Vier Jahre Apple Watch: Der Stand der Dinge aus Sicht eines Uhren-Liebhabers
Apple Watch Verkäufe brummen. Und was machen die Anderen?Scheinbar hat die Uhrenindustrie die schallende Ohrfeige durch die Apple Watch aus reiner Abgestumpftheit gar nicht wahrgenommen, denn seit dem hat es kaum Innovationen gegeben, die traditionellen Uhren echte neue Reize geben könnten. Abgesehen von ein paar zaghaften Versuchen, die Smartwatch-Technologie mit hochwertigen Uhrengehäusen zu kombinieren, wie Tag Heuers
Connected-Serie.
Ideenlosigkeit ist weit verbreitetEinige Traditionsmarken wie Junghans bieten ein besonders trauriges Bild: 2012 hatte ich in der Rewind die Junghans Spektrum Mega Solar (018/1120.44)
getestet. Bis heute ist genau diese Uhr technisch unverändert im Handel. Einzige Änderung: Der Preis ist von rund 850 Euro auf 1.000 Euro gestiegen. Und hat es seit dem bei Junghans, die quasi die Funkuhr erfunden haben, irgendwelche technischen Innovationen gegeben? Nicht die geringsten. Lieber zehrt man von der Substanz und verkauft leicht abgewandelte Designvarianten des immer gleichen Themas. Selbst meine damaligen Kritikpunkte an der Spektrum, wie das kontrast- und blickwinkelschwache Datumsdisplay, sind unverändert. Wie will man denn so gegen die dynamische Konkurrenz der Smartwatches anstinken?
Löbliche AusnahmenImmerhin hat es bei den Japanern, vornehmlich bei Seiko und Citizen, gewisse technologische Weiterentwicklungen gegeben. (Und vielleicht noch bei Epson (!) mit der außergewöhnlichen „
Trume“.) So bieten beide Hersteller heute Solar-gespeiste Uhren mit GPS-Empfänger an, wodurch die Uhr die genaue Zeit und Zeitzone selbstständig einstellen kann. Seiko hat seit 2012 beständig daran gearbeitet, die damals viel zu großen Uhren etwas tragbarer zu machen und ist aktuell mit der
Astron 5X-Serie am Start. Designtechnisch sind jedoch auch diese Uhren irgendwie in der Zeit stehen geblieben.
Citizen hat sich an eine andere Herausforderung gewagt. Eine, von der ich mich schon vor 20 Jahren gefragt habe, warum das keiner versucht. Nämlich die Präzision der Quarzuhr zu verbessern, indem man bessere Quarze mit höherer Taktfrequenz einsetzt. Okay, ganz so trivial ist die Aufgabe sicherlich nicht, wie
hier nachzulesen ist. Aber nach rund 50 Jahren Quarzuhren für den Massenmarkt war eine signifikante Weiterentwicklung wirklich mal überfällig. Es geht dabei um das 2018 vorgestellte Citizen
Quarzwerk 0100, das eine Gangabweichung von lediglich einer Sekunde pro Jahr verspricht. Leider ist das neue Werk vorerst nur in limitierten Sondermodellen erhältlich, die
ab 7.800 Euro kosten und vermutlich schon ausverkauft sind. – Autsch. Bis das Werk in bezahlbareren Modellen verfügbar sein wird, dürfte es noch eine Weile dauern. Und dann bleibt abzuwarten, wie schön sie es verpackt bekommen.
Von solchen Ausnahmen abgesehen bleibt so ziemlich alles beim Alten. Es gibt eine unüberschaubare Vielfalt an Uhren, die sich, als Schwarm betrachtet, wie ein Ei dem anderen gleichen, nur unterteilt in gewisse Designsparten wie Taucher-, Flieger-, Sportuhr etc. Daraus echte Ausnahmeuhren herauszupicken, ist mühsam. Insbesondere, wenn sie dann auch noch in einem preislich „bürgerlichen“ Rahmen bleiben soll.
Der Erfolg der Apple Watch hat nur das Segment der Ultra-Luxus-Uhren für Oligarchen, Ölmagnaten und Hedgefond-Manager scheinbar gar nicht beeinflusst, was allerdings auch nicht sehr verwunderlich ist.
Tja, und was ist das Fazit daraus?
Vielleicht werde ich mir zusätzlich zur Apple Watch mal wieder eine herkömmliche Uhr zulegen, die ohne regelmäßige Stromspeisung per Kabel auskommt und ein echtes „Gesicht“ hat. Nach Sichtung hunderter Modelle und langwieriger Recherche in seriösen Uhrenblogs habe ich ein, zwei Modelle gefunden, die in Frage kommen könnten. Die haben zwar auch nichts technologisch wirklich neuartiges an sich, erfüllen aber meine wichtigsten Kriterien und sind noch bezahlbar bei einem ausgewogenen Verhältnis zu Qualität und Design. Aber die Entscheidung fällt mir nicht leicht. Das wird bei der nächsten Generation der Apple Watch voraussichtlich anders aussehen, die meine „Series 0“ beerben soll. Über ein sorgfältig überarbeitetes Design wäre ich aber auch nicht traurig.