Olympus E-M1 Mark III in der PraxisAufgrund anderer Projekte und der allgegenwärtigen Misere um die Pandemie hatte ich weniger Zeit und Gelegenheit als sonst, um der E-M1 III ausgiebig auf dem Zahn zu fühlen. Allerdings: Die Ähnlichkeit im Umgang mit der Kamera ist selbst im Vergleich zu meiner Mark I noch so ähnlich, dass ich nur sehr wenig Zeit zur Eingewöhnung benötigte. Die Ergonomie wurde bereits mit der Mark II, die ich nicht im Test hatte, an einigen Stellen optimiert. Die Mark III fügt dem mit Ausnahme des Thumbsticks und einigen dadurch veränderten Tastenpositionen nicht viel hinzu. Auch das Menüsystem ist vertraut, inzwischen durch neue Funktionen aber nochmals um einiges umfangreicher geworden. Wer sich mit Kameras wie der E-M1, E-M5 oder E-M10 auskennt, findet sich aber gut zurecht.
Für mich als Mark-I-User ist die größte Umstellung das (seit der Mark II integrierte) Klapp-/Schwenk-Display. Diese auch bei anderen Kameraherstellern weit verbreitete Art der Display-Befestigung bietet mehr Flexibiltät als einfache Rauf-Runter-Klapp-Displays, hat aber auch einen entscheidenden Nachteil: Will man das Display nur mal eben nach oben oder unten schwenken (z. B. um aus Hüfthöhe oder über Kopf zu fotografieren), muss dafür der Bildschirm bei der Mark II+III erst um 180° nach links ausgeklappt und danach in den richtigen Winkel gedreht werden. Wenn das häufiger vorkommt, ist das ziemlich lästig. Für bodennahe Aufnahmen im Hochformat, für Selfies und auch für Video ist die neue Mechanik allerdings hilfreicher, weshalb sie von der Mehrheit der Nutzer auch so gewünscht wird.
Der etwas größere (tiefere Handgriff) der Mark III ist ebenfalls ein willkommener Komfortbonus, während der neue Thumbstick zur AF-Positionierung (auf vielfachen Kundenwunsch eingeführt) etwas Umgewöhnung erfordert, weil dadurch wichtige Tasten an der Rückseite an andere Positionen gewandert sind. So ist es mir im Test häufig passiert, dass ich (mit dem Auge am Sucher) statt der Wiedergabetaste ungewollte die Info-Taste gedrückt habe. Dass die Menütaste nun links-oben am Gehäuse sitzt, war ebenfalls gewöhnungsbedürftig. Aber das gibt sich mit der Zeit alles und die Bedienung ist Olympus-typisch äußertst komfortabel.
Wozu natürlich auch die äußerst umfangreiche Konfigurierbarkeit der Tasten und Funktionen beiträgt. Es gibt fast nichts, was der Nutzer nicht genau nach seinen Bedürfnissen anpassen kann.
Ein weiterer oft geäußerter Kundenwunsch: Der zweite Schacht für SD-Karten hat nun auch in der E-M1 Einzug gehalten. Warum Olympus diesen jedoch anders als bei der E-M1X nicht UHS-II-fähig gemacht hat, bleibt mir ein Rätsel. Aus Kostengründen? Schwer nachzuvollziehen. Vermutlich eher aus Marketing-strategischen Gründen, um den Abstand zur deutlich teureren "X" zu wahren.
Was mir rein subjektiv beim Test der Mark III aufgefallen ist: Sie hat mich nicht ganz so sehr begeistert, wie die "X" (die mir aber viel zu groß ist). Hmmm… Die Kamera fühlt sich vielleicht von ihrem Formfaktor her zu gewohnt für mich als Mark-I-Nutzer an. Mag sein, dass es gerade die Wuchtigkeit der "X" ist, die dem Ganzen ein noch viel "verbindlicheres" Gefühl bei der Fotografie verleiht. Wer schon mal einen Boliden wie eine Nikon D5 oder Canon EOS 1D in der Hand gehabt hat, kann das vielleicht nachvollziehen. Realistisch betrachtet fühlt sich die Mark III aber nicht weniger gut an. Das Gehäuse wirkt wie aus einem massiven Block gefräst, die Schalter und Tasten bieten ein ausgezeichnetes Feedback und selbst der Verschluss klackt so leise, schnell und Vertrauen erweckend wie in der "X" und wie in sonst kaum einer anderen Mirrorless-Systemkamera. Also ist es wohl doch nur Einbildung.
