Canon RF 135 Test- und BeispielfotosEine Eigenschaft des Canon RF-Objektivanschlusses ist die schnelle bidirektionale Kommunikation zwischen der Objektivelektronik und der Kamera. Auf einem Chip im Objektiv sind alle optischen Parameter der Konstruktion gespeichert und können dem Kamerabody mitgeteilt werden. Dieser kann wiederum aufgrund der Profildaten bestimmte optische Abweichungen, die sich nicht oder nur mit extremen Aufwand vermeiden lassen, rechnerisch kompensieren.
Dazu gehört beispielsweise, dass praktisch alle Objektive bei weit geöffneter Blende eine gewisse Randabschattung (Vignettierung) erzeugen. Dieser Effekt ist nicht grundsätzlich negativ und wird oft und gerne auch als künstlerisches Element bewusst eingesetzt oder nachträglich in der Bildbearbeitung hinzugefügt. Die Kamera kann diese Vignettierung, wie auch leichte geometrische Verzerrungen und Chromatische Aberrationen (Farbsäume) mittels der Profildaten korrigieren und in JPEG-Bildern anwenden.
Bei Verwendung des RAW-Formates kann die Korrektur in der Bildbearbeitungssoftware bzw. dem DAM (Digital Asset Manager) erfolgen. Lightroom bietet schon entsprechende Profildaten für das RF 135.
Im Folgenden finden sie zwei in Lightroom entwickelte Bilder des gleichen Fotos zum Vergleich der Profilkorrektur (ohne/mit):
Das Foto entstand mit Blende 1,8 bei 1/80s, ISO 100. Das erste Bild zeigt das Ergebnis ohne Profilkorrektur, das zweite mit Korrektur. Im direkten Vergleich ist am auffälligsten die Randabschattung im Bild ohne Korrektur. Aber auch eine ganz leichte Kissenverzerrung wurde in der Profilversion korrigiert. Unterschiede bei den CA’s sind hier so gut wie nicht auszumachen. Auch sonst habe ich keiner Aufnahme nennenswerte Bildung von Farbsäumen festgestellt.
Die Vignettierung lässt sich – falls erforderlich – auch ohne Profildaten einfach ausgleichen und ist spätestens bei f/5,6 gar nicht mehr erkennbar. Die Kissenverzerrung ist – wie bei einem Objektiv dieser Brennweite zu erwarten – auch ohne Profilkorrektur vernachlässigbar.
Die folgenden acht Bilder zeigen einen 400%-Crop aus der obigen Aufnahme in einer Blendenserie von f/1,8 bis f/22.
Neben den Unterschieden beim Bokeh liegt hier das Augenmerk auf der Schärfe. (Bitte daran denken: 400% !) Hierbei zeigt sich, dass das RF 135 schon bei Offenblende eine überragende Schärfe zeigt. Abgeblendet auf f/2,8 oder auch f/4, und selbst im Vergleich zum (theoretischen) Schärfe-Maximum, das etwa bei f/8 liegt, sind fast keine Unterschiede zu erkennen. Demgegenüber ist der Schärfeabfall hin zu größeren Blendenwerten deutlicher erkennbar. Aber auch dort verhält sich das RF 135 vorbildlich. – Eines der schärfsten Objektive, die ich je in den Fingern hatte.
Mein ursprünglicher Plan war, das RF 135 zu den Norddeutschen HiFi-Tagen nach Hamburg mitzunehmen (siehe
Messebericht), wo ich viele Portraitaufnahmen hätte machen können. Auch für die besondere Situation – Indoor mit meist wenig Licht – wäre das RF 135 in vielen Situationen ideal gewesen. Leider traf das Testmuster erst am Montag nach dem Messewochenende ein. … Murphys Gesetz.
In der darauf folgenden Woche hatte ich nicht allzu viele Gelegenheiten, das Objektiv unter Idealbedingungen zu nutzen. Weder das Wetter, noch die Motivgelegenheiten spielten mit. Aber einige schöne Aufnahmen konnte ich dennoch in der kurzen Zeit machen.
