AX Visio Praxis: Bedienung und Foto-FunktionNun aber raus in die Natur! Dummerweise ergaben sich im Testzeitraum nicht allzu viele Gelegenheiten, um die Fähigkeiten des AX Visio auf jede erdenkliche Weise auf die Probe stellen zu können. Entweder das Wetter war unter aller Sau, oder es fehlte schlicht die Zeit. Letztlich ergab sich aber vor allem am Wochenende nach Ostern eine schöne Gelegenheit an der Kieler Förde. Dort gibt es unzählige nahe bis sehr ferne Beobachtungsziele, sowie viele Vögel.
Die zugehörige Tragetasche erwies sich als sehr funktional und praktisch. Die Okulardeckel habe ich nach einiger Zeit in dafür passenden Innentaschen verstaut und dort gelassen. Die Tasche reichte als Schutz. Das an- und abstecken der Deckel ist auf Dauer irgendwie lästig. Aber gut, dass man sie in der Tasche mit sich führen kann und für den Fall der Fälle dabei hat.
Das AX Visio lässt sich leicht aus der Clamshell-Öffnung der Tasche entnehmen. Wie im Ergonomie-Teil erläutert, muss ich das AX Visio aber stets mit zwei Händen bedienen. Das Einschalten der Elektronik (das Fernglas kann natürlich auch ausgeschaltet rein optisch benutzt werden) geht leider nicht so flott, wie mit einer modernen Kamera. Die Powertaste muss erst drei Sekunden gedrückt gehalten werden, dann dauert es noch fast 30 Sekunden (!) bis das System gebootet ist. Da lässt man das das AX Visio während eines Ausflugs doch lieber die ganze Zeit über eingeschaltet. Das geht bei rund 15 Stunden Akkuausdauer auch locker, zumal es einen einstellbaren Standby-Modus gibt.
Die Optik und das FernglasDie rein optische Funktion des AX Visio überzeugt. Für ein 10x32 Fernglas bietet es eine enorme Schärfe, hervorragenden Kontrast und ordentliche Helligkeit. Auch wenn es in letztgenanntem Punkt sichtbar nicht mit dem 10x42 Zeiss mithalten kann. Die Unterschiede im Sehfeld fallen dagegen nur im direkten Vergleich auf. Das Bild des AX Visio ist wunderbar groß und knackig.
Einen merklichen Unterschied zum Zeiss gibt es hingegen noch bei der Austrittspupille in Bezug auf Abschattungen. Die Augen müssen beim Swarovski deutlich exakter vor dem Einblick positioniert werden, da es sonst schnell zu Randabschattungen kommt. Das macht sich insbesondere bei Nutzung mit Brille bemerkbar, womit mir die Nutzung des AX bei weitem nicht so gut gefällt, wie das Zeiss. Wer keine Brille trägt (auch Brillenträger können es ohne Brille nutzen), hat damit weitaus weniger Probleme.
Noch ein Manko des AX ggü. dem Zeiss ist die deutlich längere Naheinstellgrenze von 3 statt nur 1,5 Metern. Das mag bei einem Fernglas komisch klingen, weil man damit ja primär entfernte Objekte betrachten möchte, doch in der Praxis macht es auch sehr viel Spaß, beispielsweise ein nahes Tier oder gar Insekten aus kürzerer Distanz deutlich zu vergrößern. Das AX Visio ist in diesem Punkt nur durchschnittlich gut.
Alles in Allem merkt man dem AX Visio seinen hohen Qualitätsstandard aber an. Die Performance ist für ein 10x32 absolut brillant. Hier noch ein paar Vergleichsbilder des AX Visio zum Zeiss Victory SF:
Auf dem ersten Bild wirkt das Zeiss deutlich größer. Es ist aber nur etwas länger, sonst aber in allen Dimensionen kleiner und vor allem erheblich leichter.
Fotografieren mit dem AX VisioMit dem Fernglas fotografieren zu können ist nicht ganz neu. Aber die meisten Ansätze in dieser Richtung sind doch völlig anders. Wie etwa das
hier getestete Sony DEV-50V, welches kein echtes optisches Fernglas ist, sondern eher eine Stereo-Digitalkamera.
Der Ansatz von Swarovski, ein klassisches Fernglas-Design mit einer zusätzlichen Digitalkamera zu verheiraten, ist meines Wissens in dieser Form neu. In der Praxis funktioniert das so:
Das Moduswahlrad wird auf das Kamerasymbol gestellt. Nun sucht man sich mit Blick durch das Fernglas ein Motiv. Über die Auslösetaste wird die Kamera (nicht das Fernglas) fokussiert und nach vollständigen Durchdrücken der Taste ein Bild aufgenommen. Es gibt aber weder ein Livebild im Fernglas (nur das rein optische Bild, wie bei einer Messsucher-Kamera) und auch keine Möglichkeit, die Aufnahme anschließend im Fernglas zu betrachten. Also kein „
Chimping“! Die Fotos werden alle im internen Speicher gesammelt und müssen später per App auf das iDevice übertragen werden, um sie auswerten zu können.
