OS X 10.10 YosemiteAm 2. Juni 2014 war es schließlich so weit, dass die neue Designphilosophie auch in das Desktop-Betriebssystem OS X einzog. Parallel zum Trend hin zu schlichteren, „flacheren“ Grafiken und Symbolen vollzog sich eine Anpassung der Optik hin zu den aus iOS bekannten Oberflächen. Überhaupt ist die große Überschrift dieser Yosemite getauften Systemversion die
Konvergenz der Systeme: Mithilfe von Continuity sollen alle Macs, iPhones und iPads eines Nutzer zu einem großen Gerät verschmelzen. Telefonieren und SMS-Schreiben vom Mac aus ist nun ebenso möglich wie ein weitgehend bruchloser Übergang eines Workflow von einem auf das nächste Arbeitsgerät mittels Handoff. Neben diesem großen Thema bearbeitete Yosemite die Funktionsweise von Mail mit Instrumenten wie Mail Drop und Markup, integrierte Soundbites in die Nachrichten-Apps beider Apple-Betriebssysteme, initiierte die iCloud Drive und drehte an der Effizienzschraube, um bessere Leistung bei geringerem Energieverbrauch zu erreichen.
Und Yosemite bearbeitete das Design. In keinem Systemupdate vorher wurde so viel Wert darauf gelegt, dass nun alles neu aussieht, sauberer und aufgeräumter, wie viele meinen. Gleich mehrere deutliche Veränderung fallen beim ersten Blick auf das System auf: Erstens eine
neue Systemschrift, Helvetica Neue, die dünner und etwas kontrastärmer daherkommt als ihre Vorgängerin. Zweitens das
neue Dock, das einen Schritt zurück in die Zeit vor 10.5 Leopard zu machen scheint und sich wieder in 2D präsentiert. Und drittens - vor allem - die
Schar neuer Icons. Alle Systemprogramme und -elemente wie Ordner, Papierkorb oder Datenträger bekamen neue Symbole spendiert.
Zahlreiche von ihnen wurden nur leicht dem neuen Trend der flacheren Oberfläche angepasst wie das Finder-Symbol, der Kalender, Mac App Store Mail, Nachrichten Ordner, iBooks, Launchpad, die Aktivitätsabzeige und viele mehr. Andere änderten sich deutlicher, wie zum Beispiel der erstmals seit der ersten Version von Mac OS X erneuerte Papierkorb, aber auch die Icons von Vorschau (ohne den Jungen), Notizen und Textedit (jeweils ohne Beispieltext). Wieder andere entsprachen ihren Vorbildern aus iOS, das bereits ein Jahr früher ein Redesign erhielt. Zu dieser Kategorie gehören etwa Safari, Notizen, Erinnerungen, Rechner, FaceTime, Game Center und iTunes.
Dies alles fällt schon beim ersten Anblick auf. Durchstöbert man das System weiter, fallen einem die neuen Designkonzepte ins Auge, die sich überall finden lassen. Allen voran die
schwache Transparenz, die man in Fensterleisten, Kontextmenüs, im Dock und in den Hintergründen zahlreicher In-App-Grafiken findet. Die Finderfenster wurden mit neuen Buttons ausgestattet, die dem
grauen Grundton, der seit 10.7 vorherrscht, treu bleiben, aber doch deutlich schlanker, funktioneller und schematischer wirken. Die berühmten drei farbigen Funktionstasten in der oberen linken Ecke verlieren jede Plastizität. Die
In-App-Grafiken teilen sich in diejenigen Apps, die nur leicht angepasst wurden, und diejenigen, die ebenfalls ein komplettes Redesign erhielten. Zur ersten Kategorie gehören die meisten größeren Programme wie Safari, Mail oder die bereits in der ersten Etappe unter Mavericks bereits restaurierten Notizen, Kalender und Kontakte. Sie erhielten jeweils entweder eine
schlanke, einheitliche Titelleiste, die besonders für Safari beworben wurde, oder
verzichteten ganz auf eine Leiste, etwa in Erinnerungen, Notizen und Kontakten.
Ein komplettes Redesign erhielten dagegen vor allem diejenigen Apps, die ihr Äußeres an iOS anpassten: allen voran die Nachrichten, das Game Center, der Rechner und die Mitteilungszentrale.
Spotlight rückt unter Yosemite im wahrsten Sinne des Wortes ins Zentrum des Geschehens: Die kleine Textzeile in der oberen rechten Ecke weicht einem zentralen Fenster mit viel Platz für Vorschautext und Grafiken.
Eine neue Richtung schlägt Apple mit der erstmaligen Auswahl eines Designkonzepts ein, vorgestellt als „
Dark Mode“. Von diesem ist am Ende zwar lediglich die mögliche Verdunklung von Menüzeile, Kontextmenüs und Dock übrig geblieben, doch ebendies könnte ein Weg für zukünftige Entwicklungen aufzeigen: Individualität.
Schlussbetrachtung:
Zwar fallen insgesamt die Änderungen in Yosemite weniger radikal aus als bei iOS 7, dem Redesign des mobilen Betriebssystems, dem zahlreiche erhitzte Diskussionen über die neue Philosophie folgten. Dennoch wäre ein individuell einstellbares Konzept für viele Nutzer die Möglichkeit, ihren Vorlieben nach von ihrem Mac begrüßt zu werden. Das muss (und sollte) kein Wust von Hunderten, sich kaum unterscheidenden Kleinstentscheidungen werden - ebenso wenig die Wahl zwischen sich in nichts ähnelnden, beliebig oder gar dilletantisch wirkenden Designschule. Doch wenn man die Wahl hätte, verspielt zu den Nadelstreifen, dem gebürsteten Metall oder dem geflochtenen Leinen zurückzukehren, skeuomorphismen in den Apps zu fröhnen oder im Gegenteil seriös die flachen, grauen Oberflächen zu behalten, wäre dies ein Schritt hin zu weniger Oktroyismus und mehr Entscheidungsfreiheit in der Aufmachung von OS X.