Vom Hobby zum Hoffnungsträger: Die Karriere des Apple TV
Apple TV 2nd Generation: Das kleine Schwarze (2010 bis 2012)Das Publikum staunte. Hatte Steve Jobs, der Meister der Produktpräsentation und des Reality Distortion Field, etwa selbstkritisch auf den ausbleibenden Erfolg des Apple TV hingewiesen? Tatsächlich gab der Apple-Chef auf dem September-Event 2010 unumwunden zu, dass das Apple TV bislang alles andere als ein Hit war. Der Konzern verkaufte pro Jahr nur wenige hunderttausend Stück.
Jobs machte den Verkaufsflop allerdings – wie bereits im vorigen Kapitel thematisiert – hauptsächlich an der schlechten Marktsituation für Set-Top-Boxen allgemein und weniger an der Produktqualität des Apple TV fest. Nutzer der TV-Box seien begeistert von den Funktionen, so der damalige Apple-Chef. Mit den vier Jahren Erfahrung seit der Erstpräsentation im Rücken gelte es aber Rückschlüsse dahingehend zu ziehen, wie Apple das Gerät weiter optimieren und an die Marktbedürfnisse anpassen könne. Jobs nannte sieben zentrale Nutzerbedürfnisse, die der Konzern berücksichtigen müsse. Kunden wollen demnach
- professionelle Inhalte wie Hollywood-Filme und Serien konsumieren, keine „Amateurstunde“
- alles in HD sehen
- weniger Geld für Inhalte ausgeben
- keine Computerfunktionen auf dem TV-Bildschirm
- sich nicht um Speichermanagement kümmern
- keine Sync-Funktion mit iTunes
- ein leises, kühles und kleines Gerät
Die Liste veranschaulichte die größten Baustellen des ersten Apple TV. Insbesondere beim letztgenannten Punkt setzte der Konzern an. Äußerlich war das Produkt nicht wiederzukennen. Die kompakte schwarze Box, die keine Analog-Anschlüsse mehr bot, hatte weniger als ein Viertel der Größe des ursprünglichen Apple TV. Apples energieeffizienter ARM-Chip A4 ermöglichte nicht nur das kleinere Gehäuse. Dank der Abschaffung des Intel-Prozessors lief die TV-Box praktisch lautlos und auch deutlich kühler als die vorherige Generation.
Außerdem entfernte Apple die Kaufoption für Videos und bot fortan nur noch Ausleihen. Hinzu kamen ausführliche Filminformationen und -kritiken sowie die Option, Netflix zu verwenden. So wurde die Box zunehmend unabhängig vom verbundenen Rechner.
Auch die vormals integrierte Festplatte fiel dem Rotstift zum Opfer. Jobs rechtfertigte das damit, dass Nutzer ohnehin keine Lust auf Speichermanagement sowie iTunes-Synchronisation hätten und Medien stattdessen lieber streamen. Der 8-Gigabyte-Speicher des Apple TV 2 war für das Puffern von Streams gedacht. Da Filme und Serien nur noch ausleihbar oder im lokalen Netzwerk per iTunes-Stream verfügbar waren, bestand ohnehin kein Bedarf mehr danach, die Medien längere Zeit auf dem Gerät zu speichern.
Weiterhin kein Full-HDKurioserweise setzte Apple den bei der Präsentation explizit genannten HD-Aspekt nur halbherzig um. Zwar waren mehr HD-Videos als zuvor verfügbar, jedoch weiterhin nur mit einer maximalen Auflösung von 720p. Einige Anwender zeigten sich darüber enttäuscht, da das 1080p-Zeitalter längst angebrochen war. YouTube etwa bot schon seit 2009 eine Full-HD-Option.
Punkten konnte das Apple TV (2nd Generation) mit dem Preis. Dieser fiel unter anderem wegen der preisgünstigeren Komponenten auf 119 Euro. Apple erschloss sich so eine größere Zielgruppe.
Einen weiteren Vorteil brachte das Streaming-Protokoll AirPlay für iOS. Nutzer eines iPhones oder iPads konnten ab iOS 4.2 Videos von ihrem iDevice via AirPlay an ein Apple TV senden und so auf dem großen Fernseher im Wohnzimmer betrachten. AirPlay Mirroring für macOS und iOS brachte zudem die Möglichkeit, komplette Bildschirminhalte auf das Apple TV zu übertragen.
Die Testberichte waren überwiegend positiv, wobei einige Rezensenten die Beschränkung auf Ausleihen bemängelten. Für Kaufversionen mussten Nutzer den Umweg über iTunes gehen.
Spekulationen über Apple-FernseherAls Steve Jobs im Oktober 2011 starb, erlebte Apple eine der größten Zäsuren in der Firmengeschichte. Zwar war der Apple-Mitbegründer krankheitsbedingt bereits zwei Monate vorher als Chef zurückgetreten, doch der Schatten des Visionärs lag spürbar über dem Firmenhauptsitz in Cupertino.
Die bald darauf erschienene Jobs-Biographie heizte die Gerüchteküche an. Steve Jobs hatte sich gegenüber Walter Isaacson, dem Autoren des Buches, optimistisch hinsichtlich eines neuentwickelten Fernsehers gezeigt. Schnell kamen Spekulationen auf, wonach Apple an einem TV-Gerät mit einer Displaydiagonale von mindestens 37-Zoll arbeite. Doch in den Folgejahren wurde es diesbezüglich immer ruhiger. Inzwischen scheint Apple die Pläne endgültig ad acta gelegt zu haben, sofern der Konzern überhaupt jemals konkrete Ambitionen hinsichtlich eines Fernsehers hatte.