Ukraine-Konflikt: Russland entkoppelt sich vom Internet (Aktualisierung)
Facebook und Twitter werden in Russland blockiert, Netflix zieht sich aus dem Land zwischen Sankt Petersburg und Wladiwostok zurück, der große Backbone-Provider Cogent hat alle Verträge mit seinen russischen Kunden aufgelöst. Eine vollständige Trennung des flächenmäßig größten Staats der Erde vom Internet, wie sie nach der Invasion der Ukraine von einigen westlichen Politikern gefordert wurde, gibt es vor allem wegen des Widerstands der zuständigen Organisationen ICANN, RIPE NCC und ISOC allerdings bislang nicht. In wenigen Tagen schottet sich Russland aber offenbar selbst ab und wird faktisch zu einer Insel im World Wide Web.
Server und Domains müssen in die .ru-Zone wechselnDas in der polnischen Hauptstadt Warschau beheimatete und unter anderem auf Russland spezialisierte Medienprojekt Nexta veröffentlichte jetzt auf Twitter eine Anordnung des russischen Ministeriums für Digitale Entwicklung, Kommunikation und Massenmedien. Daraus geht hervor, dass bis zum 11. März 2022 alle Server und Domains in die russische Internetzone transferiert werden müssen. Die Regelung gilt einem Bericht von
golem.de zufolge für sämtliche Anbieter und Dienste, welche in dem Land öffentlich verfügbar sind. Darüber hinaus müssen alle Betreiber von Webseiten und anderen Internetangeboten auf russische DNS-Server wechseln. Wer bislang einen ausländischen Hostanbieter nutzt, muss zu einem in Russland ansässigen Provider umziehen.
Russische Regierung übernimmt die KontrolleZu den weiteren Maßnahmen gehört die Verpflichtung, im Ausland gehostete Webseiten-Ressourcen wie etwa Javascript-Code oder Inhalte in die .ru-Zone zu überführen. Das hat bis zum 15. März zu erfolgen. Sämtliche Webseiten- und Diensteanbieter müssen laut der Anordnung des Ministeriums zudem bis 9. März eine umfassende Übersicht über ihre öffentlich verfügbaren Ressourcen sowie deren Speicherorte zur Verfügung stellen. Die russische Regierung übernimmt damit de facto die vollständige Kontrolle darüber, welche Inhalte in dem Land angeboten werden können. Sie ist außerdem in der Lage, nach Belieben Webseiten und Dienste zu blockieren und Russland so komplett vom weltweiten Internet abzukoppeln. Einer strikten Zensur von Informationen steht damit nichts mehr im Wege. Welche Auswirkungen die jetzt angeordneten Maßnahmen etwa auf Apple und die russichen Kunden des kalifornischen Unternehmens haben werden, ist derzeit nicht klar. Möglicherweise kann der iPhone-Konzern den App Store nicht mehr in Russland zur Verfügung stellen, ebenfalls betroffen sein dürften die iCloud-Dienste.
Aktualisierung: Wohl nur staatliche russische Anbieter betroffenEiner vom Twitter-User Jiří Vyšín veröffentlichten
maschinellen Übersetzung zufolge gilt die Anordnung des Ministeriums offenbar ausschließlich für staatliche russische Anbieter von Webseiten und Internetdiensten. Diese sollen verstärkte Sicherheitsvorkehrungen treffen und eventuell bestehende Abhängigkeiten von ausländischen Providern und Services beenden. Apple und andere Unternehmen wie Microsoft oder Google sind von der Maßnahme daher – zumindest vorerst – nicht betroffen. Die Konzerne fahren ihre Aktivitäten in Russland allerdings bereits seit einiger Zeit selbst zurück, etwa im Hinblick auf Werbung, und haben einige Dienste bereits eingestellt. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten.