E-M1X: Body und HandlingUm gleich mit der Tür ins Haus zu fallen: Technisch gesehen hat die E-M1X wirklich alles, was für eine Sport- und Action-Fotokamera nötig ist und lässt auch im Bereich Video nicht viel anbrennen. Es mag Kameras geben, die in einzelnen Disziplinen leicht überlegene Fähigkeiten bieten, aber das Funktionspaket der Flaggschiff-Oly im Ganzen ist wirklich beeindruckend. Ich kann mir keinen Fotografen vorstellen, der
alle Features der Kamera regelmäßig ausnutzen wird. Viele Funktionen werden wahrscheinlich nie benötigt. Das ist wie mit einigen Programmen für Mac und PC, wie z. B. Photoshop. Nur die allerwenigsten werden die Fähigkeit jemals komplett ausschöpfen. Selbstverständlich wird es auch immer wieder Anwender geben, die gewisse Funktionen vermissen oder bestimmte Fähigkeiten für nicht ausreichend halten, aber ich versichere Ihnen: die E-M1X dürfte mit den passenden Objektiven problemlos für alle sportlichen Top-Ereignisse und auch für Naturfotografen auf der Pirsch nach exotischen Tieren in den unwirtlichsten Regionen der Welt geeignet sein.
Lassen Sie mich ein paar spezielle Punkte herauspicken, um ihnen mein „Gefühl“ für die E-M1X etwas näher zu bringen.
Da wäre zunächst der haptische Eindruck und die Ergonomie der Kamera. Mit fast exakt einem Kilogramm (betriebsbereit, ohne Objektiv) ist die E-M1X für eine MFT-Kamera ein enorm schwerer Brocken. Dass sie damit immer noch 300-500 g leichter als die anvisierte Konkurrenz ist, ändert nicht viel daran. Einen großen Unterschied werden die viele der angesprochenen DSLR-gewohnten Fotografen aber dennoch merken, denn entscheidend ist das Systemgewicht mit Objektiv. So kann man eine E-M1X mit 300 mm Pro Objektiv (entspr. 600 mm an Kleinbild) problemlos freihändig und ohne Monopod nutzen. Der fantastische und extrem effiziente Sensor-Bildstabilisator ist dabei zusätzlich ein echter Bonus.
Das vergleichsweise große Gehäuse mit integriertem Portraitgriff macht die Kamera mindestens genau so ergonomisch, wenn nicht sogar noch komfortabler, als die etablierte Konkurrenz, weil sie doch ein wenig kleiner und handlicher ist, ohne dabei die Funktionselemente zu eng zu packen. Im Gegenteil. Trotz geringerer Abmessungen gegenüber den Canikon Flaggschiffen ist es Olympus gelungen, die Tasten und Schalter fast ausnahmslos optimal und mit genügend Abstand zueinander zu platzieren, sodass man mit dem Auge am Sucher jedes Element problemlos blind und intuitiv erreicht.
Die Qualität des Bodys ist über jeden Zweifel erhaben und wirkt, als könnte das Gehäuse auch einen Atomschlag überstehen. In Sachen Robustheit und Wetterschutz steht die E-M1X der Konkurrenz in nichts nach, sondern übertrifft sie sogar. Dieser Eindruck bestätigt sich auch in vielen anderen kleinen Details. Beispielsweise klingt das Verschlussgeräusch fast wie der Spiegelschlag einer High-End DSLR, nur leiser und viel kürzer. Ich weiß, das ist natürlich rein subjektiv und sagt nicht direkt etwas über dessen Qualität aus, aber man muss es mal gehört haben. Es ist mit keinem anderen mir bekannten mechanischen Verschlussgeräusch vergleichbar und wirkt sehr verbindlich. Sei es das Klapp/Schwenk-Display, der Klappenmechanismus für die SD-Kartenslots oder die Schalter und Knöpfe. Alles ist auf höchstem mechanischen Niveau. Einzig die (nicht nur) Olympus-typischen und wie Warzen vom Gehäuse abstehenden Ösen zur Gurtbefestigung empfinde ich als lästige Fremdkörper. Canons Lösung mit ins Gehäuse eingelassenen Ösen ist weitaus eleganter. Und manche mögen bemängeln, dass die Tasten der Kamera keine zuschaltbare Hintergrundbeleuchtung haben. – Nichts ist perfekt.
Olympus-Neulinge müssen sich erst mal mit dem umfangreichen aber weitgehend logisch sortierten Menüsystem befassen. Die Möglichkeiten für Feineinstellungen, Justierungen und Personalisierung von Funktionen sind wohl in keiner Kamera komplexer. Profis werden sich aber schnell zurecht finden. Zu den meisten Funktionen kann man sich außerdem einen kurzen Hilfetext einblenden lassen. Nur in einigen Fällen gibt weder der Name der Funktion, noch der Hilfetext eindeutig Auskunft, worum es sich hier handelt. Wirklich unverständlich finde ich nur, warum ausgerechnet die auf Machine Learning basierten Motiverkennungsfunktionen (derzeit werden Züge, Flugzeuge und „Motorsport“ [Autos und Motorräder] erkannt) so tief in den Menüs vergraben ist. Immerhin kann man sich häufiger benötigte Menüfunktionen in ein „Mein Menü“ eintragen, aber es gibt wiederum keine Möglichkeit, dieses „Mein Menü“ auf eine Tastenfunktion zu legen. Es ist nur über die Menütaste erreichbar und man muss ggf. erst zu dem entsprechenden Eintrag am Ende der Menüliste navigieren. – Noch mal: Nichts ist perfekt. Und je umfangreicher das Funktionsangebot, desto intensiver muss man sich damit befassen. Da sich die E-M1X nicht an Einsteiger wendet, gibt es hier auch keine Einsteiger-Hilfen, die dem Nutzer beispielsweise erklären, was bei Änderung des Blendenwerts passiert. Aber das wird hier auch keiner vermissen.
Alles in allem lässt sich die E-M1X wie kaum eine andere Kamera an die persönlichen Vorlieben anpassen. Hat man sich einmal ausreichend Zeit zur Gewöhnung genommen und um alles so einzustellen, wie man es am liebsten hat, steht die Kamera dem eigentlichen Zweck – Fotos schießen – nicht mehr im Wege. Das zeichnet ein gutes Kamerakonzept aus: Konzentration auf das Motiv statt Beschäftigung mit der Kamera.
Was ich allerdings (immer noch) vermisse, ist die Möglichkeit, die ganzen persönlichen Einstellungen auf der Speicherkarte sichern zu können. Bis zum Ende meines Tests gab es noch kein Firmware-Update. So konnte ich auch nicht überprüfen, ob in dem Fall die Nutzereinstellungen zurückgesetzt werden, wie es bei meiner E-M1 der Fall ist. Wie mir auf Nachfrage mitgeteilt wurde, gibt es inzwischen eine neue Version des
Olympus Digital Camera Updater für Mac und PC, die vor einem Firmware-Update abfragt, ob die Kameraeinstellungen auf dem Mac gesichert werden sollen. Eine Möglichkeit zur Speicherung auf der SD-Karte fehlt dennoch, um beispielsweise schnell die Settings für unterschiedliche Fotografen wechseln zu können. Sehr rückständig ist auch, dass die Camera-Updater-App für Mac nach Installation einen Neustart des Systems erfordert. – Hallo Olympus? Die Neunziger sind schon eine Weile vorbei!