Der eigentliche Fotografiervorgang erfordert ein ruhiges Händchen. Das Fernglas selbst hat keinen optischen Bildstabilisator, was schön wäre, aber sowieso keinen Einfluss auf das Kamera-Objektiv hätte. Die Kamera scheint irgend eine Form von Stabilisator oder zumindest eine Erkennung zu haben, denn es wird im HUD bei zu starker Bewegung ein Symbol für Verwackelungsgefahr angezeigt. Bei der starken Vergrößerung, die ganz grob etwa einem 500-mm-Objektiv an Kleinbild entspricht, wäre ein effektiver Bildstabilisator – egal ob optisch oder sensorbasiert – auf jeden Fall extrem hilfreich, denn es wird ja praktisch immer freihändig und nicht vom Stativ fotografiert.
Tatsächlich ist die Rate der unscharfen Bilder in meinen Versuchen recht hoch gewesen, was man ja leider immer erst hinterher, nach der Übertragung der Bilder sieht. Das lag aber längst nicht immer an Verwackelung, sondern viel häufiger an falscher Fokussierung. Mit nachlassenden Lichtverhältnissen verschlimmert sich das noch. Tageslicht am besten mit Sonnenschein ist hilfreich. Bei schlechtem Licht wird außerdem Bildrauschen schnell zu einem Faktor. Die vollkommen automatische Belichtung und automatische ISO-Einstellung der Kamera bietet keine manuellen Einflussmöglichkeiten auf die Aufnahmeparameter.
Nach Auswertung der ersten Bilder offenbarte sich noch ein echtes Design-Problem. Beinahe alle Aufnahmen waren deutlich nach rechts gekippt. Zuerst dachte ich, es läge an mir. In dem kreisrunden Sucherbild durchs Fernglas ist es manchmal schwer eine horizontale Ausrichtung zu erzielen. Andererseits stehe ich beim Blick durch das Fernglas eigentlich immer ziemlich gerade und weil es im Gegensatz zum Sucher einer Kamera an beide Augen gehalten wird, müsste die Ausrichtung eigentlich ziemlich waagerecht sein. Also was ist da passiert? Bin ich so krumm?
Wie sich bei genauerer Betrachtung herausstellte, liegt es an der Einstellung für den Augenanstand. Bei Ferngläsern wird der üblicherweise durch „knicken“ der Brücke eingestellt. Je größer der Augenabstand, desto weiter muss man die beiden Fernrohre über das Gelenk der Brücke auseinander bewegen. Das Problem beim AX Visio ist, dass die oben aufgesetzte Kamera, die quasi Teil der Brücke und des Gelenks ist, durch das Verstellen des Augenabstandes verdreht wird. Nur wenn das Fernglas ganz „zusammengeklappt“ ist, steht die Kamera in der richtigen Position. Aber kein erwachsener Mensch hat einen so geringen Augenabstand. Je weiter der Augenabstand, desto schiefer das Bild.
Die Folge: Praktisch alle Fotos müssen in der Nachbearbeitung begradigt oder in den tatsächlich gewünschten Winkel gebracht werden, was natürlich mit Auflösungsverlust durch die Beschneidung einher geht. – Was für ein Fauxpas!
Anspruchsvolle Fotografen, oder all diejenigen, die an die Fotoqualität moderner Smartphones gewöhnt sind, müssen noch weitere Einschränkungen in Kauf nehmen. Im Test fiel besonders der geringe Dynamikumfang negativ auf. Während das Fernglas beim Blick in Richtung Sonne (aber natürlich nicht direkt in die Sonne!) eine sehr gute Streulicht-Resistenz und damit auch einen hohen Kontrast und gute Dynamik aufweist, zeigen Gegenlicht-Fotos mit dem AX Visio oft einen vollkommen ausgewaschenen Himmel.
Die Belichtungsmessung erfolgt offenbar mittenbetont, womit das mittig anzuvisierende Motiv meist korrekt belichtet ist, aber hellere Elemente sind dann oft nur noch eine homogene weiße Fläche. So etwas wie die HDR-Fähigkeiten eines iPhone durch multiple Belichtungen in einem Sekundenbruchteil gibt es hier nicht. Und auch der AF ist nicht immer zuverlässig, wobei erschwerend hinzukommt, dass die von der Kamera eingestellte Schärfe beim Blick durchs Fernglas gar nicht kontrolliert werden kann, weil das ja kein Livebild des Sensors ist.
Hier einige Beispielfotos:
Zwei mal die selbe Perspektive innerhalb kürzester Zeit – mit sehr unterschiedlichen Belichtungsergebnissen.
Die Fotoqualität des AX Visio erinnert mich eher an Kompaktkameras der frühen 2000er Jahre. Nur mit 13 statt 4 Megapixeln Auflösung. Für dokumentarische Zwecke, sowie zur Rekapitulation der Beobachtungen und vielleicht mal zum Teilen einer Beobachtung reicht die Qualität aus. Nicht jedoch für anspruchsvolle Fotografie. Dafür fehlen zudem alle bei Kameras üblichen fotografischen Einstellungsmöglichkeiten. Das AX Visio ist der Inbegriff einer Point-and-Shoot-Kamera.