Tidal goes HiRes FLAC – Ist das Ende für MQA besiegelt?
Die Gerüchte schossen schnell ins Kraut. Bereits kurz vor Ostern wurde bekannt, dass MQA Ltd, das Unternehmen, welches hinter dem MQA-Übertragungsformat für Audiodateien und dessen Lizenzgebung steht, Insolvenz angemeldet hat.
HintergrundDas in den 2010er-Jahren vom ehemaligen Meridian-Gründer Robert (Bob) Stuart entwickelte Format MQA soll, kurz gesagt, Studio Master Qualität ohne jede Einschränkung zum Verbraucher bringen, und zwar über alle Verteilungswege. Also über Online-Streaming ebenso wie als Download oder sogar auf CD. Das Kürzel MQA steht deswegen auch für „Master Quality Authenticated“. Ohne zu sehr in die technischen Details zu gehen: damit das funktioniert, muss die Hardware sowohl auf der Aufnahme- als auch auf der Wiedergabeseite die verschiedenen "Folding"-Stufen von MQA unterstützen. Heißt beispielsweise: Wer ein MQA-File in maximaler Qualität hören will, braucht einen DAC, der MQA komplett unterstützt, ansonsten wird die Datei mit etwas verringerter Qualität wiedergegeben. – Wirklich nur ganz kurz angerissen.
Bob Stuart entwickelte das Format MQA und gründete MQA Ltd.Die Idee dahinter ist durchaus lobenswert, soll MQA doch stets maximale Qualität bei zugleich geringerem Bandbreitenbedarf im Vergleich zu anderen verlustfrei komprimierten Dateiformaten wie FLAC ermöglichen. Doch so sehr ich selbst anfangs davon auch angetan war, stellte sich das Prinzip schnell als eigentlich überflüssig heraus und erzeugte nur unnötige Lizenzkosten, sowie technische Einschränkungen für Entwickler von DACs, die MQA unterstützen wollten. (Was durchaus viele sind.)
MQA kam auch in Verruf, weil der angebliche Vorteil einer absolut verlustfreien Übertragung bei geringerer Bandbreite genaueren Überprüfung nicht stand hielt. – Auch wenn diese Diskussion letztlich eine ziemliche Erbsenzählerei war.
Auf breiter Front durchgesetzt hat sich MQA nie. Lediglich
Tidal hat sich als einziger größerer Streaming-Dienst zu MQA bekannt und bietet das Format seit Jahren als bestmögliche Wiedergabemöglichkeit an. Auf regulären Datenträgern wie CDs oder SACDs spielt MQA praktisch keine Rolle. Ein weiterer Grund, warum MQA im Grunde fast von Anfang an überflüssig war, ist, dass heutige Bandbreiten bei Internetverbindungen selbst mit "reinem" HiRes-Streaming bis 24bit/192kHz problemlos zurecht kommen. Selbst Mobilfunkverbindungen (LTE) schaffen das, wobei der limitierende Faktor hier eher das verfügbare vertragliche Datenvolumen ist, welches aber auch mit MQA recht schnell verbraucht sein kann. Videostreaming in 4K erfordert wesentlich höhere Bandbreiten und auch das ist kein Problem. Also wozu noch MQA und die damit verbundenen Einschränkungen und Kosten?
Diese Frage setzte sich bei vielen MQA-Befürwortern wohl nur langsam durch, aber irgendwann muss man sich den Realitäten stellen. Und die Realität ist: MQA braucht kein Mensch.
Tidal macht eine KehrtwendeNachdem die MQA Ltd. nun Insolvenz angemeldet hat, verkündete der einzige Große MQA-Partner Tidal, man wolle in Kürze HiRes-Audio in FLAC anbieten. So wie es beispielsweise
Qobuz schon seit Jahren macht und sich nie mit MQA abgegeben hat. Tatsächlich kündigte Tidal nun an (Übersetzung aus Original-Wortlaut):
"TIDAL hat schon immer in überragende Audioqualität investiert und ihr Priorität eingeräumt. Unser Engagement für offene Plattformen sowohl für Künstler als auch für Fans ist der Grund dafür, dass wir FLAC und insbesondere HiRes FLAC als bevorzugte Option für die beste Klangqualität einsetzen, die wir anbieten.
Zusätzlich zu MQA verwenden wir verschiedene hochwertige und immersive Audioformate wie Dolby Atmos, um unseren Abonnenten ein erstklassiges Hörerlebnis zu bieten und mehr Künstlern die Möglichkeit zu geben, ihre Musik genau so zu präsentieren, wie sie klingen soll.
Derzeit ist HiRes FLAC für HiFi Plus-Abonnenten verfügbar, die an unserem Early Access Programm teilnehmen. Wir freuen uns darauf, dieses Audioformat im Laufe des Sommers für alle HiFi Plus-Abonnenten einzuführen. Bleiben Sie dran für Updates!"Tidal-Chef Jesse Dorogusker schrieb in einem
Reddit-Post:
"Starting today, there are over 6 million tracks available to stream in HiRes FLAC. We're actively working with distributors, labels, and artists to add more content in this format every day."Erste Beta-Tester können das Angebot schon nutzen, der Rest der Abonnenten kommt voraussichtlich im August in den Genuss. So wie es derzeit aussieht, wird MQA bei Tidal auch weiterhin angeboten. Klar, warum sollte man die vielen aufwendig codierten Dateien auch wegschmeißen. Aber sicher ist auch, das HiRes FLAC künftig mehr im Vordergrund stehen und MQA mit der Zeit aus dem Bewusstsein der Nutzer, der Hardware-Entwickler und vermutlich auch bei Tidal verschwinden wird.
Fazit – Die Musikwelt dreht sich ungerührt weiterDas Ende einer recht kurzen Ära eines seltsamen Digitalformates dürfte damit in nicht mehr allzu großer Ferne liegen. Wer speziell wegen MQA in bestimmte Hardware investiert hat, wird sich deswegen womöglich ärgern. Aber letztlich wird der Verlust kaum spürbar sein, denn praktisch alle DACs, die MQA bieten, können auch ganz normales HiRes über FLAC oder andere Formate abspielen. In der selben oder sogar besseren Qualität. An der Bandbreite wird es kaum scheitern.
Auch Entwickler von DAC-Chips und DAC-Komponenten müssen sich künftig über MQA wohl keine Gedanken mehr machen. Ein Unternehmen weniger, an das Lizenzzahlungen geleistet werden müssen. Und mindestens genau so wichtig: Bei der Entwicklung innovativer DAC-Schaltungen muss auf die technischen Gegebenheiten von MQA keine Rücksicht mehr genommen werden, nur weil ein paar Kunden unbedingt MQA wollen.
Ob und wie es mit MQA Ltd. weitergeht (wenn überhaupt), muss die Zukunft zeigen. Tidal jedenfalls wird MQA nicht kaufen. Das wäre wohl auch rausgeschmissenes Geld.