Weitere Beispiele und FazitWas zu beachten ist: Die Objektive sind recht empfindlich gegenüber Streulicht. Vor allem seitlich einfallendes Sonnenlicht kann daher zu starken Lens-Flare-Effekten führen, wie die folgenden beiden Aufnahmen zeigen:
Links: Sonne weit genug im Rücken. Rechtes Bild: Starke Blendenflecken bei seitlich einfallendem Sonnenlicht.
Der Portrait-Modus sorgt für schöne Weichzeichnung des Hintergrundes, wodurch das Hauptmotiv besonders hervorgehoben wird. Systemkameras mit deutlich größeren als Smartphonesensoren können den sogenannten Bokeh-Effekt auf rein optischem Wege erzeugen. Das iPhone und seine Konkurrenten müssen diesen Effekt hingegen errechnen. Das iPhone 11 Pro macht dabei eine sehr gute Figur. Allerdings kann es immer wieder mal zu kleinen „Rechenfehlern“ kommen, wenn die Neural Engine Hauptmotiv und Hintergrund nicht perfekt voneinander unterschieden kann. Damit der Portrait-Modus (der nur mit Haupt-, Tele- und Frontkamera funktioniert) optimale Ergebnisse liefern kann, muss man vom Hauptmotiv einen gewissen Mindestabstand halten, sodass auch genug Hintergrund zu sehen ist, um ein 3D-Mapping zu ermöglichen. Nahaufnahmen mit Bokeh werden dadurch erschwert bis nahezu unmöglich. Im folgenden Beispiel ist der Effekt nahezu perfekt gelungen:
Von einem natürlichen (rein optisch erzeugten) Bokeh kaum zu unterscheiden. Nur wer ganz genau hinsieht, erkennt, dass die mit Pfeilen markierten Bereiche von der Neural Engine nicht als Hintergrund erkannt wurden.
Ein weiteres Beispiel für Erkennungsfehler: Links ohne Bokeh (so erscheinen Portrait-Aufnahmen im Fotostream), rechts mit Bokeh-Effekt. Die kleine Blüte am rechten Rand verschwindet in der Unschärfe, liegt aber tatsächlich gar nicht so weit im Hintergrund und müsste daher klarer erscheinen. Hier wurde sie förmlich wegradiert.
Nachtmodus: Das Bild links entstand mit der Hauptkamera im Nachtmodus, das Rechte mit der UW-Kamera, die den Nachtmodus nicht unterstützt.
Ein paar Erläuterungen zum NachtmodusSinn und Zweck des Nachtmodus ist, klare und gut erkennbare Bildergebnisse bei schwacher Umgebungsbeleuchtung zu erzielen, und das möglichst ohne Stativ. Das heißt allerdings nicht, dass man nie wieder ein Stativ braucht.
Das iPhone macht im Nachtmodus vom Nutzer praktisch unbemerkt eine ganze Reihe von Aufnahmen. Einige davon mit verlängerter Belichtungszeit. Diese kann, je nach Lichtverhältnissen und wie ruhig das iPhone gehalten wird, bis zu zehn Sekunden betragen. Bei Schummerlicht reichen der Logik meist Belichtungszeiten zwischen einer und zwei Sekunden, die auch freihändig gut gelingen.
Der Nachtmodus funktioniert nur mit dem Haupt- und dem Teleobjektiv, da nur diese über einen Bildstabilisator und genügend Fokus Pixel verfügen, um eine automatische pixelgenaue Ausrichtung der Aufnahmen zu gewährleisten.
Der Nachtmodus aktiviert sich automatisch, wenn die Verhältnisse dies erfordern. Zu erkennen ist der Nachtmodus an dem oben im Display erscheinenden Mond-Symbol. Ein Tipp darauf zeigt die automatisch gewählte Belichtungszeit an. Die kann im unteren Bereich über eine Skala verändert werden, oder der Nachtmodus damit ausgeschaltet werden. Bei sehr wenig Licht empfiehlt sich auch mit Nachtmodus ein Stativ, da die Belichtungszeiten deutlich länger werden. Da die Neural Engine Bilder bzw. Bildbereiche mit zu viel Verwackelungsunschärfe verwirft, ist eine sehr ruhige Haltung oder noch besser ein Stativ in solchen Situationen hilfreich.
