Praxis und KlangWas kann man über die praktischen Eigenschaften von beyerdynamic-Kopfhörern sagen, was nicht schon tausendmal erwähnt wurde? Die Kopfhörer der Heilbronner gehörten schon immer zu den Besten in Sachen Tragekomfort und Robustheit. Weder der DT 1990 Pro, noch der Amiron home brechen mit dieser Tradition.
Wie zuvor schon kurz angedeutet hat der 1990 einen etwas höheren Anpressdruck, was ihm bei starken Kopfbewegungen minimal bessere Sitzfestigkeit verleiht. Das kompensiert der Amiron mit seinem etwas geringeren Gewicht, also weniger träger Masse. Was dem Komfort des Amiron wirklich zugute kommt, sind die vom Körper wegzeigenden Anschlüsse. Außerdem gibt es bei dem Heim-Köpfhörer weniger Kabelgeräusche zu verzeichnen.
Aufgrund seiner einseitigen Kabelzuführung an die linke Hörmuschel muss das Kabel des DT 1990 Pro durch den Bügel hindurch mit der rechten Hörmuschel verbunden werden. Leider konnte beyerdynamic die Verbindung nicht gänzlich unsichtbar verlegen, wie es etwa
B&W beim P9 Signature (
Testbericht) gelungen ist. Kurze, freiliegende Kabelbrücken oberhalb der Hörmuscheln stören das Gesamtbild ein wenig und sind potentielle Schwachstellen, in denen sich – theoretisch – etwas verheddern und zu Beschädigungen führen kann.
Bei den Kabeln gibt es noch weitere Unterschiede zu vermelden. Die Leitungen des DT 1990 Pro sind in einem runden Mantel verpackt, das Kabel des Amiron ist hingegen als Doppel-Leitung ausgelegt. Letztere fällt etwas glatter, während das lange Rundkabel des DT 1990 Pro etwas steifer ist und zur Schlaufenbildung neigt. Wenn es längere Zeit aufgerollt gelagert wird (oder wenn Sie es das erste Mal auspacken und anschließen), ist es dadurch etwas störrisch in der Handhabung bzw. in der Verlegung. Mit den schönen, stets glatten, textilverkleideten Kabeln eines beyerdynamic T 1 können beide nicht ganz mithalten.
Die Ohrpolster des DT 1990 Pro auszutauschen, ist leider nicht ganz so einfach, wie man es beispielsweise von B&W oder Sonus faber PRYMA mit ihren magnetischen Befestigungen her kennt. Ich musste selbst erstmal ein wenig forschen, wie genau das geht. Wenn man es erstmal weiß, ist es eigentlich recht simpel, aber ohne Anleitung kann durchaus einiges schiefgehen.
Im Netz kursieren diverse Video-Anleitungen dazu. Möglichkeit 1 ist, den Haltering, auf dem das Ohrpolster aufgezogen ist, mit einem Schraubendreher aus seiner geclippten Befestigung zu lösen und dann das Ohrpolster aufzuziehen, indem man den Rand an einer Stelle ansetzt und es dann durch Drehen auf den Ring zieht. Anschließend clippt man den Haltering dann wieder an die Kopfhörer. Das war wohl früher die gängige Methode. Was ich erst später geschnallt habe: Es geht auch, ohne den Ring vorher abzuhebeln. An einer Stelle des Rings befindet sich nämlich eine kleine dreieckige Einkerbung. Daran setzt man die Überwurfmanschette des Ohrpolsters an und dreht sie dann komplett auf die Halterung. beyerdynamic selbst hat dazu ein kleines Video erstellt:
Wenn man das zwei, drei Mal gemacht hat, ist es in wenigen Sekunden erledigt. Aber den Komfort einer magnetischen Halterung erreicht das nicht.
KlangvergleichWährend man sich bei den praktischen Eigenschaften durchaus uneins darüber sein kann, welcher der beiden Kandidaten die professionellere Lösung ist, geht die Sache bei der Klangabstimmung doch viel eindeutiger aus.
Setzt man den DT 1990 Pro und den Amiron home das erste Mal auf, sind die Unterschiede zwischen den beiden äußerst gering. Sie haben beide denselben, beyerdynamic-typischen Grundcharakter: klar, offen, spritzig, eher linear abgestimmt, ohne übertriebene Bassbetonung, aber für manchen Geschmack vielleicht auch etwas zu hell. Nach dem Einspielen und längerem A/B-Vergleich über den Questyle CMA600i DAC/Kopfhörerverstärker (Test folgt in Kürze) schälen sich die Unterschiede so langsam heraus.
Es ist genau so, wie es in der Absicht des Herstellers lag: Der DT 1990 Pro erzeugt mit einer leichten Mittenanhebung ein besonders hervorstechendes und bis ins kleinste Detail durchhörbares Klangbild. Die Anhebung im oberen Mitten- bis Höhenbereich wirkt wie eine Klanglupe und erlaubt dem Hörer damit eine besonders genaue Beurteilung der Aufnahme im besonders wichtigen Mitteltonbereich. Das menschliche Ohr ist hier mit Abstand am empfindlichsten, also sollte da alles perfekt passen. Eine Analogie aus der Bildbearbeitung wäre, dass der DT 1990 Pro etwas in die Grafik hinein zoomt, um die feinen Details besser bearbeiten zu können.
Ganz anders der Amiron home. Er zeigt stets das Gesamtbild, ohne inhaltlich etwas wegzulassen. Er ist damit etwas zurückhaltender aber auch neutraler abgestimmt. Räumlich gesehen wirkt seine Abbildung stets etwas entfernter, also etwa wie aus den vorderen Reihen im Publikum, statt vom Dirigentenpult.
Und dann wären da noch die Ersatz-Ohrpolster des DT 1990 Pro. Diese besitzen, wie auf dem folgenden Bild zu sehen, gegenüber den Standard-Ohrpolstern auf der Innenseite mehr Löcher, sind also akustisch etwas offener. Der Effekt ist eine leichte (ich betone:
leichte) Bassanhebung, die dem Klang für meinen Geschmack auch ein wenig mehr Entspanntheit verleiht.
Die Abbildung gewinnt dadurch nicht nur unten herum etwas mehr Substanz, sondern wirkt bis in die Mitten minimal luftiger, aber auch eine Spur weniger zackig. Im Vergleich zu Kopfhörern mit einer von außen einstellbaren Bassabstimmung, wie etwa dem beyerdynamic
Custom One Pro, ist der Effekt hier deutlich dezenter. – Was auch gut so ist. Der DT 1990 Pro muss schließlich stets unbestechlich bleiben und darf kein „Geschmäckle“ hinzufügen.
In der Anfangsphase und beim spontanen Reinhören gefiel mir der DT 1990 Pro etwas besser als der Amiron. Was ganz klar auf seinen etwas anspringenderen, kontraststärkeren Charakter zurückzuführen ist. Das ist wieder
entfernt mit Bildwiedergabe vergleichbar. Fernseher werden nicht umsonst in den Verkaufsräumen mit besonders hohem Kontrast, satter eingestellten Farben und mehr Schärfe gezeigt. Das „knallt“ einfach besser rein. Ein daneben stehender Fernseher mit neutralerer, flacherer Bildjustage würde das Laufpublikum einfach nicht überzeugen. Zuhause jedoch fährt man mit einer zurückhaltenderen Abstimmung auf Dauer besser. Irgendwann wirken zu starke Kontraste einfach unnatürlich. Und so ähnlich ist es mir auch mit diesen beiden Kopfhörern ergangen. Je mehr ich mit beiden gehört habe, desto länger verblieb am Ende der Amiron home auf meinem Kopf. Bitte überbewerten Sie die Formulierung nicht, aber der DT 1990 Pro ist zum Dauerhören einfach etwas anstrengender. Man regelt bei ihm auch früher die Lautstärke runter, als mit dem Amiron.
Das ist genau die von den Entwicklern gewollte Abstimmung, mit der sich die beiden Kopfhörermodelle perfekt für die gewünschten Zielgruppen empfehlen.