeit der RP ist 1/4000s. Und zwar sowohl mit mechanischem Verschluss, als auch im „leisen Modus“ mit vollelektronischem Verschluss. (Letzterer existiert übrigens nur als Scene-Modus, in dem man nur begrenzt manuelle Einstellungen vornehmen kann.) Bei Tageslicht mit f/1,2 zu fotografieren führt selbst bei ISO Low (entspr. ISO 50) häufig zu Überbelichtung. 1/8000s mit mechanischem Verschluss und zumindest 1/16.000 vollelektronisch sollten auch bei einer Vollformat-DSLM dieser Preisklasse drin sein.
Sehr gut gefallen hat mir hingegen die AF-Perfomance. Trotz der ungeheuer schweren optischen Elemente im 50 mm f/1,2 war der Fokus in der Regel blitzschnell akquiriert. Auch Motivverfolgung und Fokussieren bei schlechtem Licht gelangen zur vollen Zufriedenheit – auch wenn die RP bei Tracking-AF nicht ganz die Performance der jüngsten Sony-Modelle erreicht. Für meine Art der Fotografie hat sich die Möglichkeit, den AF-Punkt mit dem Daumen auf dem Touch-Display zu verschieben, als sehr komfortabel erwiesen. Daher habe ich auch keinen Thumb-Joystick vermisst, wie er bei anderen Modellen derzeit schwer angesagt ist. Die Touch-Funktion zur AF-Positionierung funktionierte ausgezeichnet – mit Ausnahme des schon erwähnten Zentrier-Problems und vielleicht der Reaktionsgeschwindigkeit beim Verschieben, die etwas prompter sein könnte. Die Gesichtserkennung dürfte für meinen Geschmack etwas besser sein. Gesichter müssen schon recht groß im Bildfeld zu sehen sein und der Blick darf nicht zu seitlich sein, damit die Kamera sie erkennt. Oft war mir die Einzelpunkt-Verschiebung per Daumen lieber, als erst die Gesichtserkennung zu aktivieren. Sony hat hier zudem einen deutlich besseren Ansatz, da man auch bei einem erkannten Gesicht den AF-Punkt noch woanders hin verschieben kann. Dadurch kann man die Gesichtserkennung praktisch immer eingeschaltet lassen, während sie bei Canon (und auch Olympus) oft eher hinderlich ist und nur bei Bedarf eingeschaltet werden sollte.
Über das Menü brauche ich nicht viele Worte zu verlieren. Zwar fällt der Funktionsumfang hier etwas knapper aus, als in der hochpreisigeren EOS R, doch die Bedienung per Touch ist genau so überzeugend. Hier hat Canon gegenüber der Konkurrenz die Nase deutlich voraus.
Die FotoqualitätAlle Testfotos habe ich im JPEG-Modus geschossen und RAW ausnahmsweise mal komplett links liegen gelassen. Nach vielen Jahren der RAW-Fotografie (die mehr Reserven für nachträgliche Korrekturen bietet) bin ich aufgrund der immer besser werdenden Foto-Ergebnisse aus Smartphones der Meinung, dass die Kamerahersteller Entwicklungsbedarf an ihren JPEG-Engines haben. Insbesondere, in Bezug auf die automatische Belichtung.
Was mir während der Auswertung aller Fotos dann auch aufgefallen ist: Die automatische Belichtung der RP hat manchmal die Tendenz zur Überbelichtung. Aus nicht erkennbarem Grund waren manche Motive – trotz relativ gleichmäßiger Ausleuchtung und ohne an die Grenzen der Verschlusszeit zu kommen – einfach zu hell. Gerade bei JPEG ist das natürlich ein No-Go, denn nachträglich ist da nicht mehr viel zu retten.
Im Großen und Ganzen überzeugt die EOS RP aber mit sehr harmonisch wirkenden JPEGs, die ohne übertrieben künstliche Interpretation der Szene auskommen (was oft ein Nachteil des „Machine-Learning“-Ansatzes von Smartphones ist) und vor allem eine sehr erfreuliche Farbbalance bieten. Einen großen Anteil daran hatte in meinem Test natürlich das überragend gute RF 50 mm f/1,2, dass mit fantastischen Kontrasten und grandioser Schärfe wirklich
alles aus dem technisch etwas hinterher hinkenden 24-MP-Sensor der RP heraus holt. Der ist zwar allen nicht allzu extremen Situationen vollauf gewachsen, hat aber seine Grenzen bei der Rauschfreiheit bei höheren ISOs und in Sachen Dynamikreserven. Die angepeilte Zielgruppe dürfte aber in jeder Hinsicht begeistert von den JPEG-Bildergebnissen der Kamera sein.