AF, Bildstabilisator und HiRes-ShotAus dem riesigen Funktionsangebot hab ich mir die drei in der Kapitelüberschrift für eine nähere Betrachtung herausgepickt. Den kompletten Funktionsumfang zu beschreiben, sprengt den mir zur Verfügung stehenden Zeitrahmen.
Olympus hatte schon zu Zeiten der Mark I (ab 2014) einen ausgesprochen flotten AF mit Gesichts- und Augenerkennung, aber noch keine vollautomatische Motivverfolgung. Die Konkurrenz, vor allem Sony und Canon, hat auf diesem Gebiet inzwischen klar die Führung übernommen. Daran ändert weder die "X" noch die Mark III etwas. Wieder aufgeschlossen hat Olympus bei der Gesichts- und Augenerkennung, die jetzt auch bei sich schnell bewegenden Personen und (teilweise) Profilansicht gut funktioniert. Tiere werden allerdings noch nicht erkannt.
Die Funktion zur Motivverfolgung mit kontinuierlichem AF (C-AF+TR) ist gegenüber der Mark I ein Zugewinn, aber sie hat meines Erachtens noch keinen ausreichenden Reifegrad, um von einer makellosen Funktionalität sprechen zu können, die man einfach benutzt, ohne sich über Einschränkungen Gedanken machen zu müssen. Zu oft werden anvisierte Objekte nicht fest und zuverlässig genug erfasst. Der Erkennungsrahmen springt sogar manchmal auf völlig andere Objekte, die man anfangs gar nicht anvisiert hat. Insbesondere, wenn zu schnelle/heftige Bewegungen in der Motivszene oder der Kamera selbst erfolgen.
Selbst für den eher simplen Anwendungsfall – Motiverfassung mit anschließender Veränderung des Bildausschnitts – ist die Funktion nicht immer zuverlässig. Da bleibe ich lieber bei der altbewährten Methode: Fester AF-Punkt in der Mitte zum Fokussieren, dann Bildausschnitt wählen. Der Methode mit Motivverfolgung hat natürlich den Vorteil eines kontinuierlichen AFs, doch ich empfinde es noch etwas arg gewöhnungsbedürftig und nicht zuverlässig genug.
Ganz anders die Bildstabilisierung. Auf diesem Gebiet ist Olympus nach wie vor mit großem Abstand führend. (Auch wenn Canon den Gerüchten zufolge bald aufholen
könnte.) Bis zu 7,5 Blendenstufen mehr Freihandreserven mit einem passenden IS-Objektiv wie dem 12-100 mm F4 oder bis zu sieben Stufen ohne IS-Objektiv verspricht das Datenblatt. Und in der Tat lassen sich mit der Mark III durchaus scharfe Freihand-Fotos mit mehreren Sekunden Belichtungszeit schießen. Das klappt zwar nicht immer, aber von einer derartigen Möglichkeit hätte man noch vor einigen Jahren nur träumen können. Das Stativ kann damit umso öfter zuhause bleiben und es muss nicht für jede Situation in schlechter Umgebungsbeleuchtung die ISO hochgeschraubt werden. – Sooo nützlich!
Der famose IBIS ist auch die Grundlage dafür, freihändig hochaufgelöste Fotos mit bis zu 50 Megapixeln Auflösung schießen zu können. Das Feature wurde schon oft beschrieben. Durch zusammensetzen mehrerer schnell hintereinander geschossener Bilder (mit elektronischem Verschluss) kann bei Bedarf eine deutlich höhere Auflösung erzielt werden. Vom Stativ sogar mit bis zu 80 Megapixeln. Ein tolles Feature, dass zwar gewisse Einschränkungen mit sich bringt (für Action-Fotografie ist es beispielsweise unbrauchbar) und jederzeit über die AF-Funktionen schnell aufrufbar zur Verfügung steht.