Das iPhone errechnet aus den in Serie aufgenommenen Bildern eine Komposition mit für das Auge weitgehend natürlich aussehendem Licht. Das kann auf den Bildern weitaus heller erscheinen, als es das nackte Auge in der Natur wahrzunehmen vermag. Die Ergebnisse sind meist sehr beeindruckend. Aber natürlich kann ein erfahrener Fotograf mit einer guten Systemkamera und Stativ auch hier deutlich bessere Ergebnisse erzielen. Nur eben nicht mit so geringem Aufwand. Beim iPhone reicht ein Klick und fertig ist eine meistens sehr überzeugende Nachtaufnahme.
Vergleich Hauptkamera und Ultra-Weitwinkel. Während das Primärobjektiv mit seinen umgerechnet 26 mm Brennweite nahezu keine Verzeichnung zeigt (nur nicht ganz perfekt gerade gehalten), sind mit der UW-Linse an den Rändern deutliche Verzerrungen zu erkennen. Das ist bei Objektiven mit derart großem Bildwinkel aber praktisch unvermeidlich und kann nur in begrenztem Rahmen korrigiert werden…
Die automatische Optimierung der Bilder durch die Neural Engine fördert manchmal gewisse Effekte durch die starke Bearbeitung zutage. In diesem Beispiel erscheint der Himmel um das Hauptmotiv dunkler, als in den Bereichen außerhalb. Ähnliche Effekte kann man bei herkömmlicher Fotografie manchmal beim Einsatz von Polfiltern entdecken.
Smart HDRDie gegenüber den Vorgängermodellen noch mal verbesserte Smart-HDR-Funktion sorgt dafür, dass in Situationen mit harten Kontrasten mehr Details in Lichtern und Schatten erhalten bleiben, um einen natürlicheren Look zu erzeugen. Das funktioniert in den meisten Standardsituationen auch sehr gut, hat aber auch seine Grenzen. Das folgende Bild ist ein Beispiel dafür:
Die Aufnahme entstand bei mittlerer Raumbeleuchtung. Die Neural Engine hat daraus in den wichtigen Bereichen eine sehr ausgewogene Kombination gemacht, aber die (nicht allzu hellen) Kerzenglühbirnen sind vollkommen überstrahlt.
Ähnliche Ergebnisse mit ausgebrannten Lichtern erlebt man auch häufig bei Innenaufnahmen mit einem Fenster mit Tageslicht im Hintergrund. In anderen Situationen wiederum funktioniert das sehr gut, wie das folgende Beispiel zeigt:
FazitDie iPhone-Kamera ist längst nicht mehr nur eine reine Schönwetter-Kamera. Dank „Night Mode“, „Smart HDR“ und „Semantic Mapping“ liefert sie auch unter weniger idealen Lichtverhältnissen in den meisten Fällen ausgezeichnete Fotos ohne aufwendige Nachbearbeitung. Aber die „Intelligenz“ dahinter hat nach wie vor ihre Limits.
Die neue Ultra-Weitwinkel-Kamera des iPhone 11 Pro ist in vielen Motivsituationen eine sehr willkommene und hilfreiche Ergänzung. Auch wenn sie mit gewissen Limitierungen wie dem nicht unterstützten Night Mode und RAW versehen ist.
Eine Systemkamera kann das iPhone auch mit diesen Qualitäten nur begrenzt ersetzen. Es kommt noch immer stark auf den Bedarf an. Und ein Wechselobjektivsystem ist natürlich viel flexibler, als drei fest verbaute Festbrennweiten ohne echtes Teleobjektiv. Nichtsdestotrotz kann das iPhone 11 Pro in
sehr vielen Situationen durchaus eine schwere Kameraausrüstung überflüssig machen, was ein echter Segen sein kann. Vor allem dann, wenn Fotos ohne weitere Nachbearbeitung bzw. RAW-Entwicklung genutzt werden sollen.
Es bleibt noch abzuwarten, welche weiteren Verbesserungen sich mit „Deep Fusion“ ergeben, sobald Apple dieses Feature nachreicht. Ich werde die Funktion dann noch mal genauer unter die Lupe nehmen.