Er ist ein HiFi-Vollverstärker im klassischen Format. Zwar mit einer Breite von 44 cm etwas größer als das übliche „Rastermaß“ von 43 cm, aber ansonsten ein ganz typischer Vertreter seiner Art, wie es sie schon seit Jahrzehnten gibt. Natürlich auf dem modernsten Stand der Technik. Der Marantz Model 60n beerbt den beliebten PM7000n, verfügt nun jedoch über das aktuelle Marantz-Design mit einer geprägten Frontplatte im Facetten- oder Wellenlook – wie auch immer man es nennen möchte, sowie die neuesten Digitaloptionen in Sachen Streaming. Nur noch Passivlautsprecher anschließen und fertig ist die komplette HiFi-Anlage mit Netzwerk-Features und Multiroom-Fähigkeit.
KompaktArt | | Streaming-Vollverstärker |
In der Klasse um 1.500 Euro haben bereits die Modelle Technics SU-GX70, Yamaha R-N1000 A und Nubert nuConnect ampXL im REWIND-Test ihre All-In-One-Qualitäten unter Beweis gestellt. Dabei zeigte sich, dass zwar alle irgendwie genau das selbe machen, aber in Design, Ausstattung, Leistung und Klang unterscheiden sich die Produkte bei genauerer Betrachtung doch deutlich. So bieten sich Wahlmöglichkeiten für unterschiedliche Ansprüche und Geschmäcker. Der Marantz fügt hier eine weitere schöne Option hinzu.
Design und AusstattungDer auffälligste Unterschied des 60n zum Vorgänger PM7000n ist sein Frontplattendesign mit einer dicken Alu-Trägerplatte für die Bedienelemente – alles Drehknöpfe –, die konkav geformte Sub-Frontplatte mit Prägemuster und das runde Display, was ihn auf Anhieb als Marantz-Familienmitglied ausweist. Das Gehäuse ist wahlweise in Schwarz oder Silber erhältlich.
Der 60n verfügt über alle wichtigen Anschlüsse, um ein typisches Stereo-Setup für daheim zu bilden – mit der Möglichkeit, einige externe Quellen anzuschließen, natürlich. So können mehrere digitale Audio-Zuspieler verbunden werden. Darunter auch ein TV über HDMI ARC oder wahlweise per Toslink. Ein Coax-Digitaleingang ist ebenfalls vorhanden, etwa für den Digitalausgang eines CD-Players. Dazu stehen vier analoge Eingänge bereit, darunter ein Phono-MM-Anschluss. So bleibt auch der heiß geliebte Vinyl-Dreher nicht außen vor. Für Subwoofer steht außerdem ein eigener Ausgang parat. Und wer mag kann über die Pre-Out-Buchsen auch eine externe Endstufe oder Aktivlautsprecher anschließen.
Ein USB-A-Port dient zum Anschluss eines USB-Massenspeichers. USB-Audio zur Verbindung mit einem Computer ist hier nicht vorhanden, aber ein Amp dieser Klasse steht gewöhnlich auch eher auf dem AV-Rack als auf dem Desktop. Für den Fall der Fälle, etwa wenn eine schnelle Verbindung zu einem Smartphone gewünscht ist, kann Musik auch via Bluetooth zugespielt werden.
Doch der Marantz 60n ist in erster Linie sein eigener Quellenlieferant und -Verwalter. Per LAN oder WLAN mit dem Netzwerk verbunden und über die HEOS-Streamingplattform bietet der Amp Zugang zur Welt der Streamingdienste, sowie Internetradio und Podcasts. Und das auf sehr unkomplizierte, ja im positivsten Sinne unspektakuläre Weise, denn die Bedienung gestaltet sich Kinderleicht. Apropos: Die Steuerung kann nicht nur über die App erfolgen. Zum Lieferumfang gehört auch eine umfangreich ausgestattete IR-Fernbedienung.
Ebenfalls erfreulich und nicht immer selbstverständlich: An der Front befindet sich ein Kopfhöreranschluss mit 6,35 mm Klinkenbuchse, was Freunde kabelgebundener Kopfhörer freuen wird, die keinen separaten Kopfhörerverstärker betreiben wollen. Das ist aber noch nicht alles. Dank Bluetooth-RX kann der Marantz Musik auch über den Kurzstreckenfunk senden und Drahtloskopfhörer bedienen, was eine der Neuerungen gegenüber dem Vorgänger darstellt. Dabei gilt es lediglich zu beachten, dass dies nicht als Bridge funktioniert. Senden und Empfangen via Bluetooth geht nicht gleichzeitig. Musik per Bluetooth vom Smartphone an den Marantz senden und dann per Bluetooth an den Kopfhörer weiter schicken ist nicht möglich.
Intern arbeitet der 60n auf der Verstärkerseite mit vertrauter Class-A/B-Technik, die von einem Linearnetzteil mit großem Ringkerntrafo gespeist wird. Der Blick unter die Haube verdeutlicht, dass Marantz hier eher klotzt statt kleckert. Eine Mogelpackung sähe definitiv anders aus:
Die HEOS AppMit HEOS bieten Marantz und sein Systempartner Denon (beide unter dem Dach der
Masimo-Group, mit der sich Apple gerne mal streitet) eine Plattform und App, die seit Jahren stetig weiter entwickelt wird. Dementsprechend ausgereift, stabil und flott funktioniert diese Lösung. Die App-Bedienung ist schnell und weitgehend selbsterklärend. Von hier aus ist der Zugriff auf allerlei Streaming-Dienste möglich. Darunter die üblichen verdächtigen Spotify Connect, Tidal Connect, Amazon Music, Deezer und weitere.
