Guru Q10 – Die Technik im DetailDie Idee ist natürlich nicht neu: Man berechnet Lautsprecher und ihre Abstrahlungseigenschaften von Anfang an so, dass sie in einer wandnahen Position am besten klingen. Einfacher gesagt als getan, denn das birgt einige Hürden und Unwägbarkeiten. So muss unter anderem sicher gestellt sein, dass der Bass und Grundtonbereich nicht zu stark von Raumwänden/-Ecken angeregt/verstärkt wird. Hinten liegend Bassreflexöfnungen sind da schon mal ungünstig. Aber Guru geht bei der Q10 noch etwas weiter, wendet sich von dem sonst üblichen Bassreflexrohr ab und bezieht sogar die Gehäuseresonanz in das Konzept mit ein.
Der Hersteller erklärt dazu:
"Beim Konzept des Bassreflexsystems geht es im Wesentlichen immer darum, den Helmholtz-Resonator-Effekt zu nutzen. So will man den Pegel und den mechanischen Wirkungsgrad in einem Bereich von knapp unterhalb der (tieferen möglichen) Abstimmfrequenz des Resonators und von dort an etwa eine Oktave aufwärts verbessern. Bei den meisten Bassreflex-Lautsprechern wird diese Helmholtz-Resonanz von parasitären „Orgelpfeifenresonanzen“ und den Resonanzen der Box selbst begleitet, was zu einem ziemlich unsauberen Ausgangssignal am Bassreflex-Port führt. Der Helmholtz-Resonator der Gurus dagegen ist extrem sauber abgestimmt und kontrolliert das Ausgangssignal am Port zur Gänze, was einen klaren, sauberen und unverzerrten Bass zur Folge hat."Auf die Frage, wie es gemeint ist, die Gehäuseresonanzen mit einzubeziehen, erklärt Guru:
"Wir optimieren die Resonanzen des Gehäuses sozusagen "halb-subjektiv". Das bedeutet, dass wir beim Abhören des Lautsprechers in einem schalltoten Raum über ein Mikrofon nach maximaler Neutralität streben. Das Ziel war es, minimale Verfärbung unter diesen Bedingungen zu erhalten. Die Q10 musste hinsichtlich der Wandstärken und der internen Dämpfungsmaterialien einige Mal überarbeitet werden, bis wir das Optimum gefunden hatten. Die interne Dämpfung ist dabei mehr oder weniger maximal ausgefallen, denn in unseren Tests hatten interne Resonanzen ausschließlich eindeutig negative Einflüsse."Und natürlich muss die Gesamtabstimmung des Frequenzgangs und das Abstrahlverhalten berücksichtigt werden. Allerdings ist jeder Raum anders, weshalb es eigentlich keine Ideallösung für die Abstimmung gibt. Es muss ein guter Kompromiss gefunden werden.
Ein Problem der meisten Lautsprecher, die für wandnahen Betrieb ausgelegt sind, ist die Erzeugung einer harmonischen Stereo-Klangbühne mit neutralen Klangfarben, die u. a. stark von dem Bündelungsverhalten der Treiber und der Ausrichtung der Speaker sowie dem Zusammenspiel mit den nahen Raumbegrenzungen abhängt. Dafür haben die aus Schweden stammenden Guru-Macher Ingvar Öhman (Toningenieur), Erik Ring (Musiker) und Erik Espmark (Industriedesigner) die Q10 unter anderem mit einer recht speziellen Frequenzweiche ausgestattet. Die Frequenzen des Tief/Mitteltöners und des Hochtöners überlappen sich in einem sehr weiten Bereich zwischen 2 und 7 kHz. Damit wird die Abstrahlung quasi räumlich vertikal gesteuert und der Hersteller macht sich damit eine Besonderheit des menschlichen Gehörs bei seiner Ortungsfähigkeit zunutze. Der Effekt soll sein, dass die Lautsprecher als Schallquelle nicht mehr so leicht lokalisierbar sein sollen.
Damit das funktioniert ist für die Q10 zusätzlich eine besonders starke Einwinkelung vorgesehen, um Reflexionen von seitlichen Raumbegrenzungen zu minimieren. Das hilft bei der Abbildungsgenauigkeit. Die Boxen sollen dabei ungefähr so stark nach innen gedreht werden, dass sich die Null-Grad-Achsen ca. einen Meter vor dem Hörplatz im Stereodreieck treffen.
Normale Lautsprecher, wie die Standlautsprecher im Bild, müssen meistens einen deutlichen Wandabstand haben. Die Guru Q10 gehören nah an die Rückwand und sollen sehr stark eingewinkelt werden.
Die Guru Q10 im DetailWerfen wir einen genaueren Blick auf die Boxen. Die Guru Q10 – in Weiß und wie die Testmuster in „Ocean Grey“ erhältlich – sind breiter als tief. Die genauen Maße sind 300 × 252 × 232mm (B x T x H). Dass sie nicht flacher sind, was insbesondere bei speziell für die Wandmontage konstruierten Lautsprechern oft der Fall ist, liegt daran, weil sie es nicht sein müssen. Bedingt durch die empfohlene starke Einwinkelung können die Gehäuse ohne Nachteil eine gewisse Tiefe haben, was dem Volumen und der Tiefbassfähigkeit zugute kommt. Die Art der Aufstellung lässt auch genug Platz, um die Kabel an die flach an der Rückseite eingebauten Bananenbuchsen anschließen zu können.
Die breiter als übliche Gehäusefront mit den zwei Treibern hilft bei der gewünschten Charakteristik der Schallabstrahlung bzw. -Bündelung. Erwähnenswert ist hier auch noch der vergleichsweise hohe Wirkungsgrad der Q10 von 87dB (@2.83V, 1m). Ein für Zwei-Weg-Lautsprecher dieser Größe sehr guter Wert. Dazu sei gesagt, dass gerade dieser Wert von vielen Herstellern etwas zu optimistisch angegeben wird. Ich habe hier vor Ort kein entsprechendes Equipment, um das für dir Q10 überprüfen zu können, aber meine Kollegen von
LowBeats.de haben zumindest der Guru Junior per Messung attestieren können, dass die Herstellerangabe von 87dB genau passt – und damit mutmaßlich auch der Wert der Q10 zutrifft. Und was heißt das nun? Es bedeutet, dass die Guru selbst mit relativ schwachbrüstigen Verstärkern gut zurecht kommen und ordentlich Pegel für ihre Größe machen können. Oder anders gesagt: Sie sind „lauter“ als andere Ihrer Größe.
Interessant ist auch ein Blick auf den angegebenen Frequenzgang. Auf der
Produktseite des deutschen Guru-Vertriebs
audiotra.de werden für die Q10 30Hz bis 30kHz angegeben. Wow. Das ist mal eine optimistische Ansage für so einen kleinen Speaker. Selbst mit der flach ausgelegten Reflexöffnung an der Front und dem vergleichsweise großen Gehäusevolumen ist das sportlich. Völlig aus der Luft gegriffen ist die untere Grenzfrequenz von 30Hz aber nicht.
Im Freifeld gemessen dürfte der Frequenzgang, wie bei der Junior, schon bei ca. 70 Hz massiv abfallen. Aber hier kommt eben die Kombination mit der wandnahen Aufstellung zum tragen. Wenn der Raum gezielt mithilft, geht da noch einiges. Dennoch dürfte die angesagten 30Hz höchstens mit einem starken Pegelabfall möglich sein.
Guru erklärt:
"Wenn der Lautsprecher gut aufgestellt ist, liegt der Pegel bei 30 Hz in einem typischen Raum bei 0 dB. Darunter fällt er dann ab. Aber Räume unterscheiden sich, und zwar ziemlich stark. Man kann also nie eine ganz bestimmte Grenzfrequenz in einem bestimmten Raum garantieren. Theoretisch hätten wir einen noch tieferen Bass realisieren können, doch das wäre deutlich zu Lasten der Belastbarkeit des Lautsprechers gegangen. Bei den ja sehr kompakten, wohnraumfreundlichen Guru Q10 haben wir uns entschieden, stattdessen vernünftige Pegel und eine erwachsene Dynamik zu ermöglichen."In Ergänzung zu den Lautsprechern bietet Guru sehr schöne, dreibeinige Holzstative mit einer exakt zur Q10 passenden Metallplatte zur Aufstellung an, die ich ebenfalls zum Test hatte. Die werden Ikea-mäßig mit wenigen Holzdübeln und Schrauben selbst zusammengebaut. Spätestens beim zweiten Stand, wenn man weiß wie’s geht, braucht man dafür nur noch ein oder zwei Minuten. Die Lautsprecher werden einfach oben auf die Trägerplatte gestellt, wobei sie durch flache Gummi-Klebefüße von Stand entkoppelt werden. Die Enden der Holzbeine sind komplett ohne Bodenschoner oder Spikes. Da hätte ich mir zumindest versenkte Gewinde gewünscht, um verschiedene schraubbare Lösungen für den jeweiligen Untergrund anbringen zu können.