Test: Neue Netflix-App auf TV-Geräten – Effektiv wenig zusätzlicher Nutzen
Netflix ist schon eine geniale Sache. Nichts hat mein TV-Konsumverhalten jemals mehr beeinflusst, als das Online-Angebot des US-Amerikanischen Video-Streaming-Pioniers. Das liegt nicht allein am Video-Angebot, sondern auch an der Tatsache, wie leicht und komfortabel man Inhalte über die Netflix-App auf dem Computer, TV, Smartphone oder Tablet auffinden und steuern kann. Besitzer eines Smart-TV können mit nichts weiter als der klassischen Infrarot-Fernbedienung in Nullkommanichts ihre Lieblingssendung starten.
Allerdings gibt es da ein paar kleine Einschränkungen. Aus nicht direkt nachvollziehbaren Gründen macht Netflix seinen Abonnenten das Leben manchmal unnötig schwer. Ein großes Ärgernis für viele Nutzer war vor geraumer Zeit die Umstellung von einer Fünf-Sterne-Bewertung auf Daumen-hoch/runter-Bewertung. Wenn es wenigstens noch eine Daumen-quer-Option gäbe, hätte ich damit ja noch leben können, aber so, wie es jetzt ist, verweigere ich einfach in vielen Fällen die Bewertung komplett, weil die Sendung weder Daumen hoch noch runter verdient hätte. Keine Bewertung ist sozusagen der Daumen-quer-Ersatz.
Ob Sterne oder Daumen: Was noch nie richtig funktioniert hat, ist die "Künstliche Intelligenz", mit der Netflix das Sehverhalten seiner Kunden bewertet und danach Vorschläge macht. Künstliche Intelligenz!! Wenn ich diesen überstrapazierten Begriff schon höre, schwillt mir der Kamm. Bei Netflix äußert sich das in völlig unpassenden Vorschlägen für Sendungen, die mir ein völlig Fremder nach einem kurzen Blick in „Meine Liste“ nicht im Traum ans Herz legen würde. Die Algorithmen von Netflix hingegen greifen regelmäßig ins Klo.
Oder so kuriose Sachen, wie die Vorschlagslisten:
„Basierend auf Ihrem Interesse an…“, oder
"Weil Sie sich XXX angesehen haben". Da finden sich immer wieder kuriose Angebote, basierend auf Sendungen, die ich weder gesehen, noch für die ich mich je interessiert habe. Vielleicht habe ich mal versehentlich draufgeklickt, aber das ist noch lange keine Interessenbekundung.
Ebenso seltsam: Listen wie
„Beliebt auf Netflix“ und
„Derzeit beliebt“. Hä? Wo ist da der Unterschied? Oft werden darin die selben Inhalte, nur in anderer Sortierung angeboten. Noch schlimmer:
„Neu auf Netflix“ und
„Kürzlich hinzugefügt“. Der Unterschied ist für den Anwender nicht eindeutig erkennbar. Zudem findet man unter
„Neu auf Netflix“ manchmal auch Sachen, die schon monatelang im Angebot sind. Tatsächlich brandneue Inhalte hingegen findet man dort manchmal gar nicht und sind nur über die Suchfunktion auffindbar.
Was ist der Unterschied? Für den Nutzer kaum nachvollziehbare Unterscheidungen der Kategorien (siehe Pfeil/Markierung) gehören auch in der neuen TV-App nicht der Vergangenheit an.
Gezielte Desorientierung?Eine Spezialität von Netflix ist die scheinbar willkürliche Neuanordnung der verschiedenen Listen, durch die man horizontal scrollen kann. Mal findet sich
„Meine Liste“ ganz oben, mal irgendwo mittendrin, mal ganz am Ende. Selbst die ständig genutzte Liste
„Mit dem Profil von XX weiterschauen“ hat Netflix gerne mal irgendwo ganz weit nach unten sortiert. Wahrscheinlich in der Hoffnung, dass man bei der Suche danach auf neue Inhalte trifft, die man spontan ansieht. Ganz nach dem Supermarkt-Prinzip. Also die Leute erst mal in Schlangenlinien durch den Markt führen, bis sie zu den Grundnahrungsmitteln gelangen. Welcher Erstsemester-Marketingstudent denkt sich sowas für Netflix aus?
Jedenfalls wird viel am lebenden Objekt experimentiert, um das Sehverhalten der Nutzer besser einschätzen zu können. Leider bisher mit – aus meiner Sicht – null Erfolg. Ich wähle meine Inhalte daher lieber gezielt aus. Etwa, durch Empfehlungen im im VOD-Teil der klassischen Programmzeitschrift, durch Stöbern auf IMDB, oder über Internetseiten, die sich darauf spezialisiert haben, die Versäumnisse von Netflix & Co. zu beheben und echte Neuheitenlisten anbieten. Beispielsweise Anbieter wie
JustWatch.com.