Dabei wurde auch klar, wie vielseitig nutzbar diese Brennweite tatsächlich ist. Nur weil jeder bei einem lichtstarken 135er gleich an Portrait- oder Hochtzeitsfotografie denkt, ist das beileibe nicht die einzige Einsatzmöglichkeit. Auch Natur- und Street- und Produktfotografie sowie viele Situationen in Innenräumen sind prädestiniert für das RF 135. Das heißt, solange man immer weit genug von Motiv zurück treten kann, um den gewünschten Bildausschnitt zu erhalten. Das Motto lautet, wie bei allen Festbrennweiten: Nimm die Beine in die Hand. – Ein Zoom ist und bleibt in dieser Hinsicht natürlich bequemer.
Die folgenden Bilder wurden ausnahmslos freihändig aufgenommen. Da sie hauptsächlich als Beispiele für die jeweilige Bildwirkung und nicht zum Pixel-Peeping dienen, wurden sie für das Web etwas verkleinert.
Abgesehen von der natürlich viel geringeren Tiefenschärfe bei f/1,8 sind auf Fokusebene (bei dem hellen Teil der konkaven Membran) fast keine Schärfeunterschiede zu sehen.
Die folgenden Aufnahmen entstanden im
Schifffahrtsmuseum Fischhalle in Kiel. Einige der Exponate sind hinter Glas, daher sind hier und da Spiegelungen zu sehen.
Fazit – Eigentlich ein Must-HaveDas
Canon RF 135mm F1,8 L IS USM ist weit mehr als nur ein Portrait-Objektiv. Ehrlich gesagt halte ich es sogar für vielseitiger, als die „klassische“ 85-mm-Portraitbrennweite. Und ich persönlich würde es sogar einem Allround-Zoom mit 70-200 mm klar vorziehen. Natürlich kauft man sich ein solches Objektiv, um seine Lichtstärke und den Bokeh-Effekt möglichst oft nutzen zu können. Dank seiner hohen Schärfe ab Offenblende ist da hier absolut kein Problem.
Nur auf den Preis darf man nicht schielen. 2.699 Euro sind – auch im Vergleich zur Konkurrenz – eine Stange Geld. Der sehr effektive und auch unschätzbar nützliche IS in Verbindung mit dem Sensor-Bildstabilisator der Kamera sind aber ein Merkmal, das es der Konkurrenz voraus hat.
Was wären die Alternativen? Da wäre beispielsweise das in einer Klasse ebenfalls ausgezeichnete RF 100mm F2.8 L Macro IS USM (1.549 Euro). Die Brennweite ist etwas kürzer und die Lichtstärke geringer, aber dafür bietet es noch echte Makro-Fähigkeiten. Doch die Bildwirkung ist eben nicht ganz so gut, wie mit dem RF 135. Auch ein 70-200 f/2,8 ist kein vollwertiger Ersatz. Ebensowenig wie ein vergleichbar lichtstarkes 85er.
Wie eingangs schon gesagt: Horses for Courses. Wer die Eigenschaften des RF 135mm F1,8 L IS USM einzusetzen und zu schätzen weiß, will eben genau dieses Objektiv haben. Der Preis wird da ein klein wenig zur Nebensache. Und wer ihn zahlt, wird seine Entscheidung nicht bereuen. – Ein echtes Traumobjektiv.
Plus/Minus Canon RF 135mm F1,8 L IS USM+ Hohe Lichtstärke bei vielseitig nutzbarer Tele-Brennweite
+ überragende Bildwirkung und Abbildungsleistung
+ super scharf schon bei Offenblende
+ effektiver Bildstabilisator IS (bis 8 Stops kombiniert mit IBIS)
+ schneller und leiser AF
+ kurze Naheinstellgrenze
+ geringe CA‘s
+ Custom Buttons
– Platz am Handgriff wird eng
– platzfressende Streulichtblende