Aus irgend einem mir nicht bekannten Grund ist HEOS aber eine der ganz wenigen Apps auf diesem Gebiet, die den französischen Streamingdienst Qobuz außen vor lässt. Am Horizont zeichnet sich hierzu aber eine Änderung ab, denn für die neue
Marantz Referenzserie 10 (das sind wahre Panzerschränke!) steht Qobuz schon auf der To-Do-Liste. Da es auch dort über HEOS läuft, wird es bestimmt auch für den 60n verfügbar sein. Qobuz-Nutzer, die auch Roon nutzen, sind jetzt schon fein raus, denn der 60n ist Roon Ready, worüber Qobuz bekanntlich auch genutzt werden kann. Fast schon unnötig zu erwähnen, dass der Marantz auch AirPlay beherrscht.
Der Marantz 60n in der PraxisWer schon ein klein wenig Erfahrung mit modernen Audio-Streamern hat, wird sich mit dem Marantz schnell zurecht finden. Im Test gab es kaum einen Punkt, für den ich zur Bedienungsanleitung greifen musste. Lediglich mit der Steuerung einiger Parameter über das kleine Front-Display muss man sich kurz einfuchsen. Die zugehörige IR-Fernbedienung erweist sich ebenfalls als nützlich, denn nicht immer will man für jede kleine Steuerungsaufgabe erst die App bemühen. Kleines Manko hier: Die Lesbarkeit der Tastenbeschriftungen könnte besser sein.
Ein Praxisaspekt ist auch der Stromverbrauch. Nicht, dass ein Gerät dieser Art im Haushaltsmix einen besonders relevanten Faktor darstellen würde (Herd, Ofen, Waschmaschine und oft auch TV sind viel größere Verbraucher). Aber es geht hier auch um Nachhaltigkeit. Da ist der Standby-Modus besonders relevant. Für viele Stunden am Tag befinden sich solche Geräte nämlich nicht in Betrieb. Aber allzeit bereit sollen sie sein. Neben dem klassischen Standby-Modus ist dabei heute auch Netzwerkbereitschaft gefordert, sodass der Amp jederzeit über die App aufgeweckt werden kann. Die erfreuliche Nachricht: Im Low-Power-Standby (ohne Netzwerkbereitschaft) verbraucht der 60n weniger als 0,5 W und auch im Netzwerk-Standby sind es sehr günstige 1,3 W. Leider erreichen längst nicht alle Netzwerkkomponenten derart niedrige Werte.
Klangtest: You’ll love it!Spektakulär unspektakulär gibt sich der Marantz auch bei seiner akustischen Performance, die ich an unterschiedlichen Lautsprechern (Stand- und Kompaktlautsprecher mit unterschiedlicher Empfindlichkeit und Impedanz) ausprobiert habe. Bei seiner Ausgangsleistung von 60 Watt pro Kanal an 8 Ohm (80 W an 4 Ohm) könnte mancher auf den Gedanken kommen, sich lieber einen Amp wie den Nubert anzuschaffen, der mit seiner Class-D Schaltendstufe fette 340 W an die Klemmen liefert. Aber in den allermeisten Fällen ist so viel Leistung gar nicht nötig. Selbst wenn es mal ordentlich laut werden soll. Wer keine überdurchschnittlich leistungshungrigen Lautsprecher sein Eigen nennt, wird mit dem Marantz locker klar kommen.
Egal welche Art von Musik ich hörte: Der Marantz spielte stets äußerst entspannt und anheimelnd. Das ist absolut im positiven Sinn gemeint, denn der 60n nervt nie mit Überpräsenz oder Aggressivität. Viel mehr ist das leicht ins Warme tendierende Klangbild genau das Richtige für Dauerbeschallung.
Was nicht heißen soll, der 60n könne nicht rocken. Das geht absolut und macht umso mehr Spaß, wenn etwa kreischende Gitarren fast wie über einen Röhrenverstärker klingen. Nur wer mehr auf kristallklare Brillanz und Durchhörbarkeit in allen Frequenzbereichen steht, greift vielleicht lieber zu einem der anderen Kandidaten. Hätte man jedoch die Gelegenheit, alle genannten Amps in einem kurzen Direktvergleich zu hören, würden vermutlich nicht wenige den Marantz zum Favoriten wählen.
Für meinen Geschmack fügt sich der Marantz 60n mit seinen klanglichen Fähigkeiten bestens in die Preisklasse ein und überzeugt mit seiner besonders charmanten Art.
Fazit: Der Gentleman-AmpMarantz bleibt seiner Klangsignatur mit dem Model 60n treu und bietet einen rundum gelungenen Vollverstärker zu einem sehr fairen Preis an. Dazu gesellen sich die ausgereiften Streaming-Features auf neuestem Stand – mit der seltsamen Ausnahme, dass eine direkte Unterstützung für Qobuz fehlt. Das positive Gesamtbild wird von dem außergewöhnlichen Markendesign mit der geprägten zweiteiligen Frontplatte wie auch dem niedrigen Stromverbrauch im Netzwerk-Standby abgerundet.
Plus/Minus Marantz Model 60n+ komfortable Bedienung
+ warmer Klangcharakter, der keine Details verschluckt
+ Kopfhörer und Subwoofer-Ausgang
+ Roon Ready
+ ausgereifte App
+ unterstützt viele Dienste und Protokolle (außer Qobuz)
– Tastenbeschriftung der Fernbedienung bei schwachem Licht schlecht lesbar