Raumakustik-Optimierung mit AudirvanaSchritt 1: Das Problem aufspüren und einkreisenSpielen Sie mit gehobener Lautstärke ein Musikstück, das besonders auffällige Dröhneffekte im Raum verursacht. Also irgend etwas mit ausgeprägtem Bassanteil. Geeignet sind oft Titel mit Bassgitarre oder gestrichenem Bass.
Setzen sie sich an Ihren bevorzugten Hörplatz und starten Sie auf dem iPhone oder iPad die Audio
Spektrum Analysator-App. Im angezeigten Frequenzspektrum können Sie die am stärksten überhöhten Frequenzen sehen, wie im folgenden Beispiel gezeigt:
Für eine genauere Messung schließen Sie das oben erwähnte USB-Messmikrofon an den Mac an und starten z. B. mit REW einen Sinus-Sweep (ansteigender Messton) zwischen ca. 20 Hz und 20 kHz. (Ein Sweep bis ca. 1.000 Hz reicht auch, da wir uns hier nur um den Bassbereich kümmern.) Im anschließend angezeigten Frequenzgang können sie etwaige Problembereiche klar identifizieren. REW kann das Spektrum auch auf andere Arten darstellen, wie z.B. in einem Wasserfall-Diagramm.
In diesen Beispielen ist bei rund 90 Hz zu viel Schallenergie im Raum und ein unsauberer Bass wahrnehmbar. Damit ist das Problem schon eingekreist.
Schritt 2: Die HeilungDie Player-Software Audirvana Plus ist nicht ohne Grund unter HiFi-Fans äußerst beliebt. Sie ist nicht nur sehr komfortabel und vielseitig mit diversen Audio-Endgeräten über USB oder Netzwerk (UPnP) nutzbar, sie besitzt auch eine Funktion, um sogenannte Audio Units (AU) als Plug-Ins zu nutzen. Glücklicherweise existieren in macOS bereits eine ganze Reihe solcher AUs. (Ich gehe davon aus, dass die neuste OS-Version, also Catalina, installiert ist.). Es können aber auch andere Plug-Ins von Drittanbietern genutzt werden, wie das VST3 (
Installationsanleitung).
Öffnen Sie in Audirvana das Gerätemenü ihres angeschlossenen/verbundenen Audiogerätes durch einen Klick auf das Lautsprecher-Symbol (die Wiedergabe muss gestoppt sein):
Danach öffnen Sie mit einem Klick auf den ersten Button „kein Effekt“ das Kontextmenü und wählen dort den Punkt „Effect – Apple AUParametricEQ“ aus. Anschließend klicken Sie auf den Button „Konfigurieren“. Es öffnet sich folgendes Fenster:
Sie sehen dort innerhalb des Frequenzspektrums zwei senkrechte Linien mit einem Punkt dazwischen. Nun greifen Sie mit der Maus den Punkt und ziehen die Linien in den ermittelten Frequenzbereich (im Beispiel be ca. 90 Hz). Ziehen sie den Punkt nach unten, stellen Sie damit eine Absenkung der Frequenz in diesem Bereich ein. Ein kleines Hilfsfenster informiert Sie darüber, wie viel Hz Absenkung oder Anhebung eingestellt ist.
Je nachdem, wie stark die ermittelte Bassüberhöhung im Raum war, senken Sie die Frequenz probeweise um etwa den gleichen Betrag oder mehr ab. Anschließend können Sie durch Ziehen der senkrechten Linien den sogenannten Q-Faktor einstellen. Der bestimmt, wie breit oder schmal das Band ist. Wenn Sie eine Frequenz absenken, wählen Sie eher ein schmaleres Band und stärkere Absenkung, während es beim Anheben besser ist, wenn Sie ein breiteres Band einstellen.
Beispiel: Haben Sie eine Frequenzüberhöhung im Bereich zwischen 80 und 100 Hz ermittelt, wobei das Maximum bei 90 Hz mit +5 dB liegt, stellen Sie eine Absenkung von etwa -5 bis -10 dB mit einem Q-Faktor von ca. 2,5 - 3 ein. Anschließend klicken Sie auf „Speichern“.
Die Einstellungsmöglichkeiten sind etwas fummelig und für das bestmögliche Ergebnis ist etwas Experimentierfreude angesagt. Je nach Ausprägung der Raummode sollten Sie aber unmittelbar eine deutliche Verbesserung der Basspräzision wahrnehmen können.
Audirvana empfiehlt, die Echtzeit-Steuerungsoption zu aktivieren (der Button unterhalb der Audio Units), um das Plugin während des Hörens konfigurieren zu können. Anschließend sollte die Funktion wieder deaktiviert werden, um die bestmögliche Renderingqualität zu erhalten.
Im Bedarfsfall können in Audirvana bis zu vier Bänder – also zu korrigierende Bereiche im hörbaren Frequenzgang – mittels EQ korrigiert werden. Jedes zusätzlich aktivierte EQ-Band erhöht allerdings die Komplexität der Auswirkungen. „Verschlimmbesserungen“ sind nicht auszuschließen.
Aktivierte Audio Units wirken immer auf alle verfügbaren Ausgabegeräte. Diese lassen sich leider nicht individuell pro Gerät einrichten bzw. aktivieren/deaktivieren. Das ist insofern schade, weil beispielsweise für einen Kopfhörerverstärker nicht die selben raumakustischen Optimierungen wie für Lautsprecher benötigt werden. Vielleicht bessert Audirvana da noch mal nach.
Da die Einstellungen nur innerhalb von Audirvana wirken, lässt sich leider keine „Nachher-Messung“ mit REW und Messmikrofon machen. Sie sollten den Effekt aber akustisch klar nachvollziehen können. Per Spectrum-App auf dem iDevice kann die Wirkung auch visuell in groben Zügen überprüft werden.
FazitEs ist stets besser, ein Übel erst mal an der Wurzel zu bekämpfen, anstatt die Symptome zu behandeln. Im Falle von Problemen mit der Raumakustik sollte passive Optimierung, beispielsweise durch Raumakustikmodule, einer ausschließlichen Korrektur durch Frequenzgangverbiegung vorgezogen werden. Ohne größeren Aufwand und nur mit gewöhnlichen Einrichtungsgegenständen stößt man aber schnell an Grenzen. Daher ist eine
zusätzliche Optimierung per Messung und DSP ein probates und oft sehr wirksames Mittel.
Eine professionelle Raumakustikoptimierung vom Fachmann mit speziellen Akustikelementen oder aufwendigeren Einmesssystemen kann mit
erheblichen Kosten einher gehen. Akustikelemente sind zudem aus optischen Gründen nicht in jeder Wohnumgebung gewünscht – obwohl es heutzutage auch sehr schicke Akustikmodule gibt. Der Weg über eine digitale Frequenzanpassung ist wesentlich einfacher, flexibler und kostengünstiger, setzt aber die Nutzung entsprechender Hard- und Software voraus (wie hier den Mac und Audirvana). Andere Musikquellen, wie etwa der am Verstärker angeschlossene Fernseher oder CD-Player, profitieren von dieser Maßnahme allerdings nicht.
Es gibt viele HiFi-Komponenten, die mit internen digitalen Korrekturmöglichkeiten per Computer oder DSP aufwarten (wie etwa Linn), oder auch solche mit vollautomatischen Einmessfunktionen, ähnlich denen des Apple Home Pods. Doch wenn Sie primär Ihren Mac und Audirvana Plus zum Musikgenuss nutzen, ist der hier beschrieben Weg eine gute und günstige Gelegenheit zur Klangoptimierung.
Viel Spaß und Erfolg beim Experimentieren!