Vision Pro und Journal-App ausgeplaudert – Apple zieht Angestellten vor Gericht
Wer bei einem großen Unternehmen wie Apple arbeitet, wird regelmäßig mit Entscheidungen konfrontiert, die nicht den eigenen Wünschen entsprechen. Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, damit umzugehen: Sich auf Managerposten bewerben, die Abteilung wechseln oder ein Hobby suchen. Andrew A. entschied sich offenbar für einen anderen, illegalen Weg, wenn man der
Anklageschrift glauben mag, die am 18. März 2024 in Santa Clara eingereicht wurde. habe Andrew A. über einen Zeitraum von fünf Jahren Firmeninterna an einen Journalisten der Tageszeitung "Wall Street Journal" durchgestochen – allein 1.400 Nachrichten soll er ihm zwischen Juni und September 2023 geschickt haben. Zudem habe er einer Journalistin des Portals "The Information" über 10.000 Nachrichten gesendet und quer durchs Land gereist sein, um sie zu treffen. Beide Medien waren in den letzten Jahren tatsächlich sehr gut (und frühzeitig) informiert.
Die Details in dem 36-seitigen Gerichtsdokument lesen sich wie eine Tragikomödie im Milieu der Firmenspionage. Der Entwickler arbeitete seit 2016 bei Apple; sein Job im Bereich der Energieverwaltung von Mobilgeräten erforderte umfangreichen Zugang zu vertraulichen Informationen. Fünf Jahre lang soll er unveröffentlichte Details weitergegeben haben. Diese umfassten eine unveröffentlichte App (vermutlich die Tagebuch-App "
Journal"), Eigenschaften neuer Hardware sowie Forschungs- und Entwicklungsbemühungen im VR-Bereich. Auch abstraktere Inhalte leitete er weiter, etwa die Anzahl der Mitarbeitenden in einem Projekt oder Strategien bei der Produktentwicklung sowie im Umgang mit staatlichen Vorgaben. Das geschah laut Apple-Anwälten aus Geltungsdrang sowie Unzufriedenheit mit bestimmten Entscheidungen: Screenshots der Kommunikation zeigen ihn erfreut darüber, dass eine Veröffentlichung Chaos auslösen würde. Mit Bildschirmfotos wurde Andrew A. letztendlich überführt, denn offenbar nutzte der Angeklagte sein von Apple gestelltes iPhone, um mit Journalisten zu kommunizieren.
Unter dem Namen "Homeboy" hatte Andrew A. den Journalisten des Wall Street Journal abgespeichert.
Spuren löschen auf der ToiletteOffenbar lagen Apple am 7. November 2023 genügend Hinweise vor, um A. in einem Gespräch mit den Vorwürfen zu konfrontieren. Dieser stritt zunächst alles ab. Auf die Aufforderung, sein Firmen-iPhone auszuhändigen, antwortete er, er habe es momentan nicht dabei. Bei einer Toilettenpause habe er dann doch sein Diensthandy gezückt und die Messenging-App "Signal" gelöscht. Damit waren Inhalte und Metadaten des Austauschs zwischen Andrew A. und den Journalisten unwiederbringlich gelöscht. Die Bildschirmfotos waren jedoch auf seinem Smartphone (und höchstwahrscheinlich der iCloud) gespeichert. In einem zweiten Mitarbeitergespräch am 12. Dezember gab A. wohl einige Dinge zu – aber nur so viel, wie ihm nachzuweisen war. Daraufhin wurde ihm gekündigt, darauf folgend zudem die Klage erhoben.
Apple will über 25.000 Dollar Schadensersatz und Aktienoptionen zurückAngeklagt ist der Ex-Angestellte nun wegen Vertrags- und Vertrauensbruch sowie Bruch der Aktienoptionsvereinbarungen. Das würde bedeuten, dass Andrew A. die ihm im Rahmen seines Arbeitsvertrags ihm zustehenden Firmenanteile ganz oder teilweise verliert. Branchenkenner vermuten den Wert solcher Firmenanteile im sechs- bis siebenstelligen Bereich. Die Anklageschrift weist darauf hin, dass Apple die Bedeutung einer Klage gegen einen ehemaligen Angeklagten versteht. Die Firma habe aber keine andere Wahl, da Andrew A. seine Beweise gelöscht und sich in der Aufklärung unkooperativ gezeigt habe.
Apple will "überraschen und begeistern"Mehrfach erwähnt die Anklageschrift, dass der Konzern viel Wert darauf lege, seine Kunden zu überraschen und zu begeistern ("surprise and delight"). Die vorgeworfenen Vorabveröffentlichungen haben der Firma großen Schaden zugefügt – zumindest beim Teil der Überraschung, möchte man hinzufügen. Dass Apple die Vorabveröffentlichung neuer wie geplanter Produkte ein Dorn im Auge ist, wurde in den letzten Jahren mehrfach öffentlich: 2021 warnte Tim Cook in einem
firmeninternen Schreiben davor, Interna zu publizieren. Ein Interview aus dem Jahr 2017 zeigt, welche umfangreiche
professionelle Hilfe der Konzern beim Aufspüren von Lücken in Anspruch